Franz Josef Strauß:Auf politischer Großwildjagd

Seine letzte Auslandsreise führte Strauß nach Bulgarien auf Großwildjagd. Sein damaliger Mitarbeiter Rothenpieler erinnert sich.

Christine Burtscheidt

Es war auf seiner letzten Auslandsreise, nur wenige Tage vor seinem Tod. Da lief Franz Josef Strauß noch einmal zu großer Form auf. Er flog nach Bulgarien zum internationalen "Ost-West-Wirtschaftsforum" und beabsichtigte klare Worte zu sprechen - ähnlich jenen, mit denen er 1987 in Moskau Michail Gorbatschow, damals noch Chef der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, unverblümt hatte wissen lassen: "Der Versuch, den Kommunismus zu reformieren, ist der Versuch, Schneebälle zu rösten."

Todor Schiwkow, dpa

Die letzte Reise führte Strauß nach Bulgarien, zu einem Besuch mit Staatschef Todor Schiwkow.

(Foto: Foto: dpa)

Nun also Bulgarien. Wenige Tage vor dem Flug erhielt sein Mitarbeiter Friedrich-Wilhelm Rothenpieler den Redetext, um ihn nochmals durchzulesen. Er gab Strauß das Manuskript zurück, nicht ohne seine Bedenken zu verhehlen. "Herr Ministerpräsident, Sie sollen zur Zukunft der Ost-West-Beziehungen und der kommunistischen Staaten sprechen. Ihr Text hat aber die Botschaft: Ihr habt keine Zukunft! Sollte man das nicht etwas milder formulieren?", wandte Rothenpieler ein.

Strauß antwortete prompt: "Sie werden sehen, ich werde es noch deutlicher sagen. Wenn man mich einlädt, hat man Anspruch auf die ganze Wahrheit."

Rothenpieler ist heute Amtschef im bayerischen Wissenschaftsministerium. Und er erinnert sich genau. Es kam so, wie Strauß angekündigt hatte. Der bayerische Ministerpräsident sprach den kommunistischen Staaten jede Zukunftsfähigkeit ab.

Der damalige bulgarische Staatschef Todor Schiwkow verfolgte die Rede mit versteinertem Gesicht und verließ nach kurzem Applaus den Raum. Nur wenig später forderten die Vertreter des Ostblocks sogar eine Sondersitzung. Alles schien auf einen politischen Eklat hinauszulaufen.

Hannes Androsch, ehemals österreichischer Vizekanzler unter Bruno Kreisky, hielt den Bayern vor: "Was habt Ihr angerichtet!" Doch an Strauß perlte wie immer jede Kritik ab.

Dann kam alles ganz anders. Schiwkow erörterte noch einmal im kleinen Kreis mit den westlichen Vertretern die Zukunft seines Landes. Zur Überraschung aller sagte Schiwkow zu Strauß: "Sie haben vollkommen recht. Wir haben keine Zukunft, wir sind in ökonomisch aussichtsloser Lage." Sein Land werde aus dem Warschauer Pakt aussteigen. Deshalb bräuchte man jetzt solche Freunde wie Strauß, die den Mut hätten, die Wahrheit zu sagen. Am Ende lud Schiwkow den Bayer für den nächsten Tag zur Jagd ein.

Die Jagd fing für Strauß nicht gut an. "Die Wildsäue sind hier so schnell, ich habe immer hinterher geschossen", klagte er. Doch beim Mittagessen verflog jeder Missmut. Denn da fragte ihn Schiwkow: "Was müssen wir tun, um Mitglied der EU zu werden?"

Friedrich-Wilhelm Rothenpieler sagt heute: "Damals konnte man förmlich spüren, dass hier politisch etwas Großes im Gange war." Prompt erlegte Strauß anschließend auch einen kapitalen Hirschen.

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