Selbstmordattentäter aus Ansbach:Per E-Mail in den Heiligen Krieg

Der Verfassungsschutz hatte den Verdächtigen seit längerem im Visier: Wie der türkische Selbstmordattentäter aus Bayern in Afghanistan zum Terroristen wurde.

Annette Ramelsberger und Matthias Sander

Der Mann scheint sich seiner Sache sicher zu sein. Auf mehreren Fotos posiert er mit Revolvern, auf einem visiert er ein Ziel an. Immer lächelnd, immer selbstgewiss. Er trägt ein blaues Gewand und eine helle Taqiya, eine gehäkelte Mütze. Ein dunkler Vollbart unterstreicht seine Gesichtszüge.

Selbstmordattentäter aus Ansbach

Der Selbstmordattentäter aus Ansbach hatte E-Mail-Verkehr mit einem der Terrorverdächtigen aus der Sauerland-Zelle.

(Foto: Foto: dpa)

Es ist der Mann, der der erste Selbstmordattentäter aus Deutschland sein soll - der junge Türke Cüneyt Ciftci aus Ansbach soll am 3. März in Ost-Afghanistan bei einem Selbstmordanschlag vier Menschen getötet haben. So berichtet es die Terrorgruppe "Islamic Dschihad Union" im Internet.

Wie die Süddeutsche Zeitung erfuhr, stand der 28-jährige das ganze Jahr 2007 über in regem E-Mail-Verkehr mit einem der Terrorverdächtigen aus der Sauerland-Zelle, dem in Hessen aufgewachsenen Adem Yilmaz. Mit ihm habe er immer wieder im Internet kommuniziert.

Was die beiden gebürtigen Türken besonders interessierte: Kann man in Deutschland als frommer Muslim überhaupt noch leben? Muss man nicht losziehen und gegen die Ungläubigen kämpfen? Sind auch Selbstmordattentate im Heiligen Krieg gerechtfertigt?

"Die beiden haben Selbstmordattentate als geeignetes Mittel im Kampf gegen die ausländischen Truppen in Afghanistan und Irak angesehen", sagte ein Fahnder der SZ. Adem Yilmaz ist seit dem 4. September 2007 in Haft: Er wollte mit zwei Freunden mehrere Autobomben bauen und in Deutschland hochgehen lassen. Sein Brieffreund Cüneyt Ciftci ist bereits am 2. April 2007 ausgereist - mit seiner Frau und seinen Kindern. Am Tag zuvor hatte er seine Stelle bei der Elektrofirma Bosch gekündigt.

Islamischen Staat als Ziel

Innerlich stand Ciftci dem radikalen Islam schon früher nahe. Ciftci sei durch radikale Äußerungen aufgefallen, sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2007.

Deshalb habe der Verfassungsschutz ihn schon seit längerem im Blick, er sei jedoch nicht im Zentrum des Interesses gewesen. 2004 seien wegen Einwänden der Sicherheitsbehörden mehrere Einbürgerungsanträge Ciftcis abgelehnt worden. Formal hätte Ciftci das Recht auf Einbürgerung gehabt: Er wurde in Freising geboren und lebte seit seinem zehnten Lebensjahr in Ansbach.

"Ciftci ist uns zum ersten Mal bekannt geworden durch einen Besuch in einer IGMG-Moschee", sagt der Leiter des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Wolfgang Weber. Hinter dem Kürzel IGMG steckt die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs, die bundesweit vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Zudem hat Ciftci in Kontakt zu Tabligh-i Jamaat gestanden, einer Missionsorganisation, die für eine archaische Form des Islams indischer Prägung eintritt. Tabgligh-i Jamaat ist in Ansbach nicht unbekannt: In einem Urteil vom 15.Januar erklärte das Verwaltungsgericht Ansbach, die Organisation bereite die "geistigen Grundlagen" und den "Boden für Terrorakte vor".

Ihr Ziel sei der islamische Staat. Die Familie Ciftci - Vater, Mutter, ein jüngerer Bruder und eine Schwester - ist in Ansbach stadtbekannt. Sie gilt als streng religiös. Schon als Zwölfjähriger wurde der Sohn von seiner Familie auf das staatliche Islam-Internat Erkek Koran Kursa in der Türkei geschickt. Dort blieb er drei Jahre lang. Auch Ciftcis Vater ist wegen seiner Nähe zu Milli Görüs dem Verfassungsschutz bekannt.

Als der Junge nach den drei Jahren in der Türkei wieder nach Ansbach kam, tat er sich schwer in der Schule: Er machte keinen Hauptschulabschluss, begann eine Maurerlehre und brach sie wieder ab. Er arbeitete mal als Raumausstatter, mal bei McDonalds. Nichts gelang ihm richtig. Seit 1998 aber hatte er einen festen Job bei der Elektrofirma Bosch.

Im Jahr 2001 heiratete Ciftci eine junge Türkin aus Ansbach, die beiden haben zwei kleine Söhne. Kennengelernt hatte sich das Ehepaar in einem Dönerladen. Nach der Hochzeit 2001 habe ihre Tochter bald ein Kopftuch getragen, sagte die Schwiegermutter der SZ. Das habe sie vorher nie getan. "Was ist los?", habe sie von ihrer Tochter wissen wollen. Sie glaubte ihr nicht, dass sie sich aus freien Stücken für das Kopftuch entschieden hatte. "Meine Tochter war immer nett, ganz modern und schüchtern", sagte die völlig aufgelöste Frau am Telefon. Unter dem Einfluss des Schwiegersohns scheint sich die Tochter immer mehr von ihrer Mutter entfernt zu haben. Seit mindestens drei Jahren habe sie keinen Kontakt mehr mit der Familie ihrer Tochter. Vor vier Jahren habe sich der Schwiegersohn plötzlich gewandelt, berichtet eine Vertraute der Familie. "Er war ein moderner, junger Mann, dann ist er anders geworden."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: