Schloss Guttenberg:Zusammenhalten auf Schloss Guttenberg

Selbst die Opposition steht in Guttenbergs Heimat zu ihrem Freiherrn. Nur der Mann, der ihn in die Politik holte, übt leise Kritik - am Doktorvater.

O. Przybilla und M. Szymanski

Wolfgang Protzner hat ihn gewarnt. Eine oder zwei Stunden am Abend hinsetzen und die Doktorarbeit vorantreiben, so gehe das einfach nicht, hat Protzner zu Karl-Theodor zu Guttenberg gesagt. Guttenberg aber hat auf ihn nicht gehört, und wenn Professor Protzner ehrlich ist, hatte er das auch nicht erwartet von Guttenberg. Aber gewarnt wollte er ihn haben: "Du sitzt nachts an der Arbeit, hast einen Gedanken, ehe du ihn fertig zu Papier gebracht hast, geht schon wieder die Sonne auf", sagt Protzner, so etwas müsse Stückwerk bleiben: "Und dann sind Schlampereien auf 450 Seiten doch quasi programmiert."

Schloss   Guttenberg Landkreis Kulmbach

In der Heimat von Karl-Theodor zu Guttenberg stehen die Menschen hinter dem Verteidigungsminister.

(Foto: SEYBOLDTPRESS)

Nein, der junge Bundestagsabgeordnete Guttenberg hat nicht auf Protzner gehört, obwohl der Professor nicht irgendjemand ist in Guttenbergs Leben. Man könnte sogar soweit gehen zu sagen, dass Guttenberg kaum Abgeordneter geworden wäre, wenn es den Professor nicht gegeben hätte. Protzner ist der Bruder des ehemaligen Kulmbacher Bundestagsabgeordneten Bernd Protzner, unter Theo Waigel war der CSU-Generalsekretär.

Aber Bernd Protzner geriet 2001 politisch unter Beschuss, Vorwürfe wegen einer privaten Immobilie machten ihm zu schaffen, er gab sein Amt ab, und in der Situation war es sein Bruder, der Geschichtsprofessor und Kulmbacher CSU-Kreisrat Wolfgang Protzner, der zum Telefon griff und den jungen Mann vom nahen Schloss Guttenberg bat, doch als Kandidat für das Bundestagsmandat einzuspringen. So wurde aus Guttenberg ein Berufspolitiker.

Professor Protzner korrigiert selbst wissenschaftliche Arbeiten. "Solche Schlampereien muss ein Doktorvater doch vor der Abgabe erkennen", sagt er. Hatte Guttenberg einen Ghostwriter? "Niemals", sagt Professor Protzner über Guttenberg. "Die Nachtarbeit von KT war hier dauernd im Gespräch", erzählt Protzner, sowas erfinde man nicht.

Im Übrigen sei er erschüttert über die Sache. Da habe man mal einen im nördlichen Oberfranken, einen, der die Region voranbringen könnte. Gerade jetzt, wo "uns der Zukunftsrat ans sächsische Vogtland verkaufen will", schnaubt Protzner über das Beratergremium von Ministerpräsident Horst Seehofer. Und wo das Innenministerium der Region einen Wahlkreis streitig machen will, weil die Bevölkerung ständig abnimmt in der Region. "Und dann das. Wie soll der KT jetzt kämpfen für uns?"

Protzner wohnt ein paar Autominuten von Guttenberg entfernt, im Dorf ist die Stimmung am Montag mindestens so düster. An der Pforte zum Schloss führt der Stallmeister gerade einen Rotfuchs in die Reithalle. Das Pferd ist bedeckt mit einer blaugelben Decke, die Farben derer zu Guttenberg. Seit zehn Jahren arbeitet der Stallmeister aus Berlin auf dem Schloss in Oberfranken, anfangs war das kein Job bei wirklich Prominenten. Nun aber "schießen die den Minister rauf und wieder runter, und jetzt prügeln se' gleich alle druff, is' richtig schrecklich", sagt er. "Im Dorf sagen se' alle: Die spinnen doch."

