Regensburg:Wolbergs kommt vor Gericht

Joachim Wolbergs

Der suspendierte OB Joachim Wolbergs (SPD) erklärte sich vor der Presse in Regensburg.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Dem suspendierten Regensburger Oberbürgermeister wird Vorteilsnahme und ein Verstoß gegen das Parteiengesetz vorgeworfen. Den Verdacht der Bestechlichkeit lässt die Justiz fallen. Er selbst sieht sich auf dem Weg zur vollen Rehabilitierung

Von Andreas Glas, Regensburg

Um 13 Uhr setzt sich Joachim Wolbergs hinter die Mikrofone in einem kahlen Zimmer einer Regensburger Anwaltskanzlei. Wer ihm nur zuhört, glaubt einen Mann zu hören, der alle eines Besseren belehrt und diese schlimmen Vorwürfe ausgeräumt hat. "Ich bin seit ein paar Stunden wieder ein freier Mensch", sagt er. "Niemand kann mich mehr als Knasti bezeichnen." Wer ihm zuschaut, sieht dagegen einen Mann mit ernstem Blick und Stirnfalten. Einen, der weiß, dass seine Unschuld längst nicht bewiesen ist. Am Ende seiner Pressekonferenz sagt er es auch: "Ich muss weiterkämpfen."

Zweieinhalb Stunden zuvor hat die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Regensburg mitgeteilt, dass sie die Anklage gegen den suspendierten Regensburger Oberbürgermeister zulässt. Es wird also einen Prozess gegen den SPD-Politiker geben. Dass Wolbergs an diesem Donnerstag dennoch wie ein Triumphator klingt, liegt daran, dass die Strafkammer die Anklage nur abgeschwächt zulässt. Er kriegt einen Prozess wegen des Verdachts der Vorteilsannahme und des Verstoßes gegen das Parteiengesetz - nicht aber wegen Bestechlichkeit, wie es die Staatsanwaltschaft forderte. Der schwerwiegendeste Vorwurf ist damit weggefallen. Auch den seit Januar 2017 bestehenden Haftbefehl gegen Wolbergs hat das Gericht aufgehoben. Was erklärt, dass er sich als "freier Mensch" bezeichnet - obwohl er nun Angeklagter ist.

Neben Wolbergs werden sich drei weitere Personen in einem Strafprozess verantworten müssen: der Bauunternehmer Volker Tretzel, ein früherer Tretzel-Mitarbeiter sowie Norbert Hartl, der frühere Fraktionschef der Rathaus-SPD. Auch in ihren Fällen hält die Kammer den Verdacht der Bestechung beziehungsweise Beihilfe zu Bestechung oder Bestechlichkeit für "zumindest derzeit nicht haltbar". Weil nach Auffassung des Gerichts die "verbleibenden Delikte wesentlich niedrigere Strafrahmen aufweisen", hat es auch die Haftbefehle gegen Tretzel und dessen früheren Mitarbeiter aufgehoben. Beide waren im Januar 2017 auf Antrag der Staatsanwaltschaft in Untersuchungshaft gekommen. Auch Wolbergs saß damals sechs Wochen lang im Gefängnis.

Die Haft sei ein "einschneidendes Erlebnis" gewesen, sagt Wolbergs. "Traumatisierend", sagt sein Anwalt, der bei der Pressekonferenz neben ihm sitzt. Wie schlimm die Haft für ihn gewesen sei, hat der OB in den vergangenen Monaten mehrfach erzählt. In einem Facebook-Video, in einem Zeitungsinterview, immer wieder unterstellte er der Staatsanwaltschaft Jagdeifer, überzogene Ermittlungsmethoden und beklagte, dass seine Inhaftierung übertrieben gewesen sei. Alles Vorwürfe, die sich die Regensburger Staatsanwaltschaft nun, nach der Entscheidung des Landgerichts, gefallen lassen muss, weil Grundlage für die U-Haft auch der Verdacht der Bestechlichkeit war. Dass die Strafkammer diesen Verdacht jetzt aus der Anklage gestrichen hat, offenbare die "einseitige Arbeitshypothese" der Ermittler, sagt Wolbergs-Verteidiger Peter Witting.

