Scheidender bayerischer Ministerpräsident:Seehofer beklagt fehlende Dankbarkeit seiner Partei

Scheidender bayerischer Ministerpräsident: Seine Regierungsbilanz hält Seehofer für tadellos: "Alles, was ich versprochen habe, ist eingelöst worden. Ausnahmslos."

Seine Regierungsbilanz hält Seehofer für tadellos: "Alles, was ich versprochen habe, ist eingelöst worden. Ausnahmslos."

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zieht im SZ-Interview die Bilanz seiner Amtszeit: Er sieht sich zu Unrecht aus der Staatskanzlei gedrängt.
  • Dass er seit der Bundestagswahl schweige, "trotz etlicher Bösartigkeiten", sei "dem Gesamtunternehmen Bayern und CSU nur förderlich".
  • Ihn schmerze "überhaupt nicht", dass er das Amt nach zehn Jahren ausgerechnet an seinen ungeliebten Erzrivalen Markus Söder abgeben müsse, behauptet Seehofer.

Von Sebastian Beck, Lisa Schnell und Wolfgang Wittl

Kurz vor seinem Rücktritt als bayerischer Ministerpräsident wirft CSU-Chef Horst Seehofer seiner Partei fehlende Anerkennung vor: "Sie können eine Partei retten, Sie können sie nach oben führen, aber Sie werden nicht erleben, dass letzten Endes dafür Dankbarkeit herrscht", sagt Seehofer im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Parteifreunden hält er vor, er sei von ihnen "ordentlich demontiert worden".

Seehofer führt darauf auch seine sinkenden persönlichen Zustimmungswerte zurück. Nach der für die CSU missratenen Bundestagswahl "haben eigene Parteifreunde gesagt: Der ist alt, der ist viel zu lange in der Politik, der ist krank, und wir brauchen wieder mehr Glaubwürdigkeit" - zu einer Zeit, während er für bayerische Interessen in Berlin verhandelt habe. Die Bevölkerung müsse "ja aus Übermenschen bestehen, wenn sie all das sauber auseinanderhalten könnte", sagte Seehofer. Trotzdem lebe er noch und habe "keine Neigung, da zurückzuschlagen".

"Misserfolge werden immer beim Parteivorsitzenden gebucht"

Während der Koalitionsverhandlungen in Berlin hatte Seehofer noch angekündigt, er werde sich zu den Attacken auf ihn äußern, wenn er erst wieder nach München zurückgekehrt sei. Davon hat er bis heute abgesehen. Begründung: Dass er seit der Bundestagswahl schweige, "trotz etlicher Bösartigkeiten", sei "dem Gesamtunternehmen Bayern und CSU nur förderlich". In jeder Partei gebe es während einer Phase der Erneuerung Friktionen, sie seien "nicht der tieferen Rede wert". Allerdings hätte man die Veränderung "mit gleichem Ergebnis eleganter haben können". Zur Realität gehöre auch: "Misserfolge werden immer beim Parteivorsitzenden gebucht, Erfolge oft auf einem anderen Konto." Die Unterstützung für seine Partei sei ihm aber wichtiger als seine persönlichen Werte: "Man muss bekanntlich Wahlen gewinnen und nicht Umfragen."

Dass er das Amt nach zehn Jahren ausgerechnet an seinen ungeliebten Erzrivalen Markus Söder abgeben müsse, schmerze ihn "überhaupt nicht", behauptet Seehofer. Der Vorschlag, Söder die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl im Herbst anzutragen, sei von ihm selbst gekommen - "ohne dass ihn mir jemand abgepresst hat". Söders Zehn-Punkte-Programm für den Freistaat wollte Seehofer nicht bewerten, daraus könne man aber "gerne auch schließen, dass es durchaus in die richtige Richtung geht". Bayern müsse sich gesellschaftspolitisch auf die Bildungsgerechtigkeit und auf die ökologischen Herausforderungen konzentrieren, forderte der CSU-Chef.

"Wie die Kanzlerin das irgendwann löst, wird sehr spannend"

Mit seiner Regierungsbilanz in Bayern zeigte sich Seehofer sehr zufrieden. "Alles, was ich versprochen habe, ist eingelöst worden. Ausnahmslos." Er habe Großprojekte wie die Uniklinik in Augsburg und eine Universität in Nürnberg durchgesetzt, das neunjährige Gymnasium wieder eingeführt und die Studiengebühren abgeschafft - immer gegen Widerstände, auch in der eigenen Partei. "Manchmal hat die Bevölkerung mitgeholfen, manchmal der damalige Koalitionspartner." Der Freistaat sei in seiner über tausendjährigen Geschichte "noch nie so blendend" dagestanden wie jetzt.

Dass die Landtagsfraktion inzwischen seine Position bei der dritten Start- und Landebahn am Münchner Flughafen vertrete, obwohl sie dagegen sogar Unterschriften gesammelt hatte, erfülle ihn mit "tiefer Genugtuung", sagte Seehofer. Es gebe für ihn keinen Anlass für Trübsal. Er sei vielmehr dankbar, dass er zehn Jahre als Ministerpräsident an der Spitze des Freistaats stehen durfte: "Dass man immer bei einem Wechsel ein Stück Wehmut im Herzen trägt, weil einem die Menschen ans Herz gewachsen sind, die Mitarbeiter, das Land, ist doch völlig selbstverständlich."

Ein Fehler sei es jedoch gewesen, 2013 zu sagen, dass er 2018 aufhöre. "Da konnte ich meinen Busenfreunden schlecht etwas entgegnen, wenn sie gesagt haben: Du darfst dich nicht beschweren, wenn sich jemand mit deiner Nachfolge beschäftigt." Seehofer hatte im Frühjahr 2017 angekündigt, die CSU im Herbst noch einmal in die Landtagswahl zu führen. Nach der Bundestagswahl betrieb ein großer Teil der CSU-Landtagsfraktion seine Ablösung als Ministerpräsident und den Übergang auf Finanzminister Markus Söder. Dieser soll laut Seehofer "wohl sogar deutlich vor Ende des ersten Quartals" stattfinden.

Mit Blick auf den Generationswechsel in der CDU sagte Seehofer: "Wie die Kanzlerin das irgendwann löst, wird sehr spannend." Sollte die SPD einer großen Koalition zustimmen, wird Seehofer nach Berlin wechseln. Er soll das Bundesinnenministerium übernehmen, erweitert um die Ressorts Bau und Heimat. Zu seiner Zukunft sagte er: "Ich fühle mich fit und ich bin hoch motiviert."

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