Frankenberger von der ÖDP:Radelnd in den Wahlkampf

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Mit Helm kaum wiederzuerkennen: Sebastian Frankenberger von der ÖDP bei seiner Wahlkampf-Radltour. (Foto: Korbinian Eisenberger)

Mit dem Rauchverbot in Bayern hat sich Sebastian Frankenberger 2008 viele Feinde gemacht. Nun radelt er als Spitzenkandidat der ÖDP bereits seit zwei Monaten durch den Freistaat und will so die Fünf-Prozent-Hürde knacken. Auch gegen eventuelle Überfälle seiner Gegner ist er gerüstet.

Von Korbinian Eisenberger

Sebastian Frankenberger sitzt auf seinem Trekking-Fahrrad. Er trägt ein orange-weißes Trikot und eine farblich abgestimmte Fahrradhose. Unter seinem Radlhelm lugt ein Pferdeschwanz hervor. Eine Minikamera am Lenker filmt ihn dabei, wie er sich Sonnencreme auf der Stirn verreibt. Während er auf einem Tablet-Computer herumtippt, der an seinen Lenker geschraubt ist, telefoniert er über einen Stecker im Ohr mit seinem Büro. "Sollen wir noch Abschlussplakate drucken? Wie groß?" Mit der anderen Hand lenkt er sein Rad. Hinter ihm kurvt ein Feld von 20 Fahrern durch die Straßen von Fürth.

Sebastian Frankenberger ist unterwegs auf der 50. Etappe seiner Wahlkampf-Tour, Zielort Nürnberg. Der Bundesvorsitzende der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) radelt seit zwei Monaten durch Bayern. Während der Etappen besucht er Bauern, Betriebe und Privatleute, die ökologisch arbeiten. Auf seiner Tour begleiten Frankenberger ein Kamerateam und wechselnde Kandidaten, Stadträte, Parteimitglieder und Wähler.

Obwohl er bereits mehr als 2500 Kilometer geradelt ist, hat Frankenberger seit Beginn seiner Tour ein Kilo zugelegt. "Weil es bei jedem Biobauern, den ich besuche, ein Vier-Gänge-Menü gibt", sagt Frankenberger und lacht. Seine 20-köpfige Radlertruppe ist jetzt auf Station bei einem Gärtner, der auf einem Parkplatz neben einem Hochhaus Beete angelegt hat. Frankenberger hat seine Karteikarten gezückt. Er fragt den Gärtner, was er von der Politik erwarte. "Nichts! Politiker ekeln mich an!", bellt der Gärtner mit hochrotem Kopf und lässt Frankenberger und die anderen stehen. Der notiert sich etwas in seine Karten und schwingt sich auf seinen Sattel. Keine Seltenheit, sagt er dann. 60 Prozent der Menschen, mit denen er spricht, seien von der Politik frustriert.

Die ÖDP setzt dem ein Wahlprogramm entgegen, von dem Frankenberger sagt: "Was wir versprechen, das wollen wir auch umsetzen." Konkret heißt das: Atomausstieg, zu hundert Prozent auf regenerative Energie umsteigen, Volksbegehren erleichtern, Lehrpläne entrümpeln, Rechte für Familien und Kinder stärken, Güterverkehr auf die Schiene verlagern, Tempolimit 130 auf Autobahnen, Fahrrad- und Fußwege ausbauen. Für Bundes- und Landtagswahlkampf stehen der ÖDP knapp eine halbe Millionen Euro und sieben Vollzeitmitarbeiter zur Verfügung. Einer von ihnen ist Frankenberger, der dem knappe Budget die Kraft seiner Waden entgegensetzt.

An einer Straßenecke warten drei Männer und eine Frau mit Fahrrädern. "Servus! Habt's euch wieder die Flachetappe rausgesucht!", ruft ihnen Frankenberger vom Fahrrad aus mit einem breiten Grinsen zu. Jens-Holger Hindrichs hat ihn von weitem erkannt und winkt ihm zu. Der 39 Jahre alte Mann ist ÖDP-Wähler und seit einiger Zeit arbeitslos. Er trägt ein Holland-Trikot und neonfarbene Turnschuhe. Jetzt schwingt er sich auf sein Rad und radelt mit Frankenberger und den anderen zur nächsten Etappenstation.

Auf einem Vorplatz ist eine riesige Stadtkarte auf dem Asphalt ausgebreitet. Sie zeigt den Plan einer mehrspurigen Durchfahrt durch Nürnberg. Der geplante Ausbau des Frankenschnellwegs in eine Art Autobahn soll eine halbe Milliarde Euro kosten. "Der Söder ist komplett übergeschnappt", schimpft einer der Radler. Da könne einem der Kragen platzen. Plötzlich ertönt ein Knall. Dann schiebt Hindrichs sein Fahrrad um die Ecke. Ein Reifen ist geplatzt. Während die Gruppe, über die Pläne gebückt, Dampf ablässt, kniet Hindrichs jetzt mit Frankenberger am Boden. Nach 20 Minuten ist der Platten geflickt.

Der Tross ist an einem drei Meter hohen Sockel aus Stahl angelangt. Auf dem Mahnmal sind zehn Namen eingraviert - Opfer des Terrortrios NSU. Auf dem Boden davor liegt ein Kranz. Er ist von der Sonne verbrannt, die Blumen sind zusammengedrückt und verwelkt. Eine schwarz-rot-gelbe Schärpe liegt darüber. Frankenberger steigt vom Sattel und nimmt den Helm für eine Gedenkminute ab.

"Glaubwürdig", "sozial", "gerecht", "keine Firmenspenden". Die Wortfetzen des ÖDP-Wahlprogramms dröhnen jetzt durch die Nürnberger Innenstadt. Über Lautsprecher und einen großen Flachbildschirm wird das Videotagebuch von Frankenbergers Tour ausgestrahlt. Mehrere Passanten bleiben stehen und sehen sich an, wie Frankenberger sich vom Regen durchnässt einen Anstieg hinaufquält. Frankenberger selbst steht neben seinem Rad und gibt Interviews. Eine Frau blafft ihn an, er solle die Lautsprecher leiser drehen. Ihre Augen werden groß, als sie dann sein Konterfei auf einem Wohnwagen entdeckt, der hinter dem orangen ÖDP-Zelt geparkt ist.

Seit gut zwei Monaten verbringt Frankenberger jede Nacht in einer anderen Stadt. Er schläft in seinem Wohnwagen, der täglich ans Etappenziel transportiert wird. Nachts beantwortet er vom Wohnwagen aus E-Mails, telefoniert und bastelt an der Webseite seiner Wahlkampagne. Bis drei Uhr nachts sitzt er an seinem Laptop, um seine Partei in den Landtag zu hieven. Frankenberger ist überzeugt, dass die ÖDP die Fünf-Prozent-Hürde knacken wird.

Angesichts von bisher prognostizierten zwei Prozent scheint der Landtag vier Wochen vor den Wahlen jedoch in weiter Ferne zu sein. Mit dem Rauchverbot in Bayerns Wirtshäusern hat sich Frankenberger 2008 viele Feinde gemacht. Drohbriefe hat er zwar seit längerem nicht mehr bekommen. Nachts, im Wohnwagen, hat er jedoch stets ein Pfefferspray griffbereit. Zudem ist ein Feuermelder installiert. "Falls jemand mein Gesicht auf der Außenwand erkennt und mir eine brennende Zigarette durch die Dachluke wirft", sagt er.

Nach einer Stunde Dauerbeschallung stehen zwei Polizisten am Wahlkampfzelt der ÖDP. In den Büros gegenüber hätte sich jemand über "Lärmbelästigung" beschwert. Schlimmer als abends die Raucher, die draußen stehen, soll es geheißen haben.

© SZ vom 17.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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