Schauspielerin Brigitte Hobmeier:"Wir kämpfen immer um Leben und Tod"

Schauspielerin Brigitte Hobmeier kennt Orte in München, an denen der Traum vom Monaco Franze in Erfüllung geht oder an denen es traumhaft ist, doch selbst sie leider finanziell an ihre Grenzen stößt. Ein Gespräch über die Stadt, gutes Bairisch, das Theaterpublikum und die Panikattacken von Münchner Eltern.

Christian Mayer

Sie sitzt in der Kantine der Kammerspiele, und ganz offenbar hat sie gute Laune, die ansteckend wirkt. Es ist noch früh am Morgen, bald beginnen wieder die Proben, und Brigitte Hobmeier hat viel zu erzählen - über ihr Leben, ihren Beruf, ihre Stadt. Was sofort auffällt: dieses Lachen, diese Lebensfreude, auch wenn sie manchmal ein wenig nach dem Sinn der Dinge grübelt. Aber eine Stunde mit Brigitte Hobmeier ist auch: eine Privatvorstellung. Bühne frei!

Schauspielerin Brigitte Hobmeier: Mit dem Fahrrad am Elisabethplatz: Brigitte Hobmeier liebt München und den bayerischen Dialekt.

Mit dem Fahrrad am Elisabethplatz: Brigitte Hobmeier liebt München und den bayerischen Dialekt.

(Foto: Stephan Rumpf)

SZ: Frau Hobmeier, im aktuellen Prinz sind Sie als eine der wichtigsten 50 Münchner gelistet, nebst Männern wie Christian Ude oder Uli Hoeneß. Im Text hieß es, Sie seien schön wie ein Botticelli-Gemälde. Was sagen Sie dazu?

Brigitte Hobmeier: Eigentlich bin ich darüber beschämt. Ich sollte mich vielleicht einfach nur freuen darüber und gut is'. Für meinen Mann bin ich auch manchmal die schönste Frau der Welt, und manchmal ein kleines Rumpelstilzchen.

Wo kommen Sie eigentlich her? Wenn man Sie so reden hört und Ihre kraftvolle Sprache genießt, dann glaubt man nie im Leben, dass Sie aus Ismaning stammen.

Also, der Dialekt ist mir in die Wiege gelegt worden. Mein Mann, der am Hauptbahnhof aufgewachsen ist, sagt immer zu mir: Du darfst nie behaupten, dass du Münchnerin bist! (Lacht) Meine Eltern kommen aus einem Dorf bei Dingolfing in Niederbayern, Wendelskirchen heißt das.

Das heißt: Zu Hause bei Ihren Eltern sprechen Sie Dialekt.

Aber wirklich tiefes Niederbairisch sprech' ich nicht mehr. Wenn ich bei meinen Verwandten zu Gast bin, merke ich sofort: Die sprechen noch mal einen Ton herber und derber.

Ihr Heimatort Ismaning ist heute eine Medienstadt mit lauter Fernsehsendern. Erkennen Sie den Ort noch wieder, wenn Sie dort sind?

Ja, das Zentrum schon, das ist gleich geblieben. Meine Mutter hat dort eine kleine Reinigung und eine Heißmangel. Das ist ein klitzekleines gelbblaues Haus zwischen riesengroßen Bauernhöfen.

Richtige Bauern? In einer Münchner Vorstadt?

Oh ja! In der Straße, wo meine Eltern wohnen, gibt es vier richtige Bauern. Unsere berühmten Krautbauern.

Ihr Vater hat als Heizungsinstallateur gearbeitet.

Richtig, jetzt ist er Baustellenleiter. Der Capo. Er ist bei BMW in die Lehre gegangen als Maschinenschlosser. Danach ist aber gleich auf Montage gegangen, er musste schnell Geld verdienen, weil er mit 18 Vater geworden ist: Erst kam mein Bruder, zwei Jahre später dann ich.

Die Liebe zur Sprache, zum Theater, liegt die bei Ihnen in den Genen?

