Satirekurs mit Bruno Jonas:Kommt ein Kabarettist in die Schule

Bruno Jonas will bayerischen Lehrern Satire beibringen - wohlwollend begleitet vom Kultusministerium. Doch was der Kabarettist sich als irrwitzige Überspitzung ausdenkt, ist für die Lehrer gar nicht so irrwitzig. Sondern Realität.

Annette Ramelsberger

Kommt ein Kabarettist in die Schule - so könnte die Szene beginnen. Kommt ein Kabarettist in die Schule, will ein satirisches Stück über den Schulalltag machen und lässt sich deswegen von einem Dutzend Lehrern aus dem Alltag erzählen - so könnte die Szene weitergehen. Und dann? Dann merkt der Kabarettist, dass das, was er sich als irrwitzige Überspitzung ausdenkt, gar nicht irrwitzig ist. Sondern Realität.

Satirekurs mit Bruno Jonas: Ist das hier vielleicht eine Therapiesitzung? Bruno Jonas übt mit Lehrern die Gesetze der Satire. Und blickt in Abgründe.

Ist das hier vielleicht eine Therapiesitzung? Bruno Jonas übt mit Lehrern die Gesetze der Satire. Und blickt in Abgründe.

(Foto: Stephan Rumpf)

Dass sich die Referendarin aus dem Allgäu vor dem Amtsarzt nackt bis auf die Unterhose ausziehen und auf die Waage stellen muss - wer ein Kilo zu dick ist, darf nicht Beamter werden. Als Beamtin darf sie dann zunehmen, so viel sie will. Dass in Nürnberg die Lehrer von der Schulleitung aufgefordert werden, zum Schmuck der Klassen ihre eigenen Zimmerpflanzen mitzubringen - weil sich der Nürnberger Stadtschulrat angesagt hat. Danach nehmen sie die Pflanzen wieder mit.

Man kann nicht behaupten, dass dem Kabarettisten Bruno Jonas die menschliche Natur mit ihren Abgründen fremd wäre. Aber am Donnerstag konnte er aus Abgründen schöpfen, die schon sehr ergiebig waren. Bruno Jonas sollte bayerischen Lehrern Satire beibringen - in einem Projekt der kleinen Stiftung art.131, die sich um die "Bildung von Herz und Charakter" der bayerischen Schüler kümmert, wie das die Bayerische Verfassung im Artikel 131 vorsieht. Und zur Herzensbildung gehört auch Humor. Oder die aggressivere Spielart, die Satire.

Zwei Tage lang lernen 13 Lehrer aus Nürnberg und Deggendorf, Dingolfing und Erding, wie man Texte so schreibt, dass sie auf der Bühne witzig wirken und nicht platt. Das Projekt gilt als Fortbildung und wird wohlwollend vom Kultusministerium begleitet. "Ist das vielleicht auch schon Satire?", fragt ein Lehrer. "Vielleicht meinen die, das ist so eine Art Therapiesitzung für uns."

Vielleicht ist es genau das. Da ist die Lehrerin Christina Baumann aus Sulzbach-Rosenberg, die mit ihren Schülern jahrelang ein Abitur-Kabarett aufführte - und jetzt nicht mehr mag. Weil die Lehrer, die in den Sketchen der Schüler vorkamen, beleidigt waren. Ach was, stinkbeleidigt. Und Kollegen im Lehrerzimmer über sie herfielen, warum sie es nicht verhindert habe, dass sich die Schüler so über die Lehrer lustig machten.

"Eigentlich sollten die Lehrer froh sein, dass sie für ihre Schüler so wichtig waren", sagt Jonas. "Die Lehrer sind aufgefallen und sind im Kabarett vorgekommen. Das ist fast wie beim Derblecken am Nockherberg." Doch während das bayerische Kabinett es sich nicht leisten kann, den Nockherberg zu schwänzen, gibt es in Sulzbach-Rosenberg mittlerweile Listen, welche Lehrer bespielt werden dürfen und welche nicht. "Ein Defizit an satirischer Kompetenz", nennt Jonas das fein. "Eigentlich müsste ein Lehrer wutentbrannt in die Klasse kommen und fragen: Bin ich so schlecht, dass ich nicht vorkomme?"

Das Wichtigste bei der Satire ist das Thema. "Ein Thema, über das Sie sich richtig ärgern können", sagt Jonas. "Wo man einfach die Wut aufschreiben kann. Ohne Unzufriedenheit kann man nicht schreiben." Muss ja auch gar nicht über die Lehrer selbst gehen oder die Schüler. "Es gibt Eltern, die sind viel komischer als die Lehrer." Jonas spielt schon mal eine kleine Szene vor: Sohn in der zehnten Klasse, schlechte Noten. Die Eltern aber: unbeeindruckt. Unser Sohn macht Abitur, sagen die Eltern. Das schafft er nicht, sagt der Lehrer. Das ist uns egal, sagen die Eltern. Jonas grinst, so könnte es gehen. Claudia Zenk grinst nicht, sie ist Grundschullehrerin in Schwabach: "Wieso zehnte Klasse?", fragt Zenk. "Solche Gespräche führen wir in der vierten Klasse. Da sind die Kinder neun."

Ein Lehrer vom Adalbert-Stifter-Gymnasium in Passau berichtet, wie eine Mutter zwei Stunden lang lamentiert habe, dass ihr hochbegabtes Kind nicht als hochbegabt anerkannt werde. "Ja", sagt Jonas, "das Solo der Mutter, das wird eine gute Szene - nur nicht zwei Stunden lang." Oder die Sache mit den ausgeprägten Persönlichkeiten unter den Schülern. "Was heißt hier Schüler?", fragt Claudia Zenk. "Die Eltern!" Sie kam in ihre Klasse. Zwei Achtjährige schlugen sich. Sie ging dazwischen. Später wollte sie mit den Eltern reden, dass sie ihren Kindern doch ins Gewissen reden sollen. Die sagten: "Sie sehen doch, unser Kind hat Führungsqualitäten. Wir erwarten, dass sie es dann auch entsprechend fördern." Wie will man da noch satirisch überspitzen?

"Ich erfahre hier so viel aus Ihrer Welt", sagt Jonas. Es ist eine Welt, die zur Realsatire gerinnt, je mehr die Lehrer berichten. Wie sich die Schulen vermarkten müssen, um Schüler zu gewinnen. "Demnächst werden wir noch die Schüler persönlich an der Haustür abholen", sagt eine Lehrerin. "Zum G 8 haben wir die sowieso mit der Sänfte getragen", wirft ein anderer ein. "Am Ende müssen Sie noch eine Abiturfahrt nach China bieten", will Jonas überspitzen. ""Wieso ist das Satire?", fragt ein Lehrer. "Das machen wir doch schon."

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