Salmonellen-Skandal:Faule Eier

Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf hat in der Salmonellen-Affäre stets betont, dass es in bayerischen Supermärkten keine Käfigeier gebe. Die SZ hat Stichproben genommen - und eine empörende Entdeckung gemacht

Von Philipp Grüll und Frederik Obermaier, Reischach

Die Verkäuferin ist sich sicher: Eier der Firma Bayern-Ei führe man nicht. Bayern-Ei, das ist jene Firma, die 2014 offenbar einen europaweiten Salmonellenausbruch ausgelöst hat, bei der mindestens zwei Menschen starben. Von denen gebe es hier, beim Edeka in Reischach, nichts zu kaufen. So steht es schließlich auch auf einem großen Zettel an der Kühltheke: Fett gedruckt, unterstrichen und mit einem dicken Ausrufezeichen versehen, ist da zu lesen, dass "zu keiner Zeit Frischeier von Bayern-Ei an Edeka-Filialen ausgeliefert" worden seien. Nur einen Schritt davon entfernt stapeln sich die Eierkartons: Bio-Eier, Land-Eier, Eier von freilaufenden Hühnern - und eine unscheinbare Packung. "Aus der Heimat" steht darauf, daneben die Aufschrift einer Firma namens "Siegfried Wimmer".

Die Eier aus der Siegfried-Wimmer-Verpackung stammen in Wahrheit aus dem niederbayerischen Aiterhofen. Es sind Bayern-Ei-Eier.

Nun, eine Verkäuferin kann irren. Bei einer Ministerin sieht das schon ein bisschen anders aus. Und Bayerns Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf hatte sich in den vergangenen Tagen ziemlich festgelegt. Käfigeier seien im Freistaat "nicht im Einzelhandel zu kaufen", hatte sie dem Münchner Merkur erklärt. Ihr Sprecher hatte in einem Schreiben an SZ und BR noch eines draufgesetzt: Man habe nach mehreren Salmonellenfunden bei Bayern-Ei und diversen Alarmmeldungen aus dem Ausland die Öffentlichkeit insbesondere deshalb nicht gewarnt - "weil die Firma nur Käfigeier produziert, die bei uns im Einzelhandel nicht vertrieben werden".

Am Mittwoch, 15.47 Uhr, kam die Wende: Etwas umständlich teilte der Sprecher mit, seine Chefin sei zwar "bis gestern" davon ausgegangen, dass im Einzelhandel keine Käfigeier erhältlich seien. Richtig aber sei: Die umstrittenen Eier seien eben doch in Bayern erhältlich. Die Ministerin bestätigte damit die Recherchen von SZ und BR. Sie bestätigte das Offensichtliche.

Dazu muss man wissen: Eier der Handelsklasse A - also jene Eier, die auch in Supermärkte geliefert werden - müssen in der EU gekennzeichnet werden. Auf jedes Ei ist ein Code gedruckt, er beginnt mit der Ziffer 0, 1, 2 oder 3, wobei 0 für Bio steht und 3 für Käfighaltung. Jeder kann nachschauen, ob er Eier mit 3er-Code findet. Selbst eine Ministerin und ihr Personal.

Faule Eier

Der Stempel verrät: Die Eier stammen aus Aiterhofen.

(Foto: Jakob Berr)

Der Verein "Soko Tierschutz" hatte jüngst in mehreren bayerischen Geschäften Käfig-Eier gefunden. "Sie sind allgegenwärtig, bei Edeka, in türkischen Supermärkten, als Frühstücksei im Hotel und auf der Häppchenplatte von Cateringfirmen", sagt Friedrich Mülln von Soko Tierschutz. Die SZ und das BR-Politikmagazin Kontrovers haben die Angaben stichprobenartig überprüft und wurden ebenfalls fündig, etwa im Edeka in Reischach.

Verpackt - oder sollte man sagen: getarnt? - in Kartons der Firma "Siegfried Wimmer" waren die Eier nur für Spezialisten als Bayern-Ei-Eier zu erkennen. Auf die Eier war schließlich nur der Code 3-DE-0920431 gedruckt.

Mit dem Eingeständnis vom Mittwoch gerät die gesamte bisherige Argumentation der Ministerin in der Bayern-Ei-Affäre ins Wanken. Kurz gefasst lautete die: Alles ist gut, die Behörden haben keine Fehler gemacht, die bayerische Bevölkerung ist nie in Gefahr gewesen, eine öffentliche Warnung nicht nötig gewesen. Es gebe ja im Freistaat keine Bayern-Ei-Eier im Handel.

Zur Erinnerung: Europaweit waren wegen offenbar salmonellenverseuchter Eier aus Bayern Hunderte Menschen erkrankt, mindestens zwei Menschen starben. Und was macht die Ministerin, als das bekannt wird? Sie sagt: "Die Behörden haben ihren Job gemacht, sie machen ihren Job, und sie machen ihren Job gut." Dabei hätten Bayerns Behörden vergangenes Jahr die Möglichkeit durchaus vor Eiern der Firma Bayern-Ei warnen können. Ausländische Experten hatten die Firma längst im Visier, bei amtlichen Proben wurden mehrmals Salmonellen gefunden. Statt die Verbraucher darüber zu informieren, leiteten Bayerns Behörden wichtige Proben erst mit mehreren Wochen Verspätung an die zuständigen Labore weiter. Wichtige Informationen für ausländische Experten wurden wochenlang zurückgehalten, die Staatsanwaltschaft nicht - wie in einem solchen Fall eigentlich üblich - informiert.

Und als wäre das nicht schon fahrlässig genug, kommt nun die Sache mit den Käfigeiern dazu.

Auf Anfrage von SZ und BR bestätigte der Eiergroßhändler Siegfried Wimmer, 2014 und 2015 Bayern-Ei-Eier an den Einzelhandel geliefert zu haben. Daraus habe er auch kein Geheimnis gemacht. Er habe alle Abnehmer, also auch den Edeka-Markt in Reischach informiert, dass er ihnen Bayern-Ei-Eier liefere. Und die waren offenbar einverstanden.

Demnach hätte der Eigentümer des Reischacher Edekas, die Lechertshuber & Wimmer GmbH , seine Kunden wissentlich getäuscht. SZ und BR haben der Firma einen Fragenkatalog zugesendet, der unbeantwortet blieb. Stattdessen schrieb Edeka-Südbayern: Zu keiner Zeit seien von der Konzernzentrale "Bayern-Ei-Eier an Filialen geliefert worden". So sei auch der Zettel zu verstehen, der "versehentlich" ausgehängt worden sei. Die Lechertshuber & Wimmer GmbH hat die Eier also nicht von Edeka Südbayern geliefert bekommen, sondern direkt bei Siegfried Wimmer eingekauft.

Faule Eier

Auf der Packung, die die SZ-Reporter in einem Edeka fanden, steht kein Hinweis auf Bayern-Ei.

(Foto: Jakob Berr)

Der wiederum beruft sich darauf, dass Bayern-Ei ihm nach ersten Medienberichten über salmonellenverseuchte Eier versichert habe, "keine Eier von den betroffenen Ställen erhalten zu haben". Dass erst im Mai wieder Salmonellen bei Bayern-Ei gefunden wurden, und das ausgerechnet in jenem Standort, von dem die an den Reischacher Edeka gelieferten Eier stammen, davon höre er zum ersten Mal. "Ich wurde nicht informiert" - weder von Bayern-Ei noch von den bayerischen Behörden.

SZ und BR überprüfen derzeit, in welchen bayerischen Geschäften Käfig-Eier beziehungsweise Eier von Bayern-Ei verkauft werden. Für Hinweisgeber wurde dazu eine eigene Internetseite eingerichtet: www.sz.de/bayern-ei

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