SPD-Erfolg in Niederbayern:Regener wählen Michael Adam zum Landrat

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Jung, schwul, evangelisch, sozialdemokratisch: Mitten im traditionell konservativen Niederbayern hat sich Michael Adam gegen seinen CSU-Konkurrenten durchgesetzt und ist Landrat von Regen geworden - der jüngste bundesweit.

Max Hägler, Regen

Um Viertel nach sechs schwenken die Anhänger von Michael Adam das erste Mal eine SPD-Fahne: 60,5 Prozent in der Gemeinde Langdorf. Eine Viertel Stunde dauert es dann noch, das Gemurmel unter den Trägern der roten T-Shirts ("Wir können Landrat") wird immer größer, um halb sieben Uhr scheint die Sensation dann sicher, es wird laut im Saal: Auch die Stadt Viechtach geht mit 64,5 Prozent an Adam. "Gut, besser, Adam" rollen die Sozialdemokraten im Sitzungssaal des Landratsamtes Regen aus. Jetzt ist klar: Die Sensation ist eingetreten. Mitten im Bayerischen Wald, mitten im katholischen CSU-Stammland wird ein 26-jähriger, schwuler, evangelischer Sozialdemokrat Landrat. 57,3 Prozent sein Ergebnis in der Stichwahl, CSU-Kandidat Helmut Plenk kommt nur auf 42,7 Prozent. Vor drei Jahren wurde Adam bereits Bürgermeister in Bodenmais, war damit jüngster Rathauschef in Deutschland, jetzt wiederholt sich diese Überraschung auf der nächsten Politikebene.

SPD-Kandidat Michael Adam nach der Bekanntgabe der vorläufigen Wahlergebnisse: Mit dem Sieg in Regen ist er endgültig ein Hoffnungsträger der in Bayern sonst wenig erfolgreichen SPD. (Foto: dapd)

Abgekämpft schaut Adam aus, als er gegen halb sieben Uhr mit seinem Freund Tobias Eckert ins Landratsamt kommt. Tiefe Augenringe, er hat gekämpft. Und sagt, dass er stolz sei auf die Bürger im Landkreis: "Sie haben Inhalte und Personen gewählt und sich nicht mehr an ihre Parteibindungen gehalten." An seiner Seite sekundiert der SPD-Landesvorsitzende Florian Pronold, er glaubt mittlerweile an die Symbolfunktion dieser Kommunalwahl: "Wenn ein junger, qualifizierter SPD-Kandidat in Regen Landrat wird, dann wird ein etwas älterer, noch erfahrener SPD-Kandidat Ministerpräsident in Bayern." Gemeint ist natürlich Christian Ude, der bei der Landtagswahl als Spitzenkandidat antreten wird.

Mit versteinerten Mienen, am Rand: CSU-Kandidat Helmut Plenk und Helmut Brunner, CSU-Kreisvorsitzender und Landwirtschaftsminister. Er gratuliere, sagt er und kündigt an, dass seine Partei keine Verhinderungsstrategie im Kreistag fahren werde. Einen parteipolitischen Trend könne er nicht ausmachen, sagt Brunner. Es sei eben ein Wahlkampf gewesen, der "Gott sei Dank nicht alltäglich" sei.

Das ist wohl wahr, nicht nur wegen des SPD-Kandidaten, der eigentlich aus dem Rahmen fällt: Notwendig wurde der Entscheid, weil sich der bisherige Landrat Heinz Wölfl von der CSU Mitte August das Leben genommen hatte. Er war wohl spielsüchtig, hatte sich zur Finanzierung seiner Sucht, die er in Casinos, bei Schafkopf-Runden und an der Börse ausgelebt haben soll, viel Geld von Landkreisbürgern geliehen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, weil es Hinweise gibt, dass Wölfl im Gegenzug für gewährte Privatkredite wohlwollende Amtsentscheidungen gewährt haben könnte. "Die Tragik Wölfl hat eine Rolle gespielt, wie sonst wäre das Ergebnis erklärbar", sagt Brunner.

Und dann schließlich der Stichwahlkampf: Nachdem Adam in der ersten Runde vor zwei Wochen mit etwa acht Prozent auf dem ersten Platz lag, war die CSU bereits in Unruhe. "Wir verstehen das nicht", ist ein Satz, den man von Christsozialen im Landkreis oft hörte in den vergangenen Tagen. War doch extra Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer angereist, hatte sich mit dem CSU-Kandidaten Plenk gezeigt. Nachdem das offensichtlich nicht gewirkt hatte, setzte die CSU alle ordentlichen und mitunter auch etwas unanständigen Mittel ein, um den Vorsprung einzuholen: Der Kreisvorsitzende des Sozialverbandes VdK verschickte in den vergangenen Tagen auf VdK-Briefpapier an die Mitglieder in der Gegend einen Brief. Darin die Einschätzung, dass mit einem CSU-Landrat Plenk "alle Bürger im Landkreis" gewinnen würden. Plenk ist zufällig auch VdK-Kreisgeschäftsführer. Und dann kam am Freitag auch noch Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner in die Viechtacher Stadthalle. Es hat alles nichts genutzt.

© SZ vom 28.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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