"Das ist der Neid politischer Gegner"

Der Nachbar, ein Baumaschinentechniker, sieht es ähnlich. "Mit dem Plagiat, das glaub' ich alles nicht", sagt er, "das ist der Neid politischer Gegner." Seine Frau ist Mitglied im Pfarrgemeinderat, genauso wie der Schlossherr, der Dirigent Enoch zu Guttenberg. Dessen Sohn Karl-Theodor ist am Wochenende gelegentlich da, im Dorf sehe man ihn jetzt aber nicht mehr so oft, sagt der Nachbar. Aber so oft ist der Minister schon noch da, dass vor dem Schloss gerade ein Zaun hochgezogen wird, vor der Schranke in Blaugelb steht gerade ein kleiner Bagger. Das Bundeskriminalamt wollte es so, für die Sicherheit.

Eugen Hain ist seit 15 Jahren Bürgermeister der kleinsten selbständigen Gemeinde in Oberfranken: Guttenberg. Hain nennt die Leute, die Minister Guttenberg nicht den Erfolg gönnen, "Neider". Der CSU-Mann sagt: "Mal eine fehlende Fußnote? Das ist nicht so gravierend. Dazu tendiert die Mehrheit der Menschen hier." Die Guttenberger stehen zu Guttenberg, das ist die Botschaft des Bürgermeisters.

Kann er sich eine CSU ohne Guttenberg vorstellen? Hain will darauf nicht antworten, er pariert mit einer Gegenfrage: "Bayernweit, deutschlandweit oder guttenbergweit?" Er sagt tatsächlich "guttenbergweit", als würden sich die Ländereien der Familie über ganze Staaten erstrecken. Dass Guttenberg alles hinwerfen könnte, dagegen sperrt sich Hains Vorstellungskraft. Wenn momentan debattiert wird, ob Guttenberg überhaupt genug Zeit gehabt haben kann, eine Doktorarbeit selbst zu schreiben bei all den Aufgaben, ist nun immer auch vom Amt des Kulmbacher Kreisrats die Rede, das Guttenberg seit 2002 bekleidet.

Das sind immer die Momente, in denen sich Wolfgang Hoderlein zusammenreißen muss. Kreisrat, sagt Hoderlein, das sei Guttenberg zwar, "auf dem Papier". Tatsächlich aber kann sich Hoderlein, Kulmbacher SPD-Kreisrat, an höchstens fünf oder sechs Mal in fast neun Jahren erinnern, in denen Guttenberg tatsächlich an Sitzungen teilnahm. Das ist oft so bei Prominenten in solchen Ämtern, Hoderlein weiß das natürlich. Für akzeptabel hält er es trotzdem nicht: Spätestens 2008, bei Guttenbergs zweiter Kandidatur für den Kreistag, "hätte er nicht mehr kandidieren dürfen". Guttenberg hat bei der Kommunalwahl im Jahr 2008 Stimmen für zweieinhalb Mandate eingefahren, der CSU sicherte er so die Mehrheit im Kreistag. Andere Räte bestätigen die Absenzen Guttenbergs.

Aber selbst die Mehrheit in der SPD wollte ihm das bislang nicht zum Vorwurf machen - und will das nun, in Guttenbergs Krise, ebenfalls nicht. Christina Flauder etwa, sie ist stellvertretende Kulmbacher Landrätin von der SPD, sagt, von ihr werde man bestimmt kein böses Wort über Guttenberg hören, "auch jetzt nicht": Dass er an den Sitzungen des Kreistags praktisch nicht teilnehme, das sei "doch nicht so schlimm". Und die Doktorarbeit? "Er will es halt immer besonders gut machen, dann passiert sowas eben ", sagt die SPD-Frau.

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