Ich glaube schon, mein Vater hat sehr viel Humor, der Schalk sitzt ihm in den Augen. Wenn er dabei ist, mach ich mir keine Sorgen, dass der Abend langweilig ausgehen könnte. Ich würde ihn als extrem sprachbegabt bezeichnen. Liegt wohl in der Familie: Mein Urgroßvater galt früher als größter Lügner Ismanings (lacht), das waren wuide Hund damals, die haben es krachen lassen.

"Da geht der Traum vom Monaco Franze in Erfüllung!"

Im Gegensatz zur Großstadt: In München spricht ja kaum jemand mehr richtig Dialekt.

Ja, aber es gibt auch Überreste des Münchnerischen. Besonders wenn feinere Damen diesen Münchner Zungenschlag haben, schmelze ich dahin. Wenn die gerade die halbe Maximilianstraße aufgekauft haben, ihre Beute nach Hause schleppen, das ist großartig. Da geht der Traum vom Monaco Franze in Erfüllung!

Was den Dialekt angeht, sind Schauspielern ja immer Grenzen gesetzt, weil nicht jeder zum Beispiel das Bairische versteht. Nur bei Marcus H. Rosenmüller haben Sie mehr Freiheiten: Der lässt Sie in Filmen wie "Räuber Kneißl" oder "Sommer in Orange" von der Leine - und dann klingt Brigitte Hobmeier auf einmal wie Brigitte Hobmeier.

Ich genieße das auch sehr. Leider gab es daran auch schon viel Kritik - von Kinobesuchern aus anderen Bundesländern, die uns vorgeworfen haben: Wir verstehen euch nicht. Ich habe gerade ein Drehbuch vorliegen gehabt für einen Film, wo meine Figur ganz klar bairisch angelegt war. Und dann haben sie beim Casting gesagt: Mach lieber ein bisschen weniger, sprich nicht so starken Dialekt. Für meinen Geschmack hat das die Folge, dass die Figur künstlicher wird, als wenn man Hochdeutsch spricht. Ich mag dieses Pseudo-Bairisch nicht, diesen Firlefanz. Entweder oder!

Mit Ihrem Dialekt gehören Sie auch an den Kammerspielen, wo das Ensemble sehr gemischt ist, zur bayerischen Minderheit. Was bedeutet Ihnen eigentlich der Theaterpreis der Stadt München, den Sie im Sommer bekommen haben?

Ich war schon sehr bewegt. Ein wenig hatte ich dieses Gefühl von Silvester, von der Melancholie, die von einem Besitz ergreift, wenn das Jahr zu Ende geht. Die Karten werden neu gemischt. Die Sehnsucht erwacht und die Ängste. Was war, was wird kommen, wo stehe ich und was wollen die anderen von mir? Solche Dinge sind mir vor meiner Dankesrede im Kopf herumgegangen. Aber eben auch der Blick zurück zu den letzten zehn Jahren in München. Rollen wie die "Geierwally" oder die "Maria Braun" oder die Elisabeth in "Glaube, Liebe, Hoffnung", das sind Glücksfälle, Geschenke.

Offenbar wird das Münchner Publikum auch gerne beschenkt, die Leute wollen Sie in guten Stücken sehen - das ist fast so wie beim FC Bayern, wo man auch ins Stadion geht, damit man Schweinsteiger und Robben spielen sieht.

Nun ja, ich spüre diese Vertrautheit mit dem Publikum. Das war selbst letztes Jahr bei unserer Feuchtwanger-Lesung aus dem Roman "Erfolg" so, da habe ich eine Figur gespielt, die Johanna Krain, die mir sehr nahe steht und die ich begreife. Und das Publikum versteht das dann auch, das ist schon anders, als wenn ich in Berlin spiele. Es gibt hier eine andere Form von Kommunikation, eine Vertrautheit. In Berlin muss ich die Bälle ganz anders spielen, damit sie auch an der richtigen Stelle landen.

Was macht denn den Unterschied aus? Ist das Münchner Publikum anders?

Ja. Aber jetzt muss ich aufpassen, kein Klischee zu produzieren: Das Münchner Publikum ist nicht so zurückgelehnt; gerade an den Kammerspielen sind die Leute sehr gebildet und kulturinteressiert. Auf der anderen Seite können sie sich sehr schnell echauffieren: Was spielt ihr denn für einen Scheiß! Sie regen sich auf und freuen sich über das, was wir machen. Diese Emotionen spüre ich stark.

"Man spürt genau, wenn das Publikum desinteressiert ist"

Seit Johan Simons Intendant ist, kommen oft Romanbearbeitungen auf die Bühne. Ist das nicht manchmal ermüdend für eine Vollblutschauspielerin?

Ach, wir machen ja manchmal auch Witze darüber, das weiß auch Johan Simons, aber er hat eben seinen Stil, seine Vorlieben. Ich muss immer ein wenig schmunzeln, wenn ich die Frage beantworten muss: Und, was spielt ihr jetzt? In meinen Kopf weiß ich, gleich fällt das Wort "Filmadaption" - und ich weiß auch, was das Gesicht mir gegenüber macht . . . (lacht lange) Ja, mei! Wenn es gut läuft, dann kämpfen wir auf der Bühne immer um Leben und Tod, dann ist es egal, ob es eine Adaption ist oder ein Stück. Das war bei der "Geierwally" am Volkstheater genauso wie jetzt bei unserem Fellini-Stück: Da ist die feine, überspannte Welt der Oper und dann die harte Realität der Arbeiter unter Deck, das ist spannend. Wir erzählen ja keinen Schmarrn an den Kammerspielen!

Die feine Welt der Oper findet sich auch in der Maximilianstraße, wo sich Kunst und Kommerz gegenseitig belauern. Nimmt man als Schauspieler diese artifizielle Bühne eigentlich noch wahr?

Am Anfang, als ich zu den Kammerspielen kam, habe ich das schon getan, und manchmal stand ich erschrocken vor dem Schaufenster: Huch, das Kleid kostet ja so viel wie ein ganzes Monatsgehalt! Das darf doch nicht wahr sein.

Verkleidungen haben Sie ja schon genug, bei den Rollen, die Sie spielen. Aber bei der Verleihung des Theaterpreises haben Sie noch etwas verraten: Ihr Mann Florian durfte nie in die Vorstellungen von Ihnen gehen, deshalb hat er sich verkleidet und reingeschlichen in den Saal.

Ja, mit einem falschen Bart und mit Perücke! (lacht) Er hatte ein scheußliches kariertes Hemd an und einen Trenchcoat, damit sah er aus wie Horst Schlemmer, aber er wollte mich unbedingt sehen in der "Ehe der Maria Braun".

Hätten Sie ihn erkannt, wenn er unverkleidet in Reihe acht gesessen wäre?

Ja, bestimmt. Leider wissen die wenigsten Zuschauer, dass sie aktive Mitglieder des Abends sind. Man spürt ja auch genau, wenn das Publikum mitleidet oder desinteressiert ist.

Beim Fernsehen ist das nicht ganz so. Trotzdem spielen Sie ganz gerne mal jenseits der Kammerspiele. Wie oft geht das überhaupt, bei Ihren Verpflichtungen?

Leider nicht so oft, wie ich gerne würde. Aber es gibt eben auch Rollen, für die ich bereit bin zu kämpfen. Beim Film "Tannöd" war das ähnlich, aber ich wollte unbedingt mitmachen, weil ich die Rolle sehr toll fand. Ich wollte alles auf mich nehmen für die acht Drehtage, absolute Disziplin wahren. Ich bin oft auf Knien zum Intendanten Frank Baumbauer gerutscht. Der wusste eben: Die kommt nicht krank oder müde vom Dreh zurück. Je stärker ich meiner Leidenschaft nachgehen kann, desto mehr Energie habe ich. Diesen Sommer habe ich im Schwarzwald gedreht, mit einer ganz jungen Regisseurin, Franziska Schlotterer, der Film heißt "Ende der Schonzeit". Es hat vier Jahre gedauert, bis es endlich geklappt hat. So habe ich die Hälfte meiner Sommerferien verbracht.

Was machen Sie eigentlich mit Ihrem Sohn, wenn Sie proben?

Bei Johan Simons habe ich Glück, der hat ein sehr kinderfreundliches Probensystem aus Holland mitgebracht, es gibt keine geteilten Proben bei ihm, also vormittags und abends, sondern meist nur eine lange Probe. Das schenkt mir ein paar Abende mehr zu Hause. Aber wie alle Eltern in München brauchen wir unsere Eltern und unsere Babysitter. Kollegen von mir haben es da schwerer, die haben keine Großeltern, die mal aushelfen können.

"Jeden Morgen streichle ich die Löwen an der Residenz"

Beim Theaterpreis haben Sie ja einen regelrechten Hilfeschrei losgelassen, gerichtet an die Stadt München: Tut endlich was für berufstätige Eltern!

Das war auch sehr ernst gemeint, ich kenne zu viele Familien in München, die ein Problem eint: Sie haben keinen Hortplatz, keinen Kindergartenplatz, keinen Krippenplatz. Ich habe schon viele entsetzte, panische Gesichter gesehen, wenn die Eltern nicht mehr wissen, was sie tun sollen, weil sie arbeiten müssen. Dass nur ein Elternteil arbeitet, können sich doch die wenigsten leisten, geschweige denn die vielen alleinerziehenden Mütter und Väter. Ein Schulsystem, bei dem die Kinder um zwölf aus der Schule kommen, ist nicht einmal mit einem Halbtagsjob vereinbar. Ich hatte das Glück, dass ich bei meiner Mutter im Geschäft sein konnte, da bin ich nach dem Kindergarten hin, mein Urgroßvater hat mich abgeholt. Ich bin dann unter der Heißmangel gesessen: Die feuchte Bettwäsche ist auf der einen Seite rein, auf der anderen Seite wieder trocken rausgekommen.

Klingt nach glücklichen Tagen.

Manchmal bin ich wirklich traurig, dass mein Kind nicht auch so um mich rumwuseln kann, während ich arbeite. Hin und wieder nehm' ich ihn mit, die große Ausnahme. Dann sitzt er da, in meiner Garderobe oder unten im Zuschauerraum und spielt mit seinen Autos oder hört sich CDs an.

Was kriegt man bei diesem Pensum eigentlich von München mit?

Es ist ein Streifen von Wirklichkeit, ein Ausschnitt, ich lasse die Stadt gerne an mir vorbeiziehen. Ich sehe München eher wie ein Flaneur, wenn ich morgens oder abends durch die Stadt radle. Jeden Morgen streichle ich die Löwen an der Residenz, ich habe denen schon viele Wünsche zugeflüstert und mitgeholfen, dass sie so glatt und aufpoliert sind. Manchmal sieht man dort alte Münchner, die das ähnlich beiläufig und ganz selbstverständlich machen, dann geht mir das Herz auf. Nur an den Tagen, an denen ich Premiere habe, bleibe ich minutenlang stehen und flüstere und flüstere!

Wo gehen Sie hin, wenn Sie es sich richtig gut lassen wollen?

Kürzlich war ich in einem ganz tollen, teuren, berühmten Lokal in Schwabing, na, wie heißt es noch mal, das teure . . . ?

Tantris?

Genau das meine ich. Ich wollte eine gute Freundin unbedingt fein ausführen, weil ich etwas von ihr geschenkt bekommen hatte, und da wollte ich mich revanchieren. Also saßen wir da in dem Laden, wir haben uns aufgebrezelt, sind hingestackselt, zwei Schicksen, es war ein unglaublich lustiger Abend, besonders als wir gemerkt haben, wie schön die Damentoilette dort ist (lacht schallend). Am Ende hat der Taxifahrer, der gemeine Kerl, auch noch 15 Euro fürs Warten verlangt, weil wir so getrödelt haben. Das war so schön, auch wenn man sich so etwas nur alle paar Jahre mal leisten kann.

Moment, eine tolle Schauspielerin wie Sie, die muss doch gut verdienen.

Sie sind ja lustig! Gut ist nicht gut genug fürs Tantris. Der Abend tut meinem Konto immer noch weh. Ich sollte mich das nächste Mal vielleicht lieber einladen lassen!

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