Rottach-Egern:Die vielleicht exklusivsten Christbaumkugeln der Welt

Rottach-Egern: Christbaumkugelschnitzer Martin Goldhofer

Niemand außer Martin Goldhofer fertigt solche Christbaumkugeln an.

(Foto: Johannes Simon)

Sie sind innen hohl, damit sie nicht zu schwer für die Äste des Christbaums sind. Aber auch nicht zerbrechen, wenn sie mal am Boden landen.

Von Ralf Scharnitzky, Rottach-Egern

"Magst zuschaun? Da geh' her", sagt Martin Goldhofer in gepflegtem Bairisch, das auch seine Hausgäste etwa aus Nordrhein-Westfalen verstehen. Dann setzt er das Vollvisier auf, wirft die Drechselmaschine an, fräst ein Loch durch die etwas mehr als ein Tennisball große Holzkugel. Das geht schnell, ist auch relativ einfach. Danach wird's kniffliger: Mit vom ihm hergestellten Werkzeugen höhlt der 54-Jährige das mit hoher Geschwindigkeit rotierende Werkstück aus.

Schwierig, aber noch nicht einzigartig. Noch keine Christbaumkugel, die auch in Kapstadt und in Norwegen ihre Käufer findet. Das passiert erst später. Nämlich dann, wenn der gelernte Zimmermann und Gästehausbesitzer im oberbayerischen Rottach-Egern den Hohlkörper aus der Drehbank spannt und zum Schnitzwerkzeug greift. Als Einziger auf der Welt fertigt Goldhofer durchbrochene hohle Holzkugeln. Das ganze Jahr über: "Bei mir ist jeden Tag Weihnachten", sagt er lachend. Die neue Weihnachtszeit beginnt für ihn, wenn die alte noch nicht vorbei ist: am 25. Dezember.

Pumuckl würde sich in der Werkstatt wohlfühlen

Es ist vor allem der Geruch nach Zirbelholz, der in der kleinen Werkstatt ("Ich mach' ja nur kleine Sachen") hinter dem großen ehemaligen Bauernhaus im Ortsteil Hagrain für wohlige Atmosphäre sorgt. Oberhalb des Tegernsees, Blick auf Wallberg, Hirschberg und den Leonhardstein.

In den beiden kleinen Räumen herrscht geordnetes Chaos aus Holzscheiten, Hunderten Werkzeugen, Maschinen und fertigem Christbaumschmuck. Pumuckl würde sich hier sicher wohlfühlen. Und die Kugeln könnten auch nicht zerbrechen; so wie es dem kleinen Kobold im Dezember 1967 mit den im Speicher gefundenen Glaskugeln in der Hinterhofschreinerei von Meister Eder in München passiert ist.

Meister Goldhofer schafft es nämlich, die Wände seiner Kunstwerke so millimetergenau auszuhöhlen, dass sie nicht zu schwer für die Äste des Christbaums sind, aber auch nicht zerbrechen, wenn sie mal am Boden landen. Na ja, in den meisten Fällen schafft er es, gibt er zu: "Es kimmt scho auch auf die Tagesform an."

Rottach-Egern: Christbaumkugelschnitzer Martin Goldhofer

Es kommt auf die Tagesform an. Manchmal bohrt Goldhofer zu tief.

(Foto: Johannes Simon)

30 verschiedene Produkte

Manchmal führt er das selbst entworfene Drechseleisen zu tief ins Holz, die Schale bricht: "Dann weiß ich: Des werd heut nix." Werkelt er halt an einem seiner anderen rund 30 verschiedenen Produkte wie Sterne, Schneemänner, Tiere, Ostereier, Teller und Lampen. Oder er setzt sich in den Garten und schnitzt nicht nur Muster, sondern auch - laienhaft ausgedrückt - Öffnungen (Kreise, Drei- und Vierecke) in die Hohlkugeln: "Des hat vor mir noch koaner gmacht." Und jetzt darf es kein anderer so einfach nachmachen: "Auf diese Technik hab ich Geschmacksmuster-Schutz."

Diese durchbrochenen, geschnitzten und zum Teil spiralförmig gedrehten Kugeln sind Goldhofers Markenzeichen. Normale Kugeln bekommen ein offenes Muster, größere werden zudem im Innern mit kleinen Figuren bestückt. Die kauft Goldhofer in Südtirol ein - und gibt sie zum Selbstkostenpreis an die Kunden weiter. Etwa 600 Christbaumkugeln schafft er pro Jahr. Jede ist ein Unikat, hat ein eigenes Gesicht.

Es wäre langweilig, immer die gleichen Muster zu machen: "Ich will mich selber fordern." Jede Kugel bekommt zum Schluss oben einen Deckel, viele zudem unten eine Spindel - eingeschraubt in die beim ersten Arbeitsschritt entstandenen Löcher. Am liebsten nimmt er die Zirbelkiefer, die er ebenfalls aus Südtirol bezieht. Deren weiches Holz lässt sich besonders gut bearbeiten.

Wenn das Holz vier bis sechs Jahre ruht, ist es ideal

Rottach-Egern: Christbaumkugelschnitzer Martin Goldhofer

Größere Kugeln werden im Innern mit kleinen Figuren bestückt, die Goldhofer in Südtirol einkauft.

(Foto: Johannes Simon)

Aber auch heimische Hölzer von Waldbauern aus dem Tegernseer Tal lagern in einem Schuppen und gut abgedeckt auf der Wiese neben der Werkstatt. Alle mit Bleistift beschriftet: "Ich weiß dann immer, wann der Baum geschlagen wurde und wie lange das Holz schon liegt." Vier bis sechs Jahre Ruhezeit sind ideal.

Kunden des Schnitzers vom Tegernsee wissen zwar nicht, wie alt das Holz für ihre Kugel ist, aber: Goldhofers Frau Martina verewigt in kleinster Schrift Datum und Wetter des Herstellungstages - entweder auf einer kleinen Urkunde, die im Hohlraum liegt, oder direkt auf dem Boden der Kugel. Da steht dann zum Beispiel: "5. November 2015" und "heiter, 16 Grad". Die 49-Jährige ist auch zuständig für das Verpacken und Versenden der Kugeln. Und für die Kleinarbeiten; wie die Aufhängung oder die Verzierung mit rot oder blau karierten Bändchen: "Das ist mir zu fitzelig", erzählt Goldhofer schmunzelnd.

Die Idee brachte der Onkel

Seine Leidenschaft entfacht hat ein in Bad Tölz gebürtiger und in die USA ausgewanderter Drechsler: sein Onkel. Der schickte ihm vor Jahrzehnten eine Holzkugel aus Amerika. Aus Spaß an der Freude schnitzte Goldhofer damals Ornamente in die massive Kugel. Es folgte eine zweite, eine dritte - und bald auch eine Drechselbank.

Auf die Idee mit der hohlen Kugel brachte ihn ein Besuch einer Osterei-Ausstellung. Die besten Ideen für die Muster an seinen kleinen Kunstwerken, die zwischen 15 und 320 Euro kosten, bekommt der drahtige Vater zweier erwachsener Töchter - und seit Kurzem Großvater - beim Mountain-Biken. Der Schwiegersohn, gelernter Schreiner, soll die kleine Werkstatt mal übernehmen.

Dass Goldhofer beim Schnitzen oft im Garten sitzt, hat einen guten Grund: So kann er seine Gäste empfangen. Im Hauptberuf führen Martin und Martina zusammen das von seinen Eltern übernommene Gästehaus "Zum Bockweber" mit neun Zimmern und zwei Ferienwohnungen. Die Landwirtschaft haben sie 2000 aufgegeben, die Felder an andere Bauern verpachtet. "Am Vormittag macht meine Frau die Zimmer und ich kümmere mich um das Frühstück."

Nur ein Hobby

So ab 14 Uhr geht's für ihn in die Werkstatt. Dann aber gern bis 22 Uhr. "Ich brauche das Schnitzen. Das ist für mich ein Ausgleich." Auch wenn die Christbaumkugel-Produktion mit den Jahren ein kleines zweites Standbein geworden ist, ist sie weiterhin eigentlich eher ein Hobby: "Gott sei dank muss ich nichts verkaufen." Der Pensionsbetrieb läuft gut, die Quartiere sind fast übers ganze Jahr bestens ausgebucht - viele Stammgäste.

Von Anfang November an werden die in den Monaten zuvor gefertigten Teile zu den Kunstwerken zusammengefügt. Bestellte Ware wird in alle Welt verschickt und das Sortiment für die Weihnachtsmärkte hergerichtet. Heuer ist es besonders eng mit der Zeit, kommen sich die beiden Jobs des Martin Goldhofer doch ein bisschen in die Quere.

Deshalb geht's diesmal nur noch an diesem Wochenende mit einem Stand auf den Adventsmarkt in Rottach-Egern - Samstag und Sonntag jeweils von 14 bis 19 Uhr. Danach müssen zwei Bäder im vom Hausherren selbst mit viel Holz gestalteten und ausgebauten Gästetrakt hergerichtet werden. Denn am 25. Dezember, wenn die Wintergäste kommen, heißt es für den Drechsler und Schnitzer Goldhofer ja wieder: Die neue Weihnachtszeit kann kommen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: