Rocker vor Gericht:Nach dem Mord die Show

Prozess wegen gemeinschaftlichen Mordes: Der Angeklagte Bestrim B. (M.) begrüßt im Landgericht Memmingen den mitangeklagten Blerim B. (l., sitzend).

Prozess wegen gemeinschaftlichen Mordes: Der Angeklagte Bestrim B. (M.) begrüßt im Landgericht Memmingen den mitangeklagten Blerim B. (l., sitzend). Dahinter steht der Mitangeklagte Asmon G.

(Foto: dpa)

Sie haben einen Mann niedergeschossen und einen zweiten getötet: Drei Mitglieder eines Motorradklubs aus Neu-Ulm sind wegen Mordes angeklagt - doch zum Prozessauftakt feixen sie nur herum. Die Eltern des Opfers sind entsetzt.

Von Stefan Mayr

Die Stimmung ist prächtig auf den zwei Anklagebänken. Die sechs Verteidiger scherzen und feixen, die drei Angeklagten lachen munter mit. Ganz so, als wären sie am Montag ins Landgericht Memmingen gekommen, um gemeinsam ein paar Bierchen zu trinken - und nicht, um sich einer Anklage wegen gemeinschaftlichen Mordes zu erwehren.

Am Abend des 16. Dezember 2012 sollen sich die drei Mitglieder der Rockerbande "Rock Machine" in Neu-Ulm zu einer "Aussprache" mit drei anderen Männern aus dem Rotlichtmilieu getroffen haben. Dabei ging es offenbar um einen Machtkampf in der Türsteherszene. Zuerst flogen die Fäuste, dann drei Kugeln. Einem Mann mussten per Notoperation zwei Projektile aus dem Oberkörper entfernt werden. Er überlebte. Das andere Opfer starb an inneren Blutungen.

Die Angeklagten sind 21, 22 und 27 Jahre alt. Sie müssen lebenslange Haftstrafen befürchten. Doch ihnen scheint die Tragweite der Vorwürfe nicht bewusst zu sein - oder sie sind sich ihrer Sache sehr sicher. Jedenfalls lächeln sie während der Verhandlung immer wieder, einer schickt munter Blinzel-Grüße an Frauen im Zuschauerraum. Auch während des Blitzlichtgewitters der Pressefotografen strahlen sie um die Wette. Sie scheinen die Aufmerksamkeit zu genießen und machen keine Anstalten, ihr Gesicht zu verbergen.

Ihre Oberarme sind muskulös, unter den engen Hemden zeichnen sich mächtige Brustkörbe ab. Die Brüder Blerim, 27, und Bestrim B., 21, tragen akkurat gestutzte Bärte und lange Haare, die sie am Hinterkopf zusammengebunden haben. Sollten sie so etwas wie Anspannung oder gar Reue verspüren, dann können sie dies perfekt verbergen. Das gilt auch für Asmon G., 22, der die tödlichen Schüsse abgegeben haben soll.

Das Trio hatte sich in der Todesnacht kurz vor 21 Uhr in der Neu-Ulmer Industriestraße mit Murat C. getroffen, dem Betreiber des "Erotik-Park" in Neu-Ulm und der Diskothek "Myer's" in Ulm. Murat C. hatte zwei Begleiter dabei. Drei Mann gegen drei Mann. Sie beleidigten und schlugen einander. Dann zog Asmon G. seine Pistole FN Browning, Modell 1922, und schoss aus nächster Nähe auf seine Gegner. Das erste Opfer, Eduard W., traf er in den Bauch. Für den Chef einer Sicherheitsfirma kam jede Hilfe zu spät. Dann schoss G. zweimal auf Alexander S. Er erlitt einen Lungendurchschuss, konnte aber gerettet werden.

Die Eltern des Getöteten sitzen als Nebenkläger im Sitzungssaal VI und beobachten das Geschehen sichtlich erschüttert. Der mutmaßliche Todesschütze Asmon G. wird in Handschellen unmittelbar an ihnen vorbeigeführt. Er lächelt. Kaum sitzt er zwischen seinen Anwälten, reißt er Witze. Ein Anwalt kläfft irgendwas von "Scheiße 04", die Herren tauschen sich über die Fußball-Ergebnisse vom Wochenende aus. Die Mutter des erschossenen Mannes wendet sich mit Tränen in den Augen ab.

Anwälte kritisieren "massive Verletzung" ihrer Rechte

War die Todesnacht der Höhepunkt eines Rockerkrieges, der im Großraum Ulm/Neu-Ulm tobt? Die Polizei bestätigt dies nicht. Andererseits läuft der Prozess unter massiven Sicherheitsvorkehrungen: Vor dem Gericht parken fünf Kleinbusse der Polizei. Mindestens 30 Mann des Unterstützungskommandos aus Dachau sichern in dunkelblauen Overalls das Gebäude ab.

Die Verhandlung beginnt mit einem Befangenheitsantrag der Verteidiger gegen die Vorsitzende Richterin. Sie soll zunächst die Beistellung eines zweiten Pflichtverteidigers abgelehnt haben - und zwei Wochen vor Prozessbeginn doch noch bestätigt haben. Damit habe sie verhindert, dass sich der zweite Anwalt in die mehr als 10.000 Seiten der Ermittlungsakte einlesen konnte. "Das ist eine massive Verletzung der Verteidigerrechte", kritisiert Anwalt Heiko Weber. Der Antrag wird abgelehnt.

Danach beantragen zwei Verteidiger die Aussetzung der Verhandlung - weil sie mehr als 3600 Aktenseiten erst zwei Wochen vor Prozessbeginn erhalten hatten und sich deshalb nicht hinreichend vorbereiten konnten. So endet der erste Prozesstag ohne Verlesung der Anklageschrift. Das Verfahren wird am kommenden Montag fortgesetzt. Das Urteil fällt wohl erst im Jahr 2014.

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