Seehofers Sieg:In vier Jahren auf den Höhepunkt

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Horst Seehofer mit seiner Ehefrau Karin am Wahlabend: Der Amtsinhaber holt für die CSU die absolute Mehrheit zurück. (Foto: AFP)

Nach der Bundestagswahl 2009 galt Horst Seehofer als Strategieversager - vier Jahre später triumphiert er. Sein Matchplan ist voll aufgegangen. Die Geschichte eines Comebacks.

Von Sebastian Gierke

Welch ein miserables Ergebnis. Und schuld daran ist Horst Seehofer. Werden sie ihn jetzt vom Hof jagen bei der CSU? Er hat ihnen das eingebrockt. Er, der selbsternannte Stratege, hat die falsche Wahlkampftaktik gewählt.

Das war 2009. 42,5 Prozent hatte die einst so stolze CSU damals bei der Bundestagswahl. Seehofer, der bayerische Ministerpräsident und Parteivorsitzende, war auf einem Tiefpunkt seiner Macht angekommen.

Vier Jahre später - ist Horst Seehofer auf dem Höhepunkt.

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Horst Seehofer hat sich aus ärmlichen Verhältnissen zum bayerischen Ministerpräsidenten hochgearbeitet. Seine Karriere ist alles andere als geradlinig verlaufen, seine Arbeitswut hätte ihn fast das Leben gekostet. Nun hat er den Höhepunkt seiner Macht erreicht. Ein Werdegang in Bildern.

Bayern hat gewählt, und die CSU, die Seehofer sich unterworfen hat wie wenige vor ihm, hat viel von ihrer alten Stärke und ihrem alten Stolz zurück. Es wird wohl für eine Alleinregierung reichen. Welch ein Triumph. Vergleichbar eigentlich nur mit 2003, als Edmund Stoiber für die CSU die Zweidrittelmehrheit der Landtagsmandate holte.

Seehofer hatte die CSU in der Stunde ihrer größten Demütigung übernommen. Bei der Landtagswahl 2008 stürzten die Christsozialen ab, nur noch 43,4 Prozent wählten sie, 17,3 Punkte weniger als bei der Landtagswahl 2003. Die von Edmund Stoiber errungene absolute Mehrheit: futsch. Ein Jahr später musste Seehofer dann die Verantwortung für das 42,5-Prozent-Desaster bei der Bundestagswahl 2009 übernehmen. Nervös war er damals, viel nervöser als heute.

Was für eine Erleichterung dann an diesem Sonntagabend. Ein einziger Satz, den Seehofer beim Auftritt nach den ersten Hochrechnungen sagte, macht klar, was für ihn die größte Herausforderung war: "Damit ist das Jahr 2008 Geschichte", so kommentierte er den Triumph bei der Landtagswahl. Man wollte hinzufügen: Und 2009 gleich mit.

Ganz sicher war sich Seehofer nicht

Indes, ein bisschen Unsicherheit war Seehofer auch diesmal anzumerken. Zwar versuchte er schon Wochen vor der Wahl den Eindruck zu vermitteln, dass da nichts mehr schiefgehen könne. Seehofer, der sich so gern als Stratege inszeniert, dem nachgesagt wird, dass er Gegner und Mitstreiter bestenfalls für Mühlespieler hält, die sich auf sein Schachbrett verirrt haben, dachte bereits laut über die Zeit nach der Wahl nach. Die Zeit, in der es sehr schnell auch um seine Nachfolge, die Nachfolge des Siegers gehen wird. So versuchte Seehofer Gelassenheit zu demonstrieren. Doch ganz sicher war er sich nicht. Hatte er nicht doch einen Zug, den entscheidenden Zug übersehen? Die Umfragen waren ja 2008 ähnlich gut gewesen wie heute, keiner der Demoskopen hatte den Absturz vorhergesehen.

Diesmal hat die CSU die guten Umfragewerte ins Ziel gebracht. Das liegt vor allem daran, dass es Bayern wirtschaftlich gut geht. Doch warum haben so wenige gefragt, ob das überhaupt das Verdienst der schwarz-gelben Landesregierung ist? Immerhin hat die CSU einige fehlgeschlagene wirtschaftspolitische Manöver zu verantworten, das Landesbank-Desaster ist nur das drastischste Beispiel. Die Antwort auf die Frage ist vermutlich: Seehofer. Es lag vor allem an ihm, dass keine Unsicherheit, keine Wechselstimmung aufgekommen ist. Er lag mit seiner Strategie - anders als 2009 - diesmal genau richtig.

Seehofers Kalkül im Wahlkampf, ähnlich dem von Kanzlerin Angela Merkel, zielte auf eine teilweise Ermüdung des Publikums. Von den ständigen Beteuerungen und Beschwichtigungen und Berichtigungen gezielt und höchst effektiv sediert, sollten die Menschen sich sicher und behütet fühlen - und jenem widerstandslos folgen, der verspricht, dass alles gut bleibt.

Heiter sorgenlose Kollektivbildungsparolen hat Seehofer verbreitet. Es gebe keine andere Partei, die es so wie die CSU geschafft habe, eine Symbiose mit dem Freistaat Bayern herzustellen. Seehofer geriet damit - wie gerade bayerische Politiker im Wahlkampf des Öfteren - in die Gefahr, zu seiner eigenen Parodie zu werden. Zu einer Karikatur seiner selbst: Ich bin Horst Seehofer, ich bin die CSU, die CSU ist Bayern - und uns kann keiner was. Dieses Bild hat er immer und immer wieder gezeichnet. Er hatte damit Erfolg, weil eine Karrikatur den Überzeichneten immer auch als Individuum darstellt, als einzigartig, als das Gegenteil eines schablonierten Typen. Und so einer kommt gut an in Bayern.

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Da spielt es auch keine Rolle, dass sich Seehofer immer an der Grenze zum Populismus bewegt. Wo sich andere mit dem Vorwurf rumschlagen müssen, sie seien nicht nahe genug dran an den Sorgen der Menschen, wird Seehofer dafür kritisiert, Politik ausschließlich nach dem Willen der Bevölkerung zu machen. Doch damit kann Seehofer gut leben. Das Wahlergebnis ist in dieser Beziehung nur eine letzte Bestätigung für ihn.

Die CSU ist wieder da. Zwar nicht mit einem Ergebnis von über 50 Prozent, diese Zeiten sind vorbei. Trotzdem: Seehofer hat seinen Auftrag erfüllt, er hat seine erste Wahl als Spitzenkandidat gewonnen. Noch vor zwei Jahren sah es aus, als könnte der 64-Jährige in die Annalen der CSU als jener Vorsitzende eingehen, der die Partei in die Opposition führen würde. Jetzt hat er sich einen Platz gesichert in der Reihe mit Franz Josef Strauß oder Edmund Stoiber, bei denen also, die der CSU wie selbstverständlich absolute Mehrheiten bescherten.

Seiner Partei hat er als Ministerpräsident mit seiner Art, Politik zu machen, viel zugemutet. Die CSU sei die "Partei der Wehrpflicht", hatte Seehofer einmal gesagt. Und die Wehrpflicht dann flugs abgeschafft. Atomkraft? Weg damit! Donauausbau, jahrzehntelanges CSU-Prestigeobjekt? Nach ein paar Gesprächen mit Donauanrainern auf einem Schiff gestrichen. Studiengebühren: "Wollte ich nie!"

"Drehofer" haben die Gegner geschrien. Seehofer drehte sich einfach weg und ignorierte sie. "Die Bayern waren immer auf der Seite der Sieger. Das hat man historischen Weitblick genannt", mit diesem Satz erntete er im Wahlkampf in vielen Bierzelten schenkelklopfende Lacher.

Seehofers Sprüche
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In seiner ersten Amtszeit ist Horst Seehofer als Ministerpräsident nicht nur mit ständigen Wendemanövern, sondern auch mit derben Sprüchen aufgefallen - über Parteifreunde und politische Gegner. Seine besten Zitate.

Die Welt verändere sich und die Politik müsse sich darauf einstellen, das ist Seehofers Devise. Er stellt sich allerdings nicht auf die tatsächliche Veränderung ein, sondern nur auf die Veränderung der Mehrheitsmeinung. Bei vielen Politikern sind die Gedanken oft schneller als die Augen. Seehofer schaut dagegen sehr lange und sehr genau hin, er hat einen fast manischen Beobachtungsdrang - und erst wenn er glaubt, nichts übersehen zu haben, dann entscheidet er. So wie seiner Meinung nach die Mehrheit entscheiden würde. "Kontinuität im Irrtum" sei der größte Fehler, den man als Politiker machen könne. Mit dieser Formel rechtfertigte er all seine Wendemanöver. Nicht einmal von Franz Josef Strauß lässt er sich dabei bremsen. Der hatte einmal gesagt: "Dem Volk aufs Maul schaun, aber nicht nach dem Munde reden."

Seehofer redet dem Volk nach dem Munde, siehe die kaum durchsetzbare Pkw-Maut. Er hat ein sehr gutes Gefühl dafür, was die Mehrheit will. Man könnte auch sagen, er weiß, wie sich die Biederkeit das Geniale so vorstellt. Ein paar überzeugte Konservative mag er so vergrault haben. Aber in der Mitte hat er Stimmen geholt. Für die Wähler dort gibt es nach fünf Jahren Seehofer einfach weniger offensichtliche Gründe, die CSU nicht zu wählen.

Die politischen Gegner haben der CSU trotzdem vorgeworfen, Politik zu machen, die nicht auf der Höhe der Zeit ist - und so den Anschluss an die Zukunft zu verpassen. Damit hatten sie bei der CSU von 2008 Erfolg. Die runderneuerte, verjüngte Seehofer-CSU trifft der Vorwurf dagegen nicht, weil sie zu schnell die Seiten wechselt, um überhaupt verortet werden zu können. Und so haben SPD und Grüne auch deshalb verloren, weil sie, anders als Seehofer, eines nicht verstanden haben: Wer sich auf der Höhe der Zeit befindet, ist immer auch ganz angepasst.

Angepasst wie Seehofer. Der Sieger.

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