Riesending-Höhle:Verletzter Forscher ist transportfähig

Man Lies Injured 1,000 Meters Underground

Ein Helfer seilt sich in die Riesending-Höhle ab.

(Foto: Getty Images)

Gute Nachrichten vom Untersberg: Forscher Johann W. ist transportfähig. Zwei Ärzte und fünf Höhlenretter kümmern sich inzwischen in 1000 Metern Tiefe um ihn. Bis ausreichend Medizin bei dem Verletzten ankommt, kann es aber noch dauern.

Von Sarah Kanning, Berchtesgaden

Der verletzte Höhlenforscher Johann W. ist transportfähig, wie Stefan Schneider, stellvertretender Chef der Bergwacht Bayern, am Donnerstag mitteilte. Momentan liegt der 52-Jährige mit einem Schädel-Hirn-Trauma in einer geräumigen Höhle bei Biwak V, zwei Ärzte und fünf Höhlenretter kümmern sich um ihn.

Die Vorbereitungen, ihn aus seiner Höhle in 1000 Metern Tiefe an die Oberfläche zu schaffen, sind angelaufen. Bei einer Pressekonferenz am Nachmittag erklärte Schneider, man bringe nun eine Trage und eine Nackenstütze nach unten. Auch Medikamente fehlten dort noch.

Damit könnte das Drama in den Berchtesgadener Alpen eventuell schneller zu einem Ende kommen als bisher angenommen. Die Helfer auf dem Plateau des Untersbergs waren völlig baff, als sie am Mittwochabend um 17:25 Uhr eine Textnachricht über Langwellenfunk erreichte, mit der sie erst gegen Mitternacht gerechnet hatten: "Team Italien und Arzt Österreich beim Patienten".

Seit Mittwochabend kommt also Bewegung in das zähe Rettungsmanöver für den Höhlenforscher aus Kornwestheim in Baden-Württemberg, der vor vier Tagen bei einem Steinschlag in der Riesending-Schachthöhle schwer verletzt worden ist und sich nicht mehr selbst befreien kann.

Inzwischen ist auch ein italienischer Arzt bei Johann W. eingetroffen. Er hatte während des extrem anspruchsvollen Abstiegs eine Pause einlegen müssen. Noch in der Nacht hatte Johann W. Medikamente bekommen, heißt es von der Bergwacht. Weitere sind unterwegs zu ihm, insgesamt sechs Teams steigen seit dem Vormittag nacheinander in die Höhle ab.

Auf diese Medikamente, die mit dem ersten Trupp unterwegs sind, werden der österreichische und der italienische Arzt warten müssen, um Johann W. für den heiklen Transport vorzubereiten: "Transportfähig heißt ja nicht, dass der Mann jetzt aufsteht und losläuft", sagte Schneider. Den längsten Weg könne er wohl in einer Trage transportiert werden, manchmal werde er aber vielleicht ein paar Schritte gehen können.

"Zeit spielt jetzt eine untergeordnete Rolle"

Bis die Medizin bei ihm ankommt, kann es noch einige Stunden dauern, doch die Bergwacht hat es jetzt nicht mehr eilig: "Zeit spielt jetzt eine untergeordnete Rolle", sagt Schneider. "Wir haben in den letzten Tagen viel vorgearbeitet, die Höhle sicherer und besser betretbar gemacht - das kommt uns jetzt zugute."

Auf dem Untersbergplateau wimmele es inzwischen von Menschen, berichtet Schneider. Mit Helikoptern werden Retter, Medikamente und Material auf den Berg transportiert. Flächen wurden dafür freigeschafft, doch nicht alle Hubschrauber können dort gleichermaßen gut landen. Auf einem Platz würden Steinchen hochfliegen, wenn sich der Hubschrauber dem Boden nähere - das kann die Helfer verletzen. Der andere liegt so weit entfernt, dass die Helfer schon auf dem Weg zum Einstieg der Höhle Kraft verlieren. "Das wollen wir natürlich in jedem Fall vermeiden", sagt Schneider, der am Donnerstag sichtlich erleichtert wirkte.

Immerhin sind Gewitter und starke Regenfälle bislang in Berchtesgaden und am Untersberg ausgeblieben. "Nur ein bisschen getröpfelt hat es oben." Johann W. liegt in der Höhle bei Biwak V sicher und trocken.

Die Riesending-Schachthöhle am Untersberg ist extrem anspruchsvoll, nach dem Einstieg müssen sich Kletterer einige Hundert Meter weit in gewaltigen Schächten abseilen. Sie müssen durch Engstellen robben, sich vor Canyons und Wasserfällen schützen. Eisige Winde und Temperaturen zwischen einem und drei Grad machen ihnen zu schaffen, Gischt spritzt, Nebel steigen auf, der Boden ist rutschig und uneben. Mit 1148 Metern ist sie nicht nur die tiefste Höhle Deutschlands, sondern mit 19,2 Kilometern auch die längste. Der Schwierigkeitsgrad wurde mit der Besteigung eines Achttausenders verglichen.

Riesending-Höhle: Die Riesending-Schachthöhle ist die tiefste Höhle Deutschlands. Der Verletzte liegt in etwa 1000 Metern Tiefe.

Die Riesending-Schachthöhle ist die tiefste Höhle Deutschlands. Der Verletzte liegt in etwa 1000 Metern Tiefe.

Stefan Schneider dämpft deshalb die Erwartungen, dass die Helfer nun deutlich schneller vorankommen als noch zum Anfang der Woche: "Bleiben wir beim Bild des Himalayas: Auch wenn die Sherpas da Leitern anbringen und Treppen in den Fels hauen - es bleibt eine psychisch und physisch extrem anstrengende Exkursion." Schneider rechnet damit, dass die Rettungsaktion noch Tage dauern wird.

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