Die Entscheidung des Landgerichts, das kann man sagen, ist eine Watschn für die Staatsanwaltschaft. Dennoch: Mit dem Verdacht der Vorteilsannahme steht weiterhin ein schwerwiegender Verdacht gegen Wolbergs im Raum. Im Zentrum des Verdachts stehen die Parteispenden, die von 2011 bis 2016 auf das Konto des SPD-Ortsvereins Stadtsüden flossen, dessen Vorsitzender Wolbergs ist. Die Spenden kamen aus dem Umfeld eines Regensburger Bauunternehmers, die Höhe der Spenden lag jeweils knapp unterhalb der durch das Parteiengesetz festgelegten Veröffentlichungsgrenze von 10 000 Euro, könnten also verschleiert worden sein. Insgesamt soll Unternehmer Tretzel rund 475 000 Euro gespendet haben, über ein Strohmannsystem, vermutet die Staatsanwaltschaft.

Im Gegenzug, glaubt die Staatsanwaltschaft, habe Wolbergs den Unternehmer bei der Vergabe eines Baugrundstücks bevorzugt, das die Stadt im Oktober 2014 an Tretzel verkaufte. Anders als die Staatsanwaltschaft sieht das Landgericht keinen hinreichenden Verdacht, dass es zwischen Wolbergs und Tretzel zu "wettbewerbsbeschränkten Absprachen bei Ausschreibungen" kam. Die Staatsanwaltschaft wiederum vermutet auch im Zusammenhang mit einem weiteren Grundstücksgeschäft illegale Absprachen.

Weil das Landgericht davon ausgeht, dass die Spenden nicht für konkrete Grundstücksgeschäfte flossen, lautet die Anklage nun auf Vorteilsannahme, nicht auf Bestechlichkeit. Bei der Vorteilsannahme fließt Geld für eine pflichtgemäße Diensthandlung, bestraft wird also der böse Schein. Zwar bewertet das Gericht die Grundstücksgeschäfte "im Ergebnis als sachgerecht", hinterfragt aber weiterhin das Zustandekommen der Vergaben. Das Gericht habe "keine Unbedenklichkeitsbescheinigung abgegeben, dass mit der Vergabe alles rechtens war", betont ein Sprecher. Der Unterschied zwischen Vorteilsannahme und Bestechlichkeit ist auch für das Strafmaß entscheidend, da bei Bestechlichkeit in schweren Fällen bis zu zehn Jahre Gefängnis drohen; bei Vorteilsannahme maximal drei Jahre.

Wann der Prozess beginnt, hat das Gericht nicht mitgeteilt. Die Tretzel-Anwälte teilten derweil mit, dass ein Prozess dem Unternehmer die Chance biete, auch den "verbliebenen Verdacht auszuräumen". Trotz der weiter schwerwiegenden Vorwürfe äußerte sich auch Wolbergs-Anwalt Peter Witting am Donnerstag "optimistisch, dass wir am Ende des Tages sagen können: Die Vorwürfe sind nicht begründet gewesen". Neben dem Tretzel-Komplex ermittelt die Staatsanwaltschaft allerdings auch noch im Zusammenhang mit Spenden anderer Bauunternehmer. Einer dieser Unternehmer war im vergangenen November kurzzeitig verhaftet worden. Auch er steht im Verdacht, Wolbergs bei Immobiliengeschäften bestochen zu haben.

Seit diesem Donnerstag steht zudem die Frage im Raum, ob Wolbergs ins Rathaus zurückkehren darf. Denn auch die Landesanwaltschaft, die ihn suspendierte, hatte sich auf den Vorwurf der Bestechlichkeit gestützt, der nun weggefallen ist. Dazu könne sie nichts sagen, sagt Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD), die Wolbergs im Rathaus vertritt. Sie freue sich jetzt erst mal, dass durch das angekündigte Gerichtsverfahren "eine Entscheidung näher gerückt ist". Es sei ein "guter Tag für die Stadt". Die Landesanwaltschaft teilt derweil mit, dass sie sämtliche Akten bereits beim Landgericht angefordert habe und prüfen werde, ob die Voraussetzungen für die Suspendierung noch gegeben sind.

Ob er überhaupt ins Rathaus zurückkehren wolle, wird Wolbergs von einer Reporterin gefragt. Er sagt: "Die Frage ist leicht zu beantworten: natürlich."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: