Schlechtes Wahlergebnis:Seehofer vs. Söder: Die Schlacht um die CSU beginnt

Historisch schlechte 38,8 Prozent bei der Bundestagswahl bringen die CSU-Hierarchie ins Wanken. Ein Überblick über persönliche und parteigelenkte Interessen.

Von Wolfgang Wittl

Horst Seehofer

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(Foto: AFP)

Mit der Dynamik eines Wahldebakels kennt Seehofer sich aus, er hat 2008 selbst davon profitiert, als er CSU-Chef und Ministerpräsident wurde. Die Dynamik funktioniert so: Am Wahlabend verbeugt Seehofer sich vor dem Parteivolk, das ihm trotzig zujubelt. Tag eins: Seehofer geht mit einer Kampfansage in den Vorstand. Jeder, der etwas anderes wolle als ihn, könne seine Ansprüche am Parteitag ja anmelden. Tag zwei: Seehofer führt Gespräche in Berlin, erste Hinterbänkler in Bayern fordern seinen Rücktritt. Tag drei: Seehofer rettet sich vor der Landtagsfraktion in den Parteitag Mitte November, seine Kritiker beharren aber weiter auf einer personellen Neuaufstellung. Zwei Dinge schützen Seehofer noch: erstens, seine hohe Verhandlungskunst, die ihn für die CSU unersetzlich macht. Niemand in der Partei mag sich vorstellen, wie Markus Söder der Kanzlerin und den Grünen eine Obergrenze abringen soll, am wenigsten wohl Söder selbst. Zweitens, eine Fülle an Getreuen in höchsten Parteiämtern, die sich einen CSU-Chef Söder so innig wünschen wie einen Bundeskanzler Jürgen Trittin. Neben dem ohnehin irrwitzigen Programm als Regierungschef und Chef-Unterhändler in Berlin muss Seehofer mit einer Serie von Basisdialogen nun auch noch die aufmüpfige Basis befrieden. Zugleich ist er zum Liefern verdammt, sonst ist er geliefert.

Alexander Dobrindt

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(Foto: AFP)

Seehofers Brückenkopf in Berlin. Als Landesgruppenchef und gewiefter Stratege eine der wichtigsten Figuren in der CSU, wenn auch ohne Hausmacht an der Basis. Seinem Chef Seehofer, der ihn zum Generalsekretär befördert hatte, loyal ergeben, deshalb schon traditionell ein erbitterter Gegner Söders. Doch Söder-Freunde sprechen zuletzt auffällig positiv über Dobrindt. Schon einmal haben sich zwei Rivalen in der CSU geeinigt, als es um die Aufteilung der Macht ging - Günther Beckstein und Erwin Huber gegen Stoiber. Bei Dobrindt ist das allerdings nicht zu erwarten.

Barbara Stamm

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(Foto: dpa)

Bislang die Mutter Courage der CSU-Sozialpolitik. Seit Sonntag auch noch die Mama Untröstlich der Partei. Saß wie Dobrindt am Wahlabend bis weit nach Mitternacht mit Seehofer im vierten Stock der CSU-Zentrale zusammen. War eine der ersten, die eine Personaldebatte scharf verurteilte. Steht Seehofer nicht nur als Parteivize deutlich näher als Söder. Seehofer will auch, dass Stamm als Landtagspräsidentin weitermacht.

Manfred Weber

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(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Als Chef der Konservativen im Europaparlament einer der wenigen in der CSU mit direktem Zugang zur Kanzlerin. Könnte ihr also gelegentlich mal übermitteln, wie es um die Seehofer-CSU nach der Bundestagswahl so steht. Hatte unter Seehofer nicht immer schöne Momente, gab auf dessen Wunsch aber sogar seinen niederbayerischen CSU-Vorsitz auf und wurde Parteivize. Steht fest an der Seite seines Chefs, auch wegen seiner Feindschaft mit Söder aus JU-Tagen.

Ilse Aigner

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(Foto: dpa)

Stellvertretende Ministerpräsidentin, Chefin des größten CSU-Bezirks Oberbayern - da käme es ungelegen, zöge der Franke Söder an die Spitze vorbei. Doch Aigner stellte sich bereits vorher an die Seite ihres oberbayerischen Landsmanns Seehofer, forderte ihn als erste zum Weitermachen auf. Sie ist überzeugt: Kein anderer kann für die CSU in Berlin mehr rausholen. Und vermutlich spielen auch persönliche Sympathien eine Rolle: Dank Söder durfte Aigner nach ihrer Rückkehr ins Münchner Kabinett nicht zu ihrer Freude lernen, wie subtil bayerische Machtpolitik funktionieren kann.

Andreas Scheuer

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(Foto: AFP)

Als Generalsekretär nicht nur kraft Amtes getreuer Diener seines Herrn Seehofer, sondern aus Überzeugung. Hat wie Dobrindt seinen Chef in den vergangenen tristen Tagen auf Schritt und Tritt begleitet: Bis spät in die Wahlnacht - und sogar vor die Landtagsfraktion. Tüftelt nun an Strategien, damit in der Partei alles so bleibt, wie es ist. Nur für ihn vielleicht nicht, er könnte von Seehofer mit einem Ministerposten belohnt werden.

Joachim Herrmann

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(Foto: dpa)

Unverbrüchlich loyal zu Seehofer, obwohl Söder-Leute das gerne anders sähen. Würde wohl auch kein schlechtes Wort über den Chef verlieren, wenn die CSU auf 20 Prozent abgestürzt wäre. Gilt in der CSU als Politiker mit hohem charakterlichen Format, bekam von der Landtagsfraktion für seinen Einsatz als Spitzenkandidat im Wahlkampf donnernden Applaus. Zur Personaldebatte hat Herrmann sich noch nicht geäußert, womöglich mangels Notwendigkeit. Als Innenminister und mittelfränkischer CSU-Chef weiter eine große Nummer, nach diesem Wahlergebnis aber kaum noch als Parteichef gegen Söder durchsetzbar.

Thomas Kreuzer

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(Foto: Niels P. Joergensen)

Ein Mann mit klaren Positionen, die er allerdings oft lieber für sich behält. Hat als Chef der Landtagsfraktion von Seehofer einiges schlucken müssen, schenkte aber allen, die allzu eifrig einen Rückzug des Chefs fordern, kräftig ein. Kreuzers Motto: Personalien werden am Parteitag entschieden. Hat sich noch nicht auf einen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl festgelegt.

Karl-Theodor zu Guttenberg

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(Foto: dpa)

Nach seinen Wahlkampfauftritten wieder weit weg von der bayerischen Politik. Das wird auch so bleiben, wenn Seehofer nicht zu alter Stärke findet. Unter Söder hat Guttenberg keine Chance und wohl auch kein Interesse an einer Rückkehr. Sollte dieses jedoch bestehen, ist er im Augenblick einer von Seehofers größten Fans. Weitere Unterstützer Seehofers: Die CSU-Landesgruppe in Berlin steht nahezu komplett zu ihm. Minister Gerd Müller und Ex-Minister Peter Ramsauer (obwohl kein Seehofer-Freund) sagten das bereits deutlich. Auch in München sprangen ihm Minister (Marcel Huber, Emilia Müller, Beate Merk) und Ex-Minister (Alfred Sauter) zur Seite.

Markus Söder

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(Foto: dpa)

Selbstbewusst und gut gelaunt sah man den Herausforderer schon öfter. Aber selten mit so gutem Grund wie in diesen Tagen. Alles läuft in Söders Richtung, als folgte es einem großen Plan. Die Attacken fränkischer Abgeordnete auf Seehofer, dazu Söders nachhallende Worte an die Partei, ohne sich angreifbar zu machen: Vielleicht wird es später ein Lehrbuch über diese Tage geben. Titel: "Der unvermeidliche Weg" - ob nach oben oder unten, darüber entscheidet nur Söders einziges Problem, das Timing: Soll er Seehofer schon am Parteitag attackieren und sich der Gefahr einer Niederlage aussetzen? Hm. Warten im Erfolgsfall dann nicht die wenig attraktiven Verhandlungen in Berlin? Grübel. Oder doch zaudern und riskieren, dass der Überlebenskünstler Seehofer sich stabilisiert? Tja. Am einfachsten bleibt es für ihn, wenn es läuft wie bisher: Die Zeit und andere für sich arbeiten zu lassen, dann rückt die Spitzenkandidatur für 2018 immer näher.

Albert Füracker

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(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Hat geschafft, was wenige geschafft haben. Sich von Seehofer zweimal eine Drohung über einen möglichen Kabinettsrauswurf eingehandelt, die dieser wieder relativiert hat. Allerdings nicht, weil Seehofer seinen Finanzstaatssekretär plötzlich ins Herz geschlossen hat, sondern weil die Fraktion vernehmbar grummelte. Das zeigt, welchen Stand Füracker in der CSU mittlerweile hat. Er ist Chef des zweitgrößten Bezirksverbandes Oberpfalz und treuer Begleiter seines Ministers Söder. Erklärte öffentlich, sein Bezirksvorstand fordere eine Personaldebatte über die Spitzenkandidatur 2018. Selbst Söders Gegner sagen, über einen Freund wie Füracker könne er sich glücklich schätzen.

Ludwig Spaenle

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(Foto: dpa)

Ebenfalls ein Bezirksvorsitzender (München), ebenfalls ein Freund Söders, wenn auch bislang stiller als Füracker. An wessen Seite Spaenle steht, daran gibt es aber keinen Zweifel. Wurde als Kultusminister von Seehofer mehrmals vorgeführt. Von Söder gibt es zwar auch ab und zu mal einen kleinen Seitenhieb, doch beide sind eng verbandelt - Spaenle sogar als Taufpate von Söders Sohn.

Georg Eisenreich

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(Foto: Florian Peljak)

Forderte Seehofer nicht als erster zum Rückzug auf, dafür am heftigsten. Als Spaenles zweiter Mann im Ministerium und in der Münchner CSU ebenfalls ein enger Söder-Gefolgsmann. Spaenle wie Eisenreich seien "zwei Freunde, die mir lieb und teuer sind", sagte Söder mal. Und für Eisenreich geht es ja um einen hohen Preis. Seehofer könnte ihn im Kabinett aussortieren. Da formuliert man die Sympathie für Söder gerne deutlicher. Weitere Unterstützer Söders: Die Landtagsabgeordneten Alexander König und Petra Guttenberger sowie der Bundestagsabgeordnete Alexander Hoffmann griffen Seehofer als erste an. In der Landtagsfraktion hat Söder seine meisten Unterstützer - nicht nur in Franken. Und dann sind da noch die Mitglieder: Söder hat seit JU-Zeiten und als Generalsekretär ein enges Netzwerk geknüpft, viele Freunde führen nun Kreis- und Ortsverbände an. Sollte an der Basis etwas ins Rutschen kommen, werden auf einem Parteitag auch Seehofers Freunde diese Lawine kaum aufhalten.

© SZ vom 30.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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