Schulpolitik:Spaenles Baustellen im neuen G 9

Neunjähriges Gymnasium

Ideen, was man im Bildungssystem verändern könnte, gibt es viele. Doch wie lassen sie sich umsetzen?

(Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • Von September 2018 an wird es im Freistaat wieder ein G 9 geben, der Landtag hat die Reform beschlossen.
  • Wie allerdings die Stundentafel und andere zentrale Punkte aussehen, muss noch geklärt werden.
  • Schulminister Spaenle hält das Gesetz für ein Gerüst, die Inhalte sollen in der Gymnasialen Schulordnung mit Opposition, Lehrern, Eltern und Schülern gestaltet werden.

Von Anna Günther

13 Jahre nach der Einführung ist das achtjährige Gymnasium in Bayern offiziell Geschichte: CSU, Grüne, SPD und Freie Wähler segneten am Donnerstag im Landtag die Änderung des Schulgesetzes ab; von September 2018 an wird es im Freistaat wieder ein G 9 geben. Im April hatte sich die CSU-Fraktion dazu durchgerungen, obwohl viele Abgeordnete bis zuletzt am G 8 festhielten.

Die Worte Rückkehr und Scheitern sind verpönt: Eine Weiterentwicklung soll das neue G 9 sein, mehr Qualität, Zeit und Raum für individuelle Förderung, berufliche sowie politische Bildung und Digitalisierung bieten. Weil sich Zeiten und Schüler geändert haben, so die Lesart der CSU, nicht wegen Unzufriedenheit mit dem System.

Schulminister Ludwig Spaenle gab sich im Landtag betont versöhnlich: Das Gesetz sei nur das Gerüst, die Inhalte werden in der Gymnasialen Schulordnung mit Opposition, Lehrern, Eltern und Schülern gestaltet. Dabei lernen die ersten G-9-Schüler bereits in der fünften Klasse. Sie werden gemeinsam mit den dann neuen Fünftklässlern im Herbst 2018 mit dem G 9 beginnen. Viel Zeit bleibt nicht und einiges ist ungeklärt.

Stundentafel

Um Ärger wie nach der G-8-Einführung zu vermeiden, erarbeitet das Ministerium wichtige Änderungen wie die Verteilung der Fächer in der Stundentafel mit Lehrern, Eltern und Schülern. Vor den Sommerferien stellte Spaenle das Konzept vor, einen Kompromiss mit 19,5 Wochenstunden mehr, aber ohne Nachmittagsunterricht in Unter- und Mittelstufe. Lange hielt der Burgfrieden nicht, die Verteilungskämpfe der Fachvertreter brachen los.

Alle zufrieden zu stellen, gilt als unmöglich und brächte ein G 9 mit Nachmittagsunterricht. Das ist keine Option. Als Verlierer fühlen sich Fächer, die keine zusätzlichen Stunden bekommen wie Wirtschaft/Recht und Erdkunde, oder solche, die in der 11. Klasse fehlen wie Chemie und Biologie. Deren Vertreter fürchten, nicht für die Oberstufe gewählt zu werden. Zusätzliche Stunden schließt das Ministerium aus, denkbar sei nur eine Umverteilung einzelner Fächer. Die Unzufriedenen werden mit der Oberstufenreform vertröstet.

Oberstufe, Schulbau und Lehrer

Oberstufe

Noch sehnlicher als ein G 9 erwarten die meisten Gymnasiallehrer eine Reform der Oberstufe. Das System der Leistungs- und Grundkurse wurde bereits vor der Einführung des G 8 abgeschafft, aber mit dem neuen G 9 soll auch eine neue Oberstufe her. Mit Leistungskursen, darin sind sich Schüler, Lehrer und auch viele Hochschulen einig, denn in Leistungskursen konnten Jugendliche sich spezialisieren und auf höherem Niveau ihren Interessen widmen.

Dass eine Profilierung kommt, gilt als sicher. Wie diese aussieht und wann das Konzept ausgearbeitet wird, ist dagegen völlig offen. Die erste G-9-Generation wisse nicht, was sie in der Oberstufe erwartet, kritisierte die Opposition im Landtag. Schulminister Spaenle wartet auf die Kultusministerkonferenz, die das Rahmenabkommen der Länder für die Oberstufe grundlegend überarbeiten will. Es sei sinnvoller, das Abkommen zu beeinflussen und erst zu planen, wenn die Eckpunkte absehbar sind, sagte Spaenle.

Offen bleibt, wie das Abitur aussehen wird. Leistungskurse und dazu die Verpflichtung zur Abschlussprüfung in Mathe, Deutsch und einer Fremdsprache sei unmöglich, sagen Experten. Irritiert sind einige, weil die 11. Klasse als zentral für Digitalisierung, politische und berufliche Bildung gilt, aber für einen Auslandsaufenthalt ausgelassen oder übersprungen werden soll.

Überholspur

Mit der Überholspur sollten G-9-Gegner in der CSU-Fraktion besänftigt und eine Art G 8 im G 9 erhalten werden. Dabei erwies sich die Organisation des Parallellaufs im Modellversuch Mittelstufe Plus als kompliziert und teuer. Wie die Überholspur aussehen wird, wie viele Mädchen und Buben dazu gebracht werden sollen, ist offen. Angedacht ist, dass begabte Schüler zwei Jahre lang mit Kursen auf das Überspringen vorbereitet werden. Von Anreizen für Schulen und Kinder ist die Rede. Was das sein soll, muss geklärt werden.

Schulbau

Klarheit wünscht sich auch der Städtetag, denn den Bau oder Umbau von Schulen müssen die Kommunen bezahlen. Durch die Rückkehr zum G 9 geht besonders in den Ballungsräumen vielen Gymnasien der Platz aus. Ein Jahr mehr bedeutet auch mehr Schüler, Klassenzimmer und Fachräume. Der Freistaat muss die Kosten übernehmen, erklärte im Mai der damalige Städtetagspräsident, Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD). Getan habe sich seither nichts, sagt ein Städtetagssprecher. Bestimmungen zur Deckelung der Kosten werden derzeit erarbeit, heißt es im Kultusministerium.

Lehrer

1000 Lehrerstellen investiert die Staatsregierung ins neue G 9. Benötigt werden diese Lehrer 2025, wenn die ersten G-9-Schüler in die 13. Klasse kommen. Viel zu spät, kritisiert Philologenchef Michael Schwägerl. Er fürchtet, dass dann nicht genügend Lehrer zu Verfügung stehen. Um eine Notsituation wie derzeit an den Grund- und Mittelschulen zu verhindern, sollten schon früher Referendare eingestellt werden. Diese könnten Konzepte für das G 9 oder die Digitalisierung erarbeiten.

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