Sechs Stadträte verlassen CSU-Fraktion:Kernspaltung im Augsburger Rathaus

Riesenärger in der Augsburger CSU: Sechs Stadträte prangern interne Konflikte in ihrer Partei an - und verlassen die Rathaus-Fraktion. Oberbürgermeister Kurt Gribl ist nun in einer kuriosen Situation.

Stefan Mayr

Die Spaltung in der Augsburger CSU ist perfekt. Sechs Stadträte haben am Dienstag ihren Austritt aus der CSU-Stadtratsfraktion und die Gründung der Fraktion "Neue Christlich-Soziale Mitte" (Neue CSM) verkündet. Fünf der Stadträte sind auch bereits aus der Partei ausgetreten. Prominentester Abgang ist der Zweite Bürgermeister Hermann Weber. "Wir wollen Sachpolitik statt Personalpolitik machen", begründete er seinen Schritt in einer Pressekonferenz.

Rathaus Augsburg

Augsburger Rathaus: Sechs Stadträte gaben am Dienstag ihren Austritt aus der Stadtratsfraktion bekannt. Vor 30 Jahren hatte sich die Augsburger CSU schon einmal gespalten.

(Foto: dpa/dpaweb)

In dieser übten alle sechs abtrünnigen Stadträte scharfe Kritik an den Vorgängen in der Fraktion und im CSU-Bezirksverband - als Mitverursacher der Spaltung nannten sie namentlich Fraktionschef Bernd Kränzle, Bezirkschef Johannes Hintersberger und den Stadtrat und Kreisvorsitzenden Tobias Schley.

Stadtrat Dimitrios Tsantilas prangerte die "kompromisslose Personalpolitik" von Schley und Kränzle an, die "ausschließlich die eigene Karriere" im Auge hätten und die Interessen der Stadt "in keinster Weise" beachteten. Zudem könne er die "ständigen negativen Schlagzeilen" von Schley nicht mehr akzeptieren - und die Tatsache, dass Fraktionschef Kränzle diese "Eskapaden" stets "bedingungslos unterstützt" habe.

Schley wurde mehrmals wegen Beleidigung und Körperverletzung angezeigt. Zwei ausgetretene Stadträtinnen werfen ihm vor, er habe sie als "Scheißweiber" bezeichnet. Letzteres dementiert Schley vehement. Dem Bezirkschef Hintersberger wirft Tsantilas vor, er habe ihn und Parteichef Horst Seehofer "hinters Licht geführt", indem er - entgegen seinen Zusagen - den Bezirksvorstand einseitig mit Vertretern seines eigenen Lagers besetzt habe.

Der CSU-Landesvorsitzende Seehofer bedauerte die Spaltung. Der Konflikt sei "auf sehr besondere Augsburger Verhältnisse im persönlichen Bereich zurückzuführen", so Seehofer. Er werde aber nicht aufgeben und sich weiter um Einigkeit in Augsburgs CSU bemühen. Seehofer war im Sommer mehrmals nach Augsburg geeilt, um den schwelenden Streit zu beenden. Er scheiterte ebenso wie ein Psychologe, den die Fraktion als Mediator beauftragt hatte.

Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) nahm die Abspaltung betont gelassen auf: "Der Austritt verdienter Parteimitglieder tut natürlich weh, und die Regierungsarbeit wird dadurch nicht leichter", sagte er. Andererseits begrüße er, dass es jetzt "klare Verhältnisse" gebe; "Ich habe von beiden Fraktionen die klare Aussage, dass sie mich weiterhin unterstützen", so Gribl.

OB ist CSU-Mitglied, sympathisiert aber auch mit der neuen Fraktion

Dabei steht die Stadt nun vor der kuriosen Situation, dass Gribl zwar CSU-Mitglied ist, aber der Fraktion Neue CSM ganz offenkundig näher steht. "Wir stehen hundertprozentig hinter OB Gribl", bekräftigte die Vorsitzende der neuen Fraktion, Claudia Eberle.

Bürgermeister Weber betonte ungefragt, die Fraktion sei "nicht der verlängerte Arm des Vereins "Zukunft Augsburg". Dieser wurde vor einer Woche gegründet und galt als Vorbote der Spaltung. Obwohl Weber die völlige Unabhängigkeit seiner Fraktion betonte, sind fünf der sechs Mitglieder auch Mitglied bei "Zukunft Augsburg".

CSU-Fraktionschef Bernd Kränzle bezeichnete die Abspaltung als "völlig unverständlich" und forderte die abtrünnigen Stadträte auf, die "erfolgreiche gemeinsame Sacharbeit" fortzusetzen. Zur Kritik an seiner Führungsarbeit sagte er: "Das trifft nicht zu." Tobias Schley konterte die Vorwürfe gegen sich mit einem Gegenangriff: "Ich wurde am 8. Juni mit überwältigender Mehrheit zum Kreisvorsitzenden gewählt, die Abspalter sind die frustrierten schlechten Verlierer, und der Herr Bürgermeister Weber hat offenbar Angst um seine Wiederwahl."

Der Name der neuen Fraktion nimmt den Namen jener Gruppierung auf, die sich im Jahre 1981 von der CSU abgespalten hatte. Die "Christlich Soziale-Mitte" (CSM) koalierte damals mit der SPD und ging erst 1989 wieder in der CSU auf. Wie lange die aktuelle Spaltung andauert, ist völlig offen.

Der abtrünnige Wolfgang Kronthaler prophezeite: "Ich bin überzeugt, dass noch weitere Stadträte übertreten werden." Schon gibt es Gerüchte, dass demnächst ein oder zwei Referenten der Stadtregierung zur Neuen CSM überlaufen werden.

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