Rücktritt von Peter Gauweiler:"Sie wissen schon, wer ich bin?"

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CSU-Mann Peter Gauweiler ist zurückgetreten.

(Foto: Christoph Stache/AFP)

Erst Raufbold, dann Freidenker, immer Selbstinszenierer: Nach vierzig Jahren Politik mag Peter Gauweiler nicht mehr. In der CSU war er mit seinem Verständnis von Politik schon lange isoliert.

Von Sebastian Beck, Peter Fahrenholz und Ralf Scharnitzky

Was soll man von einem Mann wie ihm bloß halten? Das vorläufige Ende des CSU-Politikers Peter Gauweiler erinnert jedenfalls stark an dessen Anfänge: Es war zu Beginn der Siebzigerjahre, als Gauweiler VW-Buggys mietete, ein paar Schulfreundinnen draufpflanzte und mit ihnen durch München tourte. Die Mädels trugen T-Shirts mit seinem Namen, denn Jungspund Gauweiler wollte bekannt werden und in der Politik Karriere machen - was ihm dann auch gelang: 1972 wurde Peter Gauweiler mit gerade einmal 23 Jahren in den Stadtrat gewählt.

Am Dienstag, 31. März 2015, verkündete Gauweiler schließlich seinen Rückzug aus dem Bundestag und dem CSU-Vorstand. Dazwischen liegen mehr als vier Jahrzehnte, in denen er sich am liebsten selbst inszenierte: Nach einer Weihnachtsfeier des Stadtrats war Gauweiler mit Journalisten einmal in den "Alten Simpl" gezogen, wo er bis weit nach der Sperrstunde feierte. Als die Polizei an der Tür klopfte, öffnete Gauweiler: "Sie wissen schon, wer ich bin?", fragte er die Beamten.

Das war in den Achtzigerjahren, und Gauweiler hatte gerade als Kreisverwaltungsreferent in München Karriere gemacht, als "Schwarzer Peter", der Aids-Zwangstests forderte und gegen schlecht eingeschenkte Maßkrüge zu Felde zog. Linke und Liberale erhoben ihn damals zum zweitgrößten Feind - gleich nach CSU-Chef Franz Josef Strauß, was für Gauweiler insofern eine Ehre war, da Strauß für ihn als politischer Fixstern am Himmel leuchtete. Noch unter Strauß stieg Gauweiler 1986 zum Staatssekretär im Innenministerium auf. Auch hier fiel er vor allem durch sein brachiales Verständnis von Politik und Amt auf. Die gefühlte und die tatsächliche Bedeutung passten bei ihm nicht so recht zusammen, wenn er mit Blaulicht auf dem Dienstwagen durch die Gegend fuhr.

Vom rechtskonservativen Raufbold zum mutigen Freidenker

Was aus Gauweiler wohl geworden wäre, wenn sein Mentor Strauß 1988 nicht überraschend gestorben wäre? Vor der Beerdigung von Strauß saß Gauweiler eineinhalb Stunden lang ganz alleine in Reihe fünf der Kirche von Rott am Inn. Am Sarg salutierte er wie ein Soldat vor seinem Vorgesetzten. Der Tod des Vorsitzenden brachte für ihn einen Karriereknick, von dem er sich nie erholen sollte: Der neue bayerische Innenminister Edmund Stoiber degradierte ihn umgehend. Statt für die Polizei und den Kampf gegen Aids war er fortan für die Oberste Baubehörde zuständig und musste sich etwa um die Sanierung maroder Betondecken in Kuhställen kümmern. "Schwere Zeiten für die Kanalratten", höhnten schadenfrohe Parteifreunde damals.

Als Gauweiler Anfang 1994 im Zuge der sogenannten Kanzleiaffäre (in der er viel später rehabilitiert wurde) als Umweltminister zurücktreten musste, nahm seine zweite politische Karriere ihren Anfang: die als Einzelgänger und Außenseiter in der CSU. Er war einer, den man als Redner im Bierzelt gut brauchen konnte, doch in die Parteidisziplin ließ er sich nie mehr einbinden.

Damals begann auch die wundersame Wandlung von Peter Gauweiler, dem rechtskonservativen Raufbold, zu Peter Gauweiler, dem mutigen Freidenker aus Bayern. Jedenfalls stilisierte er sich nun dazu - zu einem, der laut redet, wenn andere kuschen. Brillant, intelligent, mitunter brutal und sentimental, von Einsamkeit umweht - ein bisschen Ernest Hemingway aus Bayern, schließlich ist der Schriftsteller neben Strauß das zweite große Idol Gauweilers. "Es erfordert vielleicht Mut, durch eine Horde von 1000 Rockern zu gehen", hat er einmal gesagt und hinzugefügt: "Aber welchen Mut erfordert es eigentlich, in einem freien Land seine Meinung zu sagen?"

Das Abgeordnetenmandat als Nebenjob

Gauweiler, der Journalisten 1994 noch als "Arschlöcher" beschimpfte, wuchs selbst immer stärker in die Rolle des Publizisten hinein. Die Anerkennung als Intellektueller, die ihm das einbrachte, genoss er sichtlich. Im Landtag und später im Bundestag war er nur selten bei der Arbeit anzutreffen, dafür aber ist die Liste mit Zeitungsartikeln über ihn meterlang - vor allem, seit er 2003 öffentlich gegen den Irakkrieg von Georg W. Bush protestierte und sogar nach Bagdad reiste.

Bei den Linken führte dies in den folgenden Jahren zum Missverständnis, dass aus Gauweiler womöglich einer der ihren geworden sei. Zumal er sich später im Ukrainekonflikt auch noch als Putin-Versteher zu Wort meldete. Gauweiler war immer schon gegen die Währungsunion, und im Zusammenhang mit der Euro-Rettung machte er sich in den vergangenen Jahren vor allem als Kläger vor dem Verfassungsgericht einen Namen. Er erstritt Rechte für das Parlament, das er im Grunde selbst nicht so ganz ernst nahm. Das Abgeordnetenmandat war für Gauweiler ein Nebenjob, der ihm Publicity einbrachte.

Im Hauptberuf verdient er Millionen mit seiner Anwaltskanzlei am Münchner Promenadeplatz. Wenn es dabei um die Interessen seiner Mandaten - und damit auch um seine eigenen - geht, dann tritt der wortgewandte Intellektuelle und Parlierer in den Hintergrund. Dann greift er schon mal zum Hörer, um den Ermittlern zu sagen, wo es langgeht. Dann ist Gauweiler doch wieder ganz ein Mann der Ära Strauß.

In der CSU hat er damit keinen Platz mehr, das hat Gauweiler nun auch selbst eingesehen. Nachdem er sich mit Seehofer Anfang März wegen der Europapolitik im Parteivorstand endgültig überworfen hatte, war zumindest sein Rückzug aus dem CSU-Vorstand vorhersehbar.

Aber Peter Gauweiler wird weiter Politik machen - wie immer auf eigene Rechnung. Und auch weiterhin ganz allein.

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