Restaurant "Alt München" in Togo:Bayerische Spezlwirtschaft

Das Restaurant "Alt München" in der Hauptstadt Togos bietet seinen Gästen Eisbein auf Kraut - und erinnert noch heute an die Zeiten, in denen Franz Josef Strauß auf Afrika-Reisen ging.

Anna Mayumi Kerber

Seit den Zeiten des Großwildjägers Franz Josef Strauß, der ein Faible für die einstige deutsche Kolonie hatte, gibt es eine besondere Beziehung zwischen Togo und Bayern. Das Alt München in der Hauptstadt Lomé zeugt noch immer von dieser Verbundenheit. Mehr als alte Jagdfreundschaften zählt heute allerdings die Größe des Fleischbergs auf dem Teller, wie der Besucher rasch feststellt.

Restaurant "Alt München" in Togo: Rechts im Bild: Marc Mülfarth am Tresen des "Alt München"

Rechts im Bild: Marc Mülfarth am Tresen des "Alt München"

(Foto: oh)

Das hausgemachte Sauerkraut kommt garniert mit saftiger Schweinshaxe, deftigem Kassler und würziger Wurstvariation. Dazu frischgezapftes Bier im Maßkrug. Schnell vergisst man die schwüle Hitze, die salzige Luft, das Rauschen des Atlantiks, die aggressiven Malariamücken, die in Scharen unter den Palmen surren, das Verkehrschaos auf dem aufgerissenen Boulevard vor der Ausfahrt des Restaurants. All das lässt man schlagartig hinter sich, wenn man die Wirtsstube betritt.

Eine bajuwarische Insel in Afrika - das Alt München in der togoischen Hauptstadt Lomé ist eine Institution. Ihr Bestehen verdankt sie dem ehemaligen Diktator des Landes ebenso wie dem berühmten bayerischen Metzgerssohn, der so gerne deftig aß. Seit 35 Jahren vergnügt sich hier die Elite des Landes zu Preisen, die so deutsch sind wie die Speisen. Leisten können sich diese neben NGO-Mitarbeitern und ausländischen Wirtschaftsvertretern nur die erfolgreichen Geschäftsleute und Ministerialbeamte des Landes.

"Sie schätzen die heimelige Atmosphäre hier", sagt Marc Mülfarth und blickt durch den Raum. Dunkles Holz, gedämpftes Licht, beige Gardinen mit Rosen so rot wie die Tischlätzchen. Vor drei Jahren hat der Junggeselle das Lokal von seinem Vater übernommen. Er ist neu im Alt München. Doch er weiß, dass die afrikanischen Gäste besonders die rustikalen Eckbänke schätzen.

"So etwas gibt es hier sonst nicht." Tatsächlich sind die meisten Lokale in Togo nicht mehr als windschiefe Holzschuppen mit ein paar Tischen und Plastiksesseln. Oder mobile Freiluftstände, an denen Reis, Brei aus Maismehl und gegrillte Fleischspieße verkauft werden. Dazu gibt es Wasser aus Plastikkübeln, das der europäische Magen schlecht verträgt.

Im Alt München geht es gediegener zu. Kellner in weißen Hemden, Gilet und mit Masche reichen feine Fischgerichte und deutsche Spezialitäten. Einer von ihnen ist Robert, Kellner seit der ersten Stunde. "Eigentlich ist es hier noch genauso wie damals", erinnert sich der kleine Togoer an jene Tage, in denen er Franz Josef Strauß hier bediente. Dem bayerischen Ministerpräsidenten und seinen Spezis verdankt das Restaurant seine Existenz. Strauß pflegte eine umstrittene Freundschaft mit dem Diktator Gnassingbé Eyadéma.

Von Rosenheim nach Togo

In den siebziger Jahren brachte Strauß einen Freund nach Togo mit, den Rosenheimer Fleischermillionär Josef März. Mit tatkräftiger Hilfe des CSU-Politikers expandierte März seine Fleischfabrikkette Marox in den westafrikanischen Staat. Noch heute stehen die Marox-Metzgerei und der Marox-Grill im Zentrum von Lomé. Im Marox-Supermarkt daneben liegen Weißwürste und Schweinshaxen in der Vitrine.

Restaurant "Alt München" in Togo: Bayerische Küche zu deutschen Preisen: Im "Alt München" kann sich der Durschschnittsbewohner Togos kein Eisbein auf Sauerkraut leisten.

Bayerische Küche zu deutschen Preisen: Im "Alt München" kann sich der Durschschnittsbewohner Togos kein Eisbein auf Sauerkraut leisten.

(Foto: oh)

Das Fleisch stammt von einer Rinder- und Schweinefarm im Norden des Landes vom selben Unternehmen. Einverleibt vom März-Konzern, gelangte auch das Bier der Ersten Kulmbacher Brauerei nach Togo. Als Sahnehäubchen bekam Lomé noch das Alt München an seinen Stadtrand gestellt.

Heute wie in alten Tagen bezieht das Restaurant seine Produkte aus den Ablegern des Rosenheimer Multis: Schweinshaxe, Sauerbraten, Brat- und Wienerwürste kommen von Marox. Aus dem Zapfhahn schäumt EKU. Dabei ist das März-Imperium gar keines mehr, und der neue Restaurantbesitzer hat mit Bayern wenig am Hut.

An seinen einzigen Deutschlandbesuch kann sich Marc Mülfarth nicht mehr erinnern. Er wurde in Kamerun als Sohn einer Französin und eines Deutschen geboren. Sein Vater Heinz, ein angeblich tüchtiger Geschäftsmann mit jahrzehntelanger Afrika-Erfahrung, pflegte gute Beziehungen zur deutschen Gesellschaft in Togo. Anfang der Neunziger übernahm er das März-Imperium, dessen Ende er mit dem Verkauf der EKU-Brauerei einläutete.

Sohn Marc hatte weder einen besonderen Hang zu Togo noch zum Unternehmertum. Er hatte ein Veterinärmedizinstudium in Belgien begonnen, eine Konditorlehre in Paris absolviert. Bis er von seinem kranken Vater vor drei Jahren nach Togo berufen wurde, die Geschäfte zu übernehmen. Es gefiel ihm bei den "sympathischen und unkomplizierten Togoern", also blieb er. Die ungeliebten Marox-Ableger verkaufte er nach dem Tod seines Vaters 2009.

Die Farm werfe nicht viel ab, "es ist hier nicht so wie in Europa, wo Bauern endlos Förderungen erhalten", begründet der 36-Jährige seine Entscheidung. Einzig am Alt München hält er bis heute fest. Sein Halbbruder, halb Deutscher, halb Filipino, führt das Lokal mit ihm gemeinsam. Deutsche Speisen also unter multikultureller Führung. Eisbein sei besonders beliebt. "Die Afrikaner stehen auf Fleisch", sagt Mülfarth lächelnd.

Stromausfall zum Mittagessen

Plötzlich wird es dunkel im Restaurant Alt München. Klirren von Besteck verrät, dass die Gäste unbeirrt weiteressen. Stromausfälle sind normal. Es dauert nicht lange, bis das Licht wieder angeht und die Klimaanlage weitersurrt - der Chef hat den Generator wieder angeworfen.

Mülfarth ist zu jung, um Franz Josef Strauß oder seinem Freund Eyadéma begegnet zu sein. Der Diktator sei hier ohnehin niemals abgestiegen. "Aus Sicherheitsgründen", erzählen jene Kellner, die schon seit Jahrzehnten im Alt München arbeiten.

Gut vorstellbar bei einem Mann, der sich damit rühmte, den ersten Präsidenten Togos ermordet zu haben, sich kurz darauf an die Macht putschte und 38 Jahre lang an einem Gewaltregime festhielt, dessen Kritiker ihr Leben riskierten und vor dem Hunderttausende aus dem Land flohen. Sein Sohn Faure Gnassingbé sei dagegen regelmäßig zu Gast im Restaurant gewesen. Bis er sich nach dem Tod Eyadémas vor fünf Jahren an die Macht putschte. Jetzt könne auch er nicht mehr kommen.

Politik interessiere ihn aber nicht, sagt Mülfarth. Das Angeln sei ihm wichtiger als die Frage, wie viele Minister in seinem Lokal absteigen. Doch einmal habe die Politik ihm das Geschäft miesgemacht, und zwar nach der Präsidentschaftswahl im März 2010. Die Menschen seien vorsichtig gewesen, seien besonders abends zu Hause geblieben. Als Faure Gnassingbé sich vor fünf Jahren das erste Mal ins Amt wählen ließ, kostete dies Hunderte Skeptiker das Leben, Tausende flüchteten aus dem Land.

In diesem Jahr blieb es ruhig in Lomé, nur zaghafte Proteste folgten nach der Wahl. Faures Leute nahmen bald die Regierungsgeschäfte wieder auf, und der Betrieb im Alt München kam ohne Zwischenfälle wieder in Schwung. Kein Wunder, meint Mülfarth. Er habe hier schließlich ein unschlagbares Verkaufsargument: "die schön großen, deutschen Portionen".

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