SPD:Regensburgs Oberbürgermeister versinkt im Spendensumpf

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Die Staatsanwaltschaft untersucht, ob sich Joachim Wolbergs im Zusammenhang mit Parteispenden strafbar gemacht hat. (Foto: Armin Weigel/dpa)
  • Der Regensburger OB hat während seiner Amtszeit ungewöhnlich hohe und möglicherweise verschleierte Parteispenden erhalten.
  • Das Geld kommt von Mitarbeitern oder Tochterfirmen von mindestens zwei Immobilienunternehmen.
  • Sie stehen laut Staatsanwaltschaft im Verdacht, sich die Gunst des SPD-Politikers erkauft zu haben.

Von Andreas Glas und Kilian Neuwert, Regensburg

In der Regensburger Parteispendenaffäre gerät Oberbürgermeister Joachim Wolbergs immer stärker unter Druck. Nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung und Bayerischem Rundfunk hat Wolbergs nicht nur während des OB-Wahlkampfs 2013/14, sondern auch während seiner späteren Amtszeit ungewöhnlich hohe und möglicherweise verschleierte Parteispenden erhalten. Bei den Spendern handelt es sich um Mitarbeiter oder Tochterfirmen von mindestens zwei Immobilienunternehmen. Sie stehen laut Staatsanwaltschaft im Verdacht, sich die Gunst des SPD-Politikers bereits im Wahlkampf erkauft zu haben.

Die Höhe dieser Spenden liegt allein im Jahr 2015 bei etwa 160 000 Euro. Das geht aus Unterlagen hervor, die SZ und BR vorliegen. Bisher war in der Öffentlichkeit stets von Wahlkampfspenden die Rede, auch die Staatsanwaltschaft Regensburg hatte den Ermittlungszeitraum recht vage angegeben und von Spenden "seit 2013" gesprochen.

Selbst die Bundes-SPD zweifelt nun offenbar daran, dass alles mit rechten Dingen zugegangen ist im SPD-Ortsverein Stadtsüden. Auf das Konto dieses Vereins sind die Spenden geflossen, der Vorsitzende des Vereins ist Joachim Wolbergs. Ein Sprecher im Berliner Willy-Brandt-Haus bestätigte am Dienstag, die Bundespartei habe "rein vorsorglich Spendengelder an den Bundestagspräsidenten überwiesen" - offenbar um Strafzahlungen zu verhindern, die auf die SPD zukommen könnten, falls sich der Verdacht der Staatsanwaltschaft gegen OB Wolbergs bestätigen sollte.

Was dem Regensburger OB nun droht

Die Höhe der Überweisung entspricht den etwa 160 000 Euro aus dem Jahr 2015. Sollte er diese Spendensumme tatsächlich unrechtmäßig entgegengenommen haben, könnte Wolbergs dafür laut SPD-Satzung mit seinem Privatvermögen haften. Die insgesamt 18 Einzelspenden, die im Rechenschaftsbericht der SPD für 2015 auftauchen, bewegen sich größtenteils zwischen 9000 und 9990 Euro. Nur wenn eine Spende unterhalb der 10 000-Euro-Grenze bleibt, darf eine politische Partei die Identität des Spenders geheim halten. So steht es im deutschen Parteiengesetz.

Dass Wolbergs auch als amtierender Oberbürgermeister hohe, in Tranchen von weniger als 10 000 Euro gestückelte Summen aus der Immobilienbranche erhalten hat, taucht auch ein umstrittenes Grundstücksgeschäft in ein neues Licht, das die Stadt in den Monaten nach Amtsantritt des OB im Mai 2014 abgewickelt hat. Damals hat die Firma Tretzel, aus deren Umkreis ein Großteil der zweifelhaften Spenden stammt, drei Bauabschnitte auf dem städtischen Grundstück der früheren Nibelungenkaserne erworben. Ein gigantisches Areal, 44 600 Quadratmeter, Platz für etwa 500 Wohnungen à 90 Quadratmeter - das Projektvolumen dürfte bei etwa 100 Millionen Euro liegen.

Obwohl die Stadtverwaltung das Angebot der Firma Tretzel nur als viertbestes einstufte, bekam Tretzel den Zuschlag. "Wenn Geld auch noch nach dem Wahlkampf geflossen ist und gleichzeitig Maßnahmen des Oberbürgermeisters zugunsten des Geldgebers erfolgten, dann könnte die Angelegenheit eine neue Qualität gewinnen", sagt der Staatsrechtler und Experte für Parteienfinanzierung, Hans Herbert von Arnim.

Ein Auszug aus dem Rechenschaftsbericht der SPD. Die einzelnen Spenden wurden allem Anschein nach bewusst unter dem Betrag von 10 000 Euro gehalten, damit sie anonym blieben. Illustration: SZ (Foto: po)

Interessant könnte für die Staatsanwaltschaft auch die Chronologie der Tretzel-Spenden im Zusammenhang mit der Nibelungenkaserne sein. Nach Informationen von SZ und BR überwiesen Anfang 2014 mehrere Personen aus dem Umfeld der Firma Tretzel innerhalb weniger Tage jeweils Spenden knapp unter 10 000 Euro auf das Konto von Wolbergs' Ortsverein. Später, nach dem Amtsantritt des neuen Oberbürgermeisters, änderte die Stadt die Vergabekriterien für das Grundstück und schrieb das Projekt plötzlich neu aus. Im Oktober 2014 bekam die Firma Tretzel dann den Zuschlag für drei Bauabschnitte, wiederum wenige Monate später überwiesen erneut mehrere Personen aus dem Tretzel-Umfeld jeweils Spenden knapp unter der 10 000-Euro-Marke.

Joachim Wolbergs wollte sich auf Nachfrage nicht zu den Recherchen äußern und verwies, wie bisher, auf die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Bislang hat der Regensburger OB stets bestritten, etwas Unrechtmäßiges getan zu haben. Konkret geht es bei den Ermittlungen gegen Wolbergs um den Anfangsverdacht der Vorteilsannahme, gegen mindestens vier Spender ermittelt die Justiz wegen möglicher Vorteilsgewährung. Was den Regensburger OB betrifft, reicht das Strafmaß für Vorteilsannahme von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Sollte ein Spender "für eine ganz bestimmte Handlung" eines Amtsträgers gespendet haben, sagt von Arnim, dann käme allerdings ein noch schwerwiegenderer Tatbestand infrage: Bestechlichkeit.

In einem ähnlichen Fall hat der Bundesgerichtshof 2007 entschieden, dass "der Anschein der Käuflichkeit" auch dann entstehe, "wenn Spender und Amtsträger davon ausgehen, dass dieser im Laufe der künftigen Amtszeit mit Entscheidungen zu diesem oder jenem Vorhaben des Spenders befasst sein wird", egal ob diese schon geplant seien oder nicht. "Insbesondere bei Spenden von außergewöhnlicher Höhe wird es regelmäßig naheliegen", so der BGH, dass der Spender (. . .) sich die Gewogenheit des Wahlbewerbers "auch im Blick auf eigene konkret geplante oder zu erwartende Vorhaben sichern und seine Individualinteressen fördern will".

Ob dies im Fall Wolbergs der Fall war, dazu wird die Regensburger Staatsanwaltschaft wohl noch eine ganze Weile ermitteln. Unter anderem müssen etliche E-Mails ausgewertet werden. Ein Justizsprecher sagte, man hoffe, die Ermittlungen im Laufe des kommenden Jahres abschließen zu können.

© SZ vom 09.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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