Regensburg:Wolbergs gewährte seinem SPD-Ortsverein ein Privatdarlehen von 220 000 Euro

Geld für Regensburger SPD könnte über Strohmänner geflossen sein

Für seinen Erfolg riskierte Joachim Wolbergs ein Vermögen: Auf einem Privatkredit an die Partei wird er wahrscheinlich sitzen bleiben.

(Foto: Armin Weigel/dpa)
  • Regensburgs Oberbürgermeister Joachim Wolbergs hat offengelegt, dass er als Privatperson einen Kredit aufgenommen hat.
  • Das Geld hat er als Darlehen an seinen SPD-Ortsverband weitergegeben und damit seinen Wahlkampf mitfinanziert. Das hätte er dem Landesvorstand melden müssen.
  • Ob die mögliche Spendenaffäre um drei Bauträgerfirmen juristische Konsequenzen haben wird, ist noch unklar. Ein BGH-Urteil könnte Wolbergs aber in Bedrängnis bringen.

Von Andreas Glas und Wolfgang Wittl, Regensburg

Es ist Freitag, zwölf Uhr mittags, als Joachim Wolbergs (SPD) sein Büro im Rathaus betritt. Er kommt von draußen und draußen ist es heiß. So heiß, dass der Regensburger Oberbürgermeister erst mal eine Flasche Mineralwasser auf den Tisch stellt, daneben packt er einen dicken Stapel Papier. "Ich mache mich jetzt nackt", sagt er, denn der Papierstapel besteht aus privaten Dokumenten. Aus Dokumenten, die tief blicken lassen in die Welt des Joachim Wolbergs.

Er zieht einen Kreditvertrag aus dem Papierstapel. Ein Privatkredit, den der OB und seine Frau vor ungefähr einem Jahr mit ihrer Bank geschlossen haben. Etwa 220 000 Euro dieser Kreditsumme hat das Ehepaar Wolbergs wiederum als Darlehen an den SPD-Ortsverein Regensburg Süd überwiesen, dessen Vorsitzender Wolbergs ist. Es ist jener Kredit, der den SPD-Landesschatzmeister so misstrauisch machte, dass er sich den Rechenschaftsbericht kommen ließ und danach die Staatsanwaltschaft eingeschaltet hat, die nun wegen des Verdachts der Vorteilsannahme gegen Wolbergs ermittelt. Hat der OB seine eigene Partei mit 220 000 Euro verschuldet, um so seinen Wahlkampf in den Jahren 2013/14 zu finanzieren?

"Am Ende des Wahlkampfes mussten noch viele Lieferantenrechnungen bezahlt werden", sagt Wolbergs, dafür habe das Budget auf dem Wahlkampfkonto nicht mehr gereicht. Er habe nicht gewollt, dass die SPD in Zahlungsschwierigkeiten komme. Also habe er dem Ortsverein einen Kredit aus seinem Privatvermögen gegeben. Dass er damit Privates und Politisches vermengt hat, findet Wolbergs nicht schlimm. Ein Fehler sei aber gewesen, dass er sich den Kredit an den Ortsverein nicht vom SPD-Landesverband habe genehmigen lassen. "Das habe ich nicht beachtet", räumt Wolbergs ein.

Er hätte es beachten müssen, weil die Parteisatzung die Genehmigung eines jeden Kredits vorschreibt, der nicht innerhalb eines Jahres getilgt wird. "Das ist hier nicht geschehen", sagt SPD-Landeschef Florian Pronold. Wolbergs hätte den Landesvorstand informieren müssen. Das ist aber nur die parteipolitische Sicht, nicht die juristische. Das fragwürdige Darlehen beantwortet nämlich nicht die Frage, weshalb SPD-Landesschatzmeister Thomas Goger die Staatsanwaltschaft eingeschaltet hat. Was hat Goger, selbst Staatsanwalt von Beruf, in dem Rechenschaftsbericht entdeckt, das ihn die Strafverfolgungsbehörden unterrichten ließ?

SZ-Recherchen haben ergeben, dass in dem Rechenschaftsbericht etwa ein halbes Dutzend Spender mit ein und derselben Adresse aufgelistet sind. Besagte Anschrift ist identisch mit der eines der drei Bauträger, die Wolbergs laut Staatsanwaltschaft wohl mit mehr als 500 000 Euro im Wahlkampf unterstützten. Es handelt sich offenbar um juristische Personen, also um Tochterfirmen oder Projektgesellschaften des Bauträgers, die jede für sich jeweils knapp 10 000 Euro an Wolbergs gespendet haben sollen. Bei Beträgen unterhalb dieser Grenze darf eine Partei die Identität des Spenders geheim halten. Formal ist daran nichts zu beanstanden.

Heikel wäre die Sache jedoch, würde eine Firma eine höhere Summe spenden wollen, diese stückeln und auf mehrere Personen verteilen, um einerseits die Herkunft zu verschleiern und andererseits unter der Grenze von 10 000 Euro zu bleiben. Nach SZ-Informationen trifft dies auf eine weitere dieser Bauträgerfirmen zu. So sollen mehrere Strohmänner - offenbar Mitarbeiter - an Wolbergs gespendet und das Geld von ihrem Arbeitgeber wieder als Gehaltszuschlag zurückerhalten haben. Die Staatsanwaltschaft jedenfalls ermittelt auch in diese Richtung.

"Mir ist keine Stückelung bekannt"

Beide Baufirmen, die über Tochterfirmen, Projektgesellschaften oder ein Strohmann-System gespendet haben könnten, haben sich am Freitag auf SZ-Anfrage nicht geäußert. "Mir ist keine Stückelung bekannt", sagt derweil Joachim Wolbergs, der die Spendensummen und die Namen der Spender als Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Süd ebenso kennen muss wie seine Frau, die Kassiererin des Ortsvereins. Und falls es doch Stückelungen gab? "Nicht mein Problem", sagt Wolbergs, sondern das Problem der Spender.

Indem er den Kreditvertrag offengelegt hat, entkräftet der OB Spekulationen, die in Regensburg kursierten. Demnach hätte Wolbergs das 220 000-Euro-Darlehen nicht von einer Bank bekommen, sondern von einer der drei Baufirmen, die im Visier der Staatsanwaltschaft stehen. Und noch etwas offenbart der Kreditvertrag: Dass der Kommunalwahlkampf der SPD noch teurer war, als bislang bekannt gewesen ist. So teuer, dass Wolbergs zu den ohnehin hohen Spendeneinnahmen weitere 220 000 Euro aus seiner privaten Kasse zugeschossen hat.

Wolbergs versichert, dass sein Ortsverein nicht auf den Kreditschulden sitzen bleiben werde, die er ihm eingebrockt hat. Bis zum Jahr 2019 muss der Ortsverein die Schulden zurückzahlen, doch angesichts der geringen Mitgliederzahl dürfte kaum etwas zurückfließen. Bis dahin werde er weiter Spenden sammeln, sagt der OB. Sollte am Ende nicht genug zusammenkommen, werde er die noch offene Kreditsumme in eine Spