Rottach-Egern in Oberbayern:Im Tal der Millionäre

Blick auf Rottach-Egern.

Der Tegernsee, die Alpen - so schön ist es in Rottach-Egern. Im Vordergrund: Fährmann Stefan Mayr.

(Foto: Johannes Simon)

"Wir leben hier in einer total heilen Welt": Rottach-Egern am Tegernsee gehört zu den reichsten Gemeinden Deutschlands. Zu Besuch in der Stadt, in der ein russischer Oligarch sich einen Bunker in den Landsitz bauen lässt, in der jeder Bürger im Schnitt 37.535 Euro zum Ausgeben hat und in der ein ehemaliger Papst Mitglied der Gebirgsschützen ist.

Von Heiner Effern

Thomas Nägle hat sein Parkplatzproblem auf kreative Weise gelöst. Um den Audi, den Oldtimer aus Amerika und seine beiden Porsche in der Doppelgarage unterzubringen, hat er eigens Hebebühnen eingebaut. Auf denen kann er zwei seiner Wagen zentimetergenau nach oben fahren, damit die anderen darunter Platz finden. Fährt er das untere Auto heraus, kann er die Hebebühnen für sein Hobby - fürs Schrauben an den Flitzern - nutzen. Eine technisch gelungene Konstruktion, was nicht verwundert. Schließlich ist Nägle Vizepräsident des örtlichen Porsche-Clubs. Er habe auch Anfragen gehabt, ob er nicht Mitglied im Lions- oder im Golfclub werden wolle, sagt er, aber dafür fühle er sich noch zu jung.

Thomas Nägle ist einer, der sein Glück gefunden hat. Vor 15 Jahren kam er aus Bad Kissingen an den Tegernsee, um das Juweliergeschäft seines Onkels in Rottach-Egern zu übernehmen. Es läuft offensichtlich bestens und er fühlt sich heimisch. "Man muss sich einbringen, dann macht es richtig Spaß hier", sagt er. Politisch engagiert er sich bei den Freien Wählern. Und auch im First-Responder-Hilfsverein ist er aktiv, der sich für schnelle Rettung rund um den See einsetzt. "Es gib viele honorige Leute hier. Man weiß, wo man hingehen muss." Er habe Grund, dankbar zu sein. "Schön, wenn man in so einer Region lebt."

Die Landschaft zieht das Kapital an

In einem Ort wie Rottach-Egern, 5600 Einwohner, gelegen am südlichen Ende des Tegernsees. Die Kulisse bilden die Gipfel der bayerischen Voralpen, vor allem der Wallberg. Davor grüne, blühende Wiesen. Das türkise Wasser spiegelt den weiß-blauen Himmel. Der See hat hier an seinem Ende einen Arm offenbar besonders weit ausgestreckt, damit es noch mehr reizvolle Ufergrundstücke gibt. Mehr kann die Natur in diesen Breiten nicht bieten. "Unser Kapital ist unsere Landschaft", sagt Bürgermeister Franz Hafner (Freie Wähler).

Und die Landschaft zieht wiederum das Kapital an. Die Wittelsbacher ließen sich im früheren Kloster am Tegernsee nieder, es folgten viele Künstler wie Ludwig Thoma. Der Himmler-Adjutant Karl Wolff baute sich hier ein Haus. Später hatte in Rottach auch Ministerpräsident Franz Josef Strauß eine Bleibe.

Rottach-Egern: POSKARTENIDYLLE - Impressionen Ortsansicht

"Unser Kapital ist die Landschaft", sagt Rottach-Egerns Bürgermeister Franz Hafner. Sie zieht schließlich die Menschen mit Kapital an.

(Foto: Johannes Simon)

Von ihm könnte wiederum der DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski den Tipp für ein Ruhestands-Domizil bekommen haben. Die Gorbatschows wohnen längst am Tegernsee, Metro-Gründer Otto Beisheim lebte bis zu seinem Tod hier. Und gerade soll sich der Oligarch Alisher Usmanow einrichten, heißt es im Ort.

Ein Bunker für den Reichsten aller Russen

Zwei Radlader stehen noch im Garten des Seegrundstücks, das er gekauft haben soll. Schließlich ist die Terrasse noch nicht fertig aufgeschüttet. Das Haupthaus haben Handwerker schon in einen angemessenen Zustand gebracht. Nach Informationen von Lokalreportern soll auch der gewünschte Bunker bereits fertiggestellt sein. Im Ort munkelt man, das Anwesen samt Bootshaus habe zehn Millionen Euro gekostet, der Umbau nicht viel weniger. Usmanow, laut Wirtschaftsmagazin Forbes mit einem Vermögen von 17,6 Milliarden Dollar der Reichste aller Russen, könnte also bald einziehen in sein neues Haus am Tegernsee.

Weil das schon seit vielen Jahrzehnten so läuft, gehört Rottach-Egern zu den reichsten Kommunen Deutschlands. Der Ort belegt bundesweit Platz 14 im Vergleich der Kaufkraft pro Einwohner, fand das Marktforschungsunternehmen GfK heraus. 37.535 Euro pro Jahr hat demnach jeder Bürger im Schnitt zum Ausgeben zur Verfügung. Die Gemeinde selbst steht auch gut da. Das Landesamt für Statistik errechnete für das Jahr 2011, dass auf jedem Rottacher nur 104 Euro Schulden lasteten. Der Schnitt im Freistaat betrug 930 Euro.

3390 Euro Miete für eine Vier-Zimmer-Wohnung

"Uns geht es relativ gut", ist dann auch der erste Satz, der Bürgermeister Hafner zu seiner Heimat einfällt. Ein Alteingesessener, der in der Lederhose im Rathaus sitzt und relativ stark untertreibt. Kürzlich hat die Gemeinde ihr Kongresszentrum für sechs Millionen Euro saniert, jetzt ist die Turnhalle dran. "Es gibt aber nichts Schönes, wo nichts Schlechtes dabei ist", sagt der Bürgermeister. "Wenn junge Leute sich selbst was schaffen wollen, ist das ein großes Problem bei uns."

Rottach-Egern: POSKARTENIDYLLE - Impressionen Ortsansicht

Verziert, verschnörkelt, vergoldet: Der Wohlstand will demonstriert werden. Und das nicht immer subtil.

(Foto: Johannes Simon)

Der Maßstab muss nicht die Vier-Zimmer-Wohnung sein, die ein Makler für 3390 Euro Miete im Angebot hat. Kalt. Um das Ortsbild zu erhalten, werden keine neuen Bauflächen ausgewiesen. Das treibt die Preise auch abseits des Sees in die Höhe.

Die sich Rottach-Egern leisten können und wollen, sehen die Gemeinde dann auch in der Pflicht. "Die Ansprüche sind schon sehr hoch", sagt der Bürgermeister. Die Ortsstraßen seien zum Beispiel ein Thema, die müssten eine nach der anderen saniert werden, weil sie in das Alter dafür kämen. Keine Flickschusterei soll das werden, die nur fünf Jahre hält, sondern gründliche Arbeit. "Ich habe neulich im Spaß gesagt: Ihr braucht eure SUV nicht mehr auspacken, die Straße ist fertig."

Benedikt XVI. ist Mitglied bei den Gebirgsschützen

Dass nun zu viele noble Limousinen mit Russen am Steuer durch den Ort rollen werden, fürchtet er trotz des Geraunes nicht. Die "fallen bei uns überhaupt nicht auf, die wollen das auch gar nicht. Die wollen genießen, was wir haben, die Berge, den See". Und natürlich die Boutiquen in der Seestraße. Ein Trachten-Outfit für 2500 Euro - kein Problem. Ein Geschmeide für die Frau - Preise nach oben offen.

Rottach-Egern habe Läden wie eine 100.000 Einwohner-Stadt, sagt der Bürgermeister. Jedem deutschen Automanager mit Sinnkrise sei eine Stunde in einem Café an der Seestraße empfohlen. Beim Anblick der vorbeifahrenden hochklassigen Modelle spürt er gleich, dass er nicht nur für den Export nach China schuftet, sondern seine Marke noch eine Heimat hat.

"Wir leben im Paradies"

Würde er dann vom Ortszentrum aus in Richtung Sutten fahren, dem Einstieg ins nahe Skigebiet Spitzingsee, stieße er mitten in der Natur auf drei Vereinsheime, wobei der Ausdruck Vereinsheim vielleicht irreführend ist. Da liegen nicht irgendwelche Schuppen oder schmucklose Gebäude mit dem Schild eines Privat-Fernsehsenders außen dran, sondern stilechte Eigenheime, in denen ein kleiner Bauernhof samt Stall Platz hätte. Das erste gehört dem Skiclub, das zweite den Trachtlern und das dritte den Gebirgsschützen.

Hauptmann Florian Baier ist zu Wochenbeginn noch am Aufräumen, am vergangenen Sonntag veranstalteten seine Schützen eines dieser berühmten Waldfeste im Tegernseer Tal. Die 2500 bis 3000 Besucher brachte man quasi im Vorgarten und auf dem eigenen Parkplatz unter. Trotz aller Neubürger, sagt er, sei das Brauchtum bestens in Schuss in Rottach-Egern.

"Die Vereinszugehörigkeit bei uns ist sehr stark." Dort treffen auch alle Schichten aufeinander. "Bei uns mischt sich alles." Zu sehen ist das am Vereinsheim: Ein Schild würdigt als Spender Otto Beisheim und seine Frau. Doch zu dem Zuschuss mussten auch die Schützen noch was beitragen: 3000 Arbeitsstunden leisteten die Maurer, Schreiner oder Elektriker der Kompanie. Im Saal hängen die Schützenscheiben, nur dass in Rottach-Egern darauf Vereinsmitglieder wie der frühere Papst Benedikt XVI. und Milliardär Beisheim abgebildet sind.

Rottach-Egern: POSKARTENIDYLLE - Impressionen Ortsansicht

Der Wohlstand der Rottach-Egerner spiegelt sich - unter anderem - auch auf der Straße wider: ein Luxus-Oldtimer vorm Hotel Überfahrt.

(Foto: Johannes Simon)

Hauptmann Baier, im Zivilleben Chef einer Gärtnerei, findet, dass der Ort vom Zuzug vermögender Neubürger profitiert. "Gott sei Dank, dass auch die reichen Menschen da sind. Wir bewegen uns alle auf einem hohen Level." Die Leute würden hier gut verdienen, aber das Leben sei auch teuer. Die Basis von allem sei die Landschaft, sagt auch er. "Wenn es bei uns nicht so schön wäre, würden nicht so viele kommen." Das gilt auch für die Touristen, von denen der Ort unter anderem lebt.

Das "Bachmair am See" war lange Jahre die erste Adresse mit seinem legendären Nachtclub. Frank Sinatra und Tina Turner, Udo Jürgens und die Fußballer des FC Bayern haben hier gefeiert. Geblieben ist die phantastische Lage am See. Längst ist die Überfahrt das erste Hotel im Ort, was Sterne und Küche angeht. Hier steigen die Kunden ab, die bei den sieben Juwelieren in Rottach-Egern so viel Geld lassen, dass sie alle existieren können, wie Thomas Nägle sagt: "Wir leben hier in einer total heilen Welt. Wir leben im Paradies."

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