Scheinselbständigkeit bei Führern:Museen prüfen Verträge

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Scheinselbständigkeit - ein flächendeckendes Problem? Nachdem am Obersalzberg alle Gästeführer entlassen worden sind, ist man im Kunstministerium alarmiert. Auch andere Gedenkstätten und Museen wollen nun ihre Verträge überprüfen.

Von Mike Szymanski

Nachdem das NS-Dokumentationszentrum auf dem Obersalzberg wegen des Verdachts der Scheinselbständigkeit überraschend allen Ausstellungsführern gekündigt hat, wollen auch andere Gedenk- und Lernstätten sowie Museen ihre Verträge genau überprüfen. Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, der die KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg unterstellt sind, sagte: "Um alle Eventualitäten auszuschließen, werden wir uns die Vereinbarungen noch einmal anschauen."

Allein in der Gedenkstätte Dachau würden etwa 150 Fachleute Besuchergruppen durch die Ausstellungen führen und dafür Honorar erhalten. Freller gab sich zuversichtlich, dass alles seine Ordnung habe. Beim Nürnberger Verein "Geschichte für alle", der Rundgangsleiter für das dortige NS-Dokumentationszentrum stellt, verweist man auf mehrfach juristisch überprüfte Verträge. "Die sind absolut sauber", sagte eine Mitarbeiterin.

Im Kunstministerium von Ludwig Spaenle, dem die staatlichen Museen und Sammlungen unterstellt sind, ist man alarmiert, weil auch dort neben Festangestellten freiberufliche Mitarbeiter Führungen anbieten. "Wir werden die Situation prüfen", teilte ein Sprecher mit. Das Finanzministerium, das die Schlösserverwaltung, unter sich hat, gab an, 116 Ausstellungsführer fest angestellt zu haben.

Michael Henker, Leiter der Landesstelle für die etwa 1250 nicht staatlichen Museen im Freistaat, geht davon aus, dass es sich bei Scheinselbständigkeit um kein flächendeckendes Problem in der Museums- und Gedenkstättenlandschaft handelt. Allerdings sieht er die Nöte vieler Häuser, dass es nicht genug Stellen gibt, um Personal fest anzustellen. Die Vorgänge am Obersalzberg nehme er "zur Kenntnis". Wenn vonseiten der Museen der Wunsch nach einer generellen Regelung an ihn herangetragen werde, dann werde er das aber "zum Thema machen".

Am Dienstag sind bei den Ausstellungsführern vom Obersalzberg die Kündigungen eingetroffen. Der Ärger darüber, wie ihr Auftraggeber, das Institut für Zeitgeschichte München-Berlin (IFZ), mit ihnen umgeht, ist weiterhin groß. Mehrere Rundgangsleiter erwägen, sich gegen die Kündigung zu wehren. Zu ihnen gehört Lisa Graf-Riemann. Sie sei nicht scheinselbständig und erwarte daher, dass jeder Fall geprüft werde. Sie wolle auch nicht dafür "büßen", dass das Institut bislang nicht in der Lage gewesen sei, die Arbeitsverhältnisse auf eine "legale Basis" zu stellen. Sie habe immer gerne die Führungen gemacht und wolle dies auch weiterhin tun.

Verdacht auf Scheinselbständigkeit
:Obersalzberg entlässt alle Gästeführer

Das Institut für Zeitgeschichte kündigt allen 22 Rundgangsleitern am Obersalzberg wegen des Verdachts auf Scheinselbständigkeit. Wer künftig die vielen Besucher durch das NS-Dokumentationszentrum führt, ist unklar - man hofft einfach mal, dass im Winter weniger Menschen kommen.

Von Mike Szymanski

Die Landtags-Grünen werfen Finanzminister Markus Söder vor, Scheinselbständigkeit "billigend in Kauf" genommen zu haben. "Ohne eine entsprechende finanzielle Ausstattung durch den Freistaat" sei man gezwungen, auf freie Mitarbeiter zurückzugreifen, sagte der Abgeordnete Sepp Dürr.

© SZ vom 30.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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