Seehofers Interview im ZDF:Feixend gegen den Abwärtsstrudel

Horst Seehofer hat mit seinem "Sie können das alles senden" den Kanon ewiger Politikersentenzen erweitert. In Zeiten feinjustierter Erklärungen war sein Statement eine Sensation. Doch hinter der Attacke steckt mehr als wahltaktisches Angstbeißen gegen die Schwesterpartei, von deren Abstieg sich Seehofer unbedingt distanzieren will. Aus der CDU ist eine echte Jein-Partei geworden.

Robert Roßmann

Es gibt Sätze, die bleiben. Floskeln, die es auf ewig in den Setzkasten der Politik geschafft haben, weil sie jeder versteht und sie für etwas stehen. "Die Karawane zieht weiter" (Kohl), "Zwischen uns passt kein Blatt Papier" (Lafontaine/Schröder) oder "Ich war einer der letzten Live-Rock-'n'-Roller" (Joschka Fischer). Horst Seehofer hat den Kanon jetzt um eine Sentenz erweitert. "Sie können das alles senden", feixte der CSU-Chef grinsend in die Kamera, nachdem er die CDU brutal in den Senkel gestellt hatte. In der Hauptstadt der reingewaschenen Statements und feinjustierten Erklärungen war der Auftritt eine kleine Sensation.

Quelle: ZDF

Seehofer, das ist spätestens seit dem "Sie können das alles senden" klar, will keine Rücksicht mehr auf die Befindlichkeiten der Schwesterpartei nehmen. Zu groß ist die Angst der CSU, in den Abwärtsstrudel der CDU zu geraten. In fünf Bundesländern sind die Christdemokraten in den Umfragen bereits unter die 25-Prozent-Marke gefallen. In Nordrhein-Westfalen haben sie gerade die schlimmste Niederlage ihrer Geschichte kassiert. Das Fundament der Kanzlerinnen-Partei, es ist ins Rutschen geraten.

Für die CSU kommt die Erosion zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Nächstes Jahr steht die Landtagswahl an. Wenn Seehofer die absolute Mehrheit zurückholt, wird er als Heiland in die Geschichtsbücher der CSU eingehen. Wenn seine Partei aus der Regierung fliegt, wird er für immer als Totengräber der Christsozialen gelten. Wegen der speziellen Konstellation im Freistaat liegen zwischen totalem Erfolg und grenzenloser Niederlage nur ein, zwei Prozentpunkte. Kein Wunder, dass Seehofer und die seinen nervös sind. Grünen-Chefin Roth spricht bereits vom Angstschweiß, der dem CSU-Chef von der Stirn tropfe.

Doch wer Seehofers Attacke als Angstbeißen abtut, macht es sich zu leicht. Die Form der Kritik des Parteichefs mag destruktiv sein - bürgerliche Wähler goutieren offenen Streit nicht. Inhaltlich hat Seehofer aber nicht unrecht. Es ist erstaunlich, wie gelassen bis ignorant die CDU mit ihrem Abstieg umgeht. Debatten über die Gründe werden nicht zugelassen, offene Kritik am diffusen Kurs unterdrückt.

Egal ob Mindestlohn, Betreuungsgeld, Hauptschule, Frauenquote, Solarförderung oder Finanztransaktionssteuer: Wer wissen will, ob die CDU dafür oder dagegen ist, hört nie ein klares Ja oder Nein. Nun ist die Welt in Zeiten der Globalisierung und Entideologisierung grauer geworden. Als ewige Jein-Partei kann aber niemand auf Dauer reüssieren. Kein Wunder, dass Seehofer jetzt von der CDU einen klareren Kurs verlangt.

Bisher profitiert die CDU noch von der Zersplitterung des gegnerischen Lagers und der Beliebtheit Angela Merkels. Auf beides gibt es aber keine Garantie. In Düsseldorf und Kiel haben bereits die ersten Ampeln geblinkt. Und mit den Wahlen in Frankreich und Griechenland ist auch Merkels europäisches Renommee gefährdet. Die CDU täte gut daran, endlich auf das zu hören, was Seehofer sendet.

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