Rufmordkampagne in Landshut:Mit feindlichen Grüßen

Rufmordkampagne in Landshut: Stefanje Weinmayr ist Leiterin des Skulpturenmuseums Landshut.

Stefanje Weinmayr ist Leiterin des Skulpturenmuseums Landshut.

Sie weiß nie, bei wem sie sich wieder entschuldigen muss: Gegen Stefanje Weinmayr läuft eine Rufmordkampagne. Ein Unbekannter schreibt seit Jahren im Namen der Leiterin des Landshuter Skulpturenmuseums peinliche Briefe an die Honoratioren der Stadt.

Von Wolfgang Wittl, Landshut

Vor ein paar Tagen erst hat Stefanje Weinmayr wieder Post bekommen. Die Äbtissin des Klosters Seligenthal teilte ihr mit, dass sie sich für Weinmayrs Brief höflich bedanke, sich aber außer Stande sehe, ihren Wünschen nachzukommen: Weder könne sie sich in offenbar bestehende Rivalitäten einmischen, noch vermöge sie etwas zu anderen Fragen beizutragen. Von "herzzerreißender Freundlichkeit" sei der Brief der Äbtissin gewesen, sagt Weinmayr. Das Problem ist nur: Sie hatte der Ordensfrau nie geschrieben.

So geht es seit Jahren. In und um Landshut sind immer wieder Briefe im Umlauf, die aus Weinmayrs Feder stammen sollen. In der Stadt ist längst von einer Rufmordkampagne die Rede. Weinmayr, 45, ist Leiterin des Landshuter Skulpturenmuseums im Hofberg. Und es gibt mindestens einen Menschen, der sich an ihrer Person stößt. Oder an ihrer Arbeit, genaues weiß man nicht. Die Polizei tappt bisher im Dunkeln.

Die ersten Briefe kursieren Ende 2010, sie sind adressiert an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Die angebliche Stefanje Weinmayr wünscht darin zunächst schöne Weihnachten - und berichtet dann über Dinge aus ihrem Leben, die man lieber für sich behält. Die Fortsetzung folgt Monate später mit der nächsten Serie von diskreditierenden Briefen. Weinmayr geht zur Polizei, erstattet Anzeige, doch die Ermittlungen gestalten sich schwierig. Die Briefe, insgesamt wohl einige hundert, werden auf Fingerabdrücke und DNA-Spuren untersucht. Ohne Ergebnis.

"Armselige" Präsentation

Parallel dazu werden in einem Landshuter Online-Medium regelmäßig schmähende Leserbriefe verfasst: Weinmayr habe unglaublich viele amouröse Abenteuer, sie stelle weder etwas dar, noch könne sie etwas. Außerdem bekämpfe sie andere kulturelle Institutionen. Weinmayr hat sich die Mühe gemacht und die Namen von 23 dieser Online-Kommentatoren recherchiert. Resultat: Kein einziger tauche in einem Landshuter Adressbuch auf.

Dasselbe gilt für den Absenders eines Leserbriefs, der unlängst in der Landshuter Zeitung erschienen ist. Ein gewisser Konrad Wolf greift darin mit markigen Worten die aktuelle, von Weinmayr initiierte Ausstellung des Künstlers Robert Schad an. "Armselig" sei die Präsentation, das Skulpturenmuseum gehe "völlig unqualifiziert und kunstschädigend" vor.

Am schlimmsten aber: Weinmayr treffe Fritz Koenig "in demütigender Weise". Fritz Koenig, der Ende Juni seinen 90. Geburtstag feierte, ist Landshuts Vorzeigekünstler von Weltrang. Er ist der Stifter des Skulpturenmuseums, das sich nahezu ausschließlich mit seinen Werken befasst. Seit der Gründung Ende der Neunzigerjahre ist Weinmayr als Leiterin für dieses Haus zuständig.

Dass der Leserbriefschreiber namens Konrad Wolf gar nicht existiert, überraschte Weinmayr wenig. Die Landshuter Zeitung erklärte zwar, sie habe ihre Sorgfaltspflicht erfüllt und den Mann angerufen. Nun sei unter der Handynummer allerdings niemand mehr erreichbar.

Polarisierende Ausstellung

Die polarisierende Ausstellung von Schads Skulpturen in der Landshuter Innenstadt könnte auch Anlass für die jüngste Briefserie sein. Außer der Äbtissin bekamen auch der Landshuter Oberbürgermeister sowie der Rektor der Universität Regensburg ein solches Schreiben. Tenor: Die Herren möchten sich dafür einsetzen, dass Weinmayr endlich ihren Doktortitel bekomme, sonst könne sie sich als Museumsdirektorin bald nicht mehr blicken lassen. Wo sie doch ohnehin das simpelste Thema genehmigt bekommen habe, man wisse schon, warum.

Tatsächlich promoviert Weinmayr derzeit an der Uni Regensburg über den Holzbildhauer Rudolf Wachter. Diese Halbwahrheiten stellten denn auch eine neue Qualität des Mobbings dar, findet die 45-Jährige: "Früher haben Hunderte den gleichen Brief bekommen, jetzt geht es um Maßarbeit." Für die Polizei ist klar, dass es sich um einen Insider handeln muss. Sie ermittelt wegen Verleumdung, Beleidigung, übler Nachrede und Urkundenfälschung.

Eine Kulturszene umfasst ein mitunter spezielles, in Landshut offenbar besonders feindseliges Milieu. Nun ja, sagt Oberbürgermeister Hans Rampf, es gebe durchaus "sehr eigene Persönlichkeiten", aber das könne auch befruchtend sein. Der Schreiber indes sei "kriminell veranlagt". Stefanje Weinmayr, die bei der Stadt beschäftigt ist, leiste gute Arbeit, "wir sind sehr zufrieden mit ihr", sagt Rampf. Niederbayerns Regierungspräsident Heinz Grunwald, der auch schon mit einem Schreiben bedacht worden ist, spricht von einer "unverständlichen Brutalität", mit der die Leiterin des Skulpturenmuseums angegriffen werde.

Jetzt sucht sie bewusst die Öffentlichkeit

Weinmayr hält sich mit Verdächtigungen zurück. Oft genug habe sie sich hinterfragt, woher dieser Hass rühre. Zuerst versuchte sie die Angelegenheit totzuschweigen in der Hoffnung, sie würde sich eines Tages wieder beruhigen. Jetzt sucht sie bewusst die Öffentlichkeit, um sich und ihre Familie zu schützen. Manchmal versucht sie es mit Galgenhumor, sie sagt: "Eigentlich müsste jeder beleidigt sein, der noch keinen Brief bekommen hat." Doch in ihrem Inneren sieht es anders aus.

Bei fremden Anrufern erkundigt sich Weinmayr inzwischen lieber zweimal, um wen es sich handelt. Sie wisse zudem nie, bei wem sie sich gerade wieder entschuldigen müsse. Vor allem leidet sie darunter, dass befreundete Künstler oder Helfer ebenfalls zur Zielscheibe gerieten. Auch ihr Ehemann erhält Briefe mit Anzüglichkeiten über Weinmayrs angeblichen Lebenswandel. Nur vor der zwölfjährigen Tochter mache der Schreiber bislang halt.

Nicht nur einmal habe sie überlegt, alles hinzuschmeißen. Freunde bestärken sie, sich "von so einer Bagage nicht rausbeißen" zu lassen. Einstweilen könne sie alle Empfänger nur bitten, Briefe ohne offizielles Logo des Skulpturenmuseums nicht zu öffnen, sondern zur Polizei zu bringen.

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