Satzungsänderung:Demokratie leichter gemacht

Bürgerentscheid Olympiabewerbung 2022

2013 durften Bürger aus München, Garmisch-Partenkirchen, den Landkreisen Traunstein und Berchtesgaden darüber abstimmen, ob es eine Olympia-Bewerbung für 2022 geben sollte. Ein Nein war das Ergebnis.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Bürgerentscheide scheitern oft am Quorum. In Prien, Bad Endorf und Pfaffenhofen an der Ilm geht man deshalb einen anderen Weg und schickt den Wahlberechtigten die Unterlagen zu

Von Matthias Köpf, Waldkraiburg

Die Menschen in Waldkraiburg hängen an ihrem Waldbad, auch wenn es ziemlich marode ist und der Stadtrat beschlossen hat, es abzureißen und mit der Nachbargemeinde Aschau ein neues Bad zu bauen. Bei einem Bürgerentscheid darüber wollten kürzlich fast drei Viertel das Waldbad behalten, zugleich lehnten beinahe zwei Drittel ein Ratsbegehren für den Neubau ab. Trotzdem gilt weiterhin der Ratsbeschluss für den Neubau, weil sich nur gut ein Viertel der Stimmberechtigten an den beiden Entscheiden beteiligt hat. Auf diese Weise scheitern immer wieder Bürgerentscheide am Zustimmungsquorum. Ein Gegenbeispiel lieferte jüngst Prien am Chiemsee: Obwohl auch dort an jenem Sonntag sonst keinerlei Wahlen stattfanden, beteiligten sich mehr als 52 Prozent am Entscheid über eine neue Jugendherberge. Denn die Gemeinde hat ihren Bürgern zuvor keine bloßen Abstimmungsbenachrichtigungen geschickt, sondern gleich die Briefwahlunterlagen.

Das hatten die Gemeinderäte einige Wochen zuvor per Satzungsänderung so festgelegt. Ausdrückliches Ziel war laut Bürgermeister Jürgen Seifert, die Beteiligung am Entscheid zu erhöhen. Das lobt auch Christoph Bach, der im Streit über die Jugendherbergspläne Seiferts wichtigster Gegenspieler war. Vorbild für die Priener Regelung waren die Nachbargemeinde Bad Endorf und vor allem die Stadt Pfaffenhofen an der Ilm, die 2016 als erste bayerische Kommune beschlossen hat, bei Bürgerentscheiden gleich Briefwahlunterlagen zu verschicken. Dort ging es um einen "Bürgerwindpark" und um ein Hallenbad. Im Rathaus habe man sich ein breites Meinungsbild gewünscht und deshalb die Satzung entsprechend geändert, sagt Hauptamtsleiter Hans-Dieter Kappelmeier. Als Vorreiter ließen sich die Pfaffenhofener von einem Wahlrechtsexperten beraten. Was die Beteiligung von fast 60 Prozent betrifft, sei die Umstellung auf jeden Fall ein Erfolg. Zugleich sei der Aufwand nicht größer geworden. Die meisten der knapp 20 000 Stimmberechtigten in Pfaffenhofen nutzten die Abstimmungsmöglichkeit per Post, an die einzige Urne im Rathaus kamen nicht einmal 500 Menschen. In Prien fanden sich in der einzigen Urne rund 400 Stimmzettel. Etwa die Hälfte der 8900 Berechtigten hat brieflich abgestimmt - davon rund 200 ungültig, weil offenbar viele mit den Kuverts durcheinanderkamen.

In Prien, Bad Endorf und Pfaffenhofen haben bisher alle Briefwahl-Entscheide zu einem gültigen Ergebnis geführt. Keiner scheiterte am Zustimmungsquorum, das seit 1999 gilt. Demnach muss in Kommunen bis 50 000 Einwohner die Mehrheit beim Entscheid aus mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten bestehen. Bis 100 000 Einwohner liegt dieses Quorum bei 15, darüber bei zehn Prozent.

Der Verein Mehr Demokratie, der die Bürgerentscheide 1995 erkämpft hat, fordert seit Langem niedrigere Quoren für die Städte. Dort scheitern weit mehr Entschiede am Quorum als in kleineren Gemeinden. Im landesweiten Schnitt werden laut Mehr Demokratie knapp acht Prozent aller Entscheide mangels Beteiligung hinfällig. Besonders oft sind das Entscheide, die nicht gleichzeitig mit einer Wahl stattfinden. Dagegen kann sich die Landesgeschäftsführerin von Mehr Demokratie, Susanne Socher, nicht erinnern, dass ein Entscheid am Tag einer Wahl wegen des Quorums gescheitert wäre. Obwohl es feste Fristen gibt, bleibt den Rathäusern in der Praxis oft viel Spielraum, einen missliebigen Entscheid so anzusetzen, dass er nicht mit einer Wahl zusammenfällt und umso wahrscheinlicher am Quorum scheitert. Dem könnte eine grundsätzliche Abstimmung per Post entgegenwirken, finden Mehr Demokratie, der Bayerische Gemeindetag und auch Bayerns Innenministerium. Dort hat man nach eigener Auskunft keine Bedenken gegen die Regelungen in Pfaffenhofen, Bad Endorf und Prien. Nur wenn zugleich Kommunalwahlen stattfänden, müssten Verwechslungen mit Briefwahl-Entscheiden vermieden werden.

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