Relikt aus der Nazi-Zeit:Haus der Geschichte

Ort der Erinnerung: Das sogenannte Badehaus in Waldram. Während der Nazizeit wurden hier Zwangsarbeiter inhaftiert.

Ort der Erinnerung: Das sogenannte Badehaus in Waldram. Während der Nazizeit wurden hier Zwangsarbeiter inhaftiert.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Im Lager Föhrenwald bei Wolfratshausen lebten Zwangsarbeiter, jüdische Displaced Persons und sudetendeutsche Heimatvertriebene. Heute heißt der Ort Waldram. Ein Verein möchte im letzten original erhaltenen Gebäude eine Dokumentationsstätte einrichten - ehrenamtlich.

Von Isabel Meixner

Ein kühler Luftzug weht durch das unbeheizte Gebäude, Spinnweben hängen von der Decke. Die Zimmer sind leer, die Küchenzeilen herausgerissen. Wie ein Ort, an dem man sich gerne aufhält, sieht das ehemalige jüdische Badehaus im Wolfratshauser Stadtteil Waldram nicht aus. Noch nicht. Nach dem Willen des Vereins "Bürger fürs Badehaus Waldram-Föhrenwald" soll hier eine Dokumentations- und Begegnungsstätte entstehen, die die Geschichte des 1957 in Waldram umbenannten Föhrenwald dokumentiert.

Föhrenwald entstand als Mustersiedlung der Nationalsozialisten. Während des Zweiten Weltkriegs wohnten dort Zwangsarbeiter und sogenannte Dienstverpflichtete der Munitionsfabriken in Geretsried. Nach Kriegsende diente Föhrenwald als Auffanglager für Displaced Persons (DPs), in dem bis zu 6000 Holocaust-Überlebende gleichzeitig lebten. 1957 wurde Föhrenwald als letztes deutsches DP-Lager aufgelöst, Heimatvertriebene bezogen die Häuser.

Unter ihnen Eva Greif. Mit ihrer Familie kam sie als sudetendeutsche Heimatvertriebene nach Waldram, wo ihre Mutter bereits von 1941 bis 1944 als Dienstverpflichtete gearbeitet hatte. Noch heute lebt die Geschichtslehrerin in einem der Satteldach-Häuser, die vom NS-Erbe zeugen. Sie und die Historikerin Sybille Krafft stehen an der Spitze der Initiative, die eines zum Ziel hat: das letzte Gebäude, das noch in seinem ursprünglichen Zustand erhalten ist, zu retten und zu einem Dokumentationszentrum umzubauen.

"Wo haben Sie die Geschichte so konzentriert?"

Kein leichtes Vorhaben: Eigentlich sollte das Gebäude am Kolpingplatz, der unter den Nazis Danziger Freiheit und unter den Amerikanern Independence Place hieß, Neubauten weichen. Von den Plänen erfuhren Greif und Krafft aus der Zeitung. "Wir wussten, was für ein besonderer Schatz hier schlummert", sagt Krafft, die dem Badehaus-Verein vorsitzt. Gemeinsam setzten sich der Historische Verein Wolfratshausen, dem die beiden Frauen angehören, und die Siedlungsgemeinschaft Waldram für das Badehaus ein - mit Erfolg: Nach Verhandlungen und langwierigem Hin und Her will die Erzdiözese als Eigentümerin das Haus dem Verein "Bürger fürs Badehaus Waldram-Föhrenwald" nun überschreiben, im Gegenzug ist ihr die Stadt bei der Bebauung an anderer Stelle in Waldram entgegen gekommen.

Relikt aus der Nazi-Zeit: Nach dem Ende des Krieges lebten in Föhrenwald jüdische Displaced Persons, die dort ihr Ritualbad nahmen.

Nach dem Ende des Krieges lebten in Föhrenwald jüdische Displaced Persons, die dort ihr Ritualbad nahmen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Die Übertragung solle noch in diesem Jahr geschehen, sagt Sybille Krafft. Für sie ist Waldram mit seiner ereignisreichen Historie ein "Brennspiegel": "Wo haben Sie die Geschichte so konzentriert?"

Mit der Übertragung ist jedoch nur eine erste Hürde genommen: Für die Sanierung des Hauses und die Einrichtung der Dokumentationsstätte sind mindestens 1,2 Millionen Euro nötig. 500.000 Euro davon übernimmt die Stadt Wolfratshausen, 700.000 Euro muss der Verein selbst stemmen - und die laufenden Kosten in den folgenden Jahren, an denen sich die Stadt nicht weiter beteiligen mag.

Gesucht werden Handwerker, Rechtsanwälte - und Farbe

Wie ein Verein mit derzeit 220 Mitgliedern das leisten kann? 20.000 Euro sind derzeit auf dem Vereinskonto. Man sei auf Spenden angewiesen, betont Krafft, sei es in Form von Geld, Arbeit oder Materialien. "Wir brauchen die Unterstützung von möglichst vielen Leuten", sagt die Historikerin. "Wir brauchen Handwerker, die mit anpacken, Dachdecker, die das Dach neu machen, Rechtsanwälte, Menschen, die mal einen Kübel Farbe spenden . . ."

Der laufende Betrieb soll durch Mitgliedsbeiträge, Eintritte und Mieteinnahmen gedeckt sein. Im Obergeschoss will der Verein Zimmer herrichten, in die Studenten des katholischen Seminars St. Matthias einziehen können. Mit den Seminaristen soll junges Leben ins Badehaus geholt werden, sagt Sybille Krafft: "Damit die Geschichte weitergetragen wird." Der Verein habe sich die Finanzierung der Folgekosten durchrechnen lassen. "Ich glaube, dass wir auf solidem Boden stehen", sagt Krafft. Vorausgesetzt, die 700.000 Euro für den Start kommen zusammen.

Wer durch die Gänge des verlassenen Hauses geht, erkennt: Bis zum "lebendigen Lernort", der dem Verein vorschwebt, ist es noch ein weiter Weg. Nicht nur, dass die Wände neu gestrichen, das Dach neu gedeckt, das Haus gedämmt und die Fenster möglicherweise ausgetauscht werden müssen. Einige Wände, die früher die einzelnen Wohnungen der Heimatvertriebenen voneinander abgetrennt haben, sollen herausgerissen werden, damit im Erdgeschoss zwei große Räume entstehen.

Die Mikwe ist nicht mehr sichtbar

Eines der Zimmer dient für eine Dauerausstellung über die wechselhafte Geschichte von Waldram-Föhrenwald, ein zweites für Zeitzeugengespräche, Vorträge und Schülerprojekte. Im Untergeschoss gibt es Platz für Wechselausstellungen und einen Raum der Stille - an jener Stelle, an der jüdische DPs ihr rituelles Tauchbad nahmen. Die Mikwe allerdings ist nicht mehr sichtbar: Sie wurde während der Siedlerzeit zubetoniert. Dass es sie gegeben hat, daran zweifelt die Geschichtslehrerin Eva Greif nicht: "Das wissen wir aus zahlreichen Zeitzeugengesprächen."

Bis die Erzdiözese dem Verein das Haus übertragen haben wird, können die Ehrenamtlichen weder mit dem Umbau beginnen noch Anträge zur Errichtung der Dokumentationsstätte einreichen. Krafft hofft, dass im dritten Quartal des kommenden Jahres mit ersten Arbeiten begonnen werden kann. Bereits jetzt sammelt der Verein Materialien für die Ausstellungen, durchforstet Archive, spricht mit Zeitzeugen, von denen viele sehr alt sind.

Sybille Krafft sagt: "Die Zeit läuft uns davon." Außerdem werden Benefizaktionen geplant, um Geld zu sammeln und die heutigen Waldramer miteinzubinden. "Bevor wir die Geschichte ausgegraben haben, war das hier kein Thema", sagt Sybille Krafft und blickt durch das leere Badehaus.

Eine Dokumentationsstätte ehrenamtlich einzurichten, das ist ambitioniert. Doch Krafft hat bereits ein weiteres Ziel: "Ich möchte, dass mindestens jeder Schüler aus diesem und den umliegenden Landkreisen einmal in seinem Leben im Badehaus gewesen ist."

Weitere Informationen zum Geschichtsprojekt in Waldram gibt es unter www.badehauswaldram.de

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