Schreiber-Prozess: Vorwurf Falschaussage:Eine lukrative Freundschaft

Hat Winfried Haastert im Schreiber-Prozess falsch ausgesagt? Der ehemalige Thyssen-Manager muss sich vor Gericht verantworten. Fest steht: Er hat von dem Waffenlobbyisten Geld bekommen.

H. Leyendecker

Das Augsburger Landgericht ist mittlerweile für den früheren Thyssen- Manager Winfried Haastert vertrautes Gelände. Zweimal saß der 69-Jährige dort wegen Untreue und Steuerhinterziehung auf der Anklagebank. Am Ende blieb eine moderate Bewährungsstrafe von zwanzig Monaten. Mehrere Male trat Haastert, der zwischen 1991 und 1993 vom Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber etwa anderthalb Millionen Mark bekommen hatte, in Augsburg auch als Zeuge auf. Wegen einer dieser Aussagen wird ihm von diesem Dienstag an vor der 3. Strafkammer erneut der Prozess gemacht.

Ex-Thyssen-Manager als Zeuge im Strauß-Prozess

Der ehemalige Thyssen-Manager Winfried Haastert soll im Prozess gegen den Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber falsch ausgesagt haben.

(Foto: ag.dpa)

Haastert soll vor Gericht als Zeuge uneidlich falsch ausgesagt haben. Der möglicherweise letzte Prozess in der Affäre um Schmiergelder und Spürpanzer ist nicht wegen der drohenden Strafe - im Falle einer Verurteilung liegt der Strafrahmen zwischen drei Monaten und fünf Jahren Haft - von Bedeutung. Es geht eher um Grundsätzliches: Es stellt sich die Frage, ob die Augsburger Justiz besonders nachtragend oder besonders hartnäckig ist.

Haastert hatte, nachdem sein Urteil Rechtskraft hatte, als Zeuge im Prozess gegen den später freigesprochenen Max Strauß im Mai 2007 angegeben, er habe von Schreiber dreimal Bargeld erhalten. Einmal 410.000 Mark, einmal 1,2 Millionen und dann noch einmal mehr als hunderttausend Mark. Schreiber habe die Zahlungen nicht an Bedingungen geknüpft. Es habe auch kein Zusammenhang mit dem Unternehmen Thyssen bestanden, das die Spürpanzer lieferte. Auch habe er erst im Rahmen der Ermittlungen im Schreiber-Komplex erfahren, dass der frühere Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls Schmiergeld erhalten habe.

Ähnlich ließ sich Haastert im Februar dieses Jahres als Zeuge im Verfahren gegen Schreiber in Augsburg vor der 9. Strafkammer ein. Selbst als der Vorsitzende Richter sein Erstaunen zeigte und den Zeugen mahnte, die Geduld des Gerichts nicht zu strapazieren, ließ sich Haastert nicht beirren. Auch der Hinweis des Staatsanwalts, einem Zeugen drohten bei falschen Angaben empfindliche Strafen, beeindruckte Haastert nicht: "Es war so." Allenfalls habe sich Schreiber eine "freundschaftliche Kooperation" sichern wollen.

Angebliche Freundschaft

Einerseits ist die Schilderung Haasterts, auf den ersten Blick zumindest, wenig lebensnah. Händler vom Typus Schreiber schätzen nützliche Verbindungen und haben in aller Regel nichts zu verschenken. Der Begriff "Landschaftspflege", den der Zeuge beispielsweise hätte verwenden können, wäre selbst für eine möglicherweise gezielte Gabe eine Umschreibung gewesen - aber Freundschaft? Andererseits lebt Pensionär Haastert, der bei Thyssen mal zu Höherem berufen zu sein schien, seit 1995 mit der Last dieses Verfahrens. Als sich die Revisionsrichter des Bundesgerichtshofs, die in drei Entscheidungen das Augsburger Gericht korrigierten und die Richter abwatschten, 2007 erneut mit Haastert befassten, wiesen sie auf die lange Verfahrensdauer hin und senkten das Strafmaß gegen ihn.

Haastert hat seine Geschichte von Schreiber und der angeblichen Freundschaft auch privat viele Male erzählt. Einer wie er sei doch nicht käuflich, sagte er gern. Möglicherweise hat er längst seine eigene Wahrheit. Die kann objektiv falsch sein, aber vielleicht hält er sie mittlerweile selbst für wahr. Dann wäre es keine vorsätzlich falsche Zeugenaussage gewesen.

Theoretisch könnte die 3. Kammer, wenn der neue Prozess verheerend für Haastert laufen und ihn Zeugen schwer belasten sollten, den gesamten Schreiber-Komplex noch einmal aufrollen. So will sich ein mittlerweile 84 Jahre alter Jurist, der vor vielen Jahren bei Thyssen arbeitete, an ein Telefonat aus dem Jahr 1991 erinnern, das Haastert angeblich schwer belastet. Aber wäre es angemessen, den gesamten Sachverhalt noch einmal aufzurollen? Weder die anklagende Staatsanwaltschaft noch Haasterts Verteidiger Walter Lechner wollen sich zu Details des anstehenden Prozesses äußern. Lechner sagt nur: "Mein Mandant ist unschuldig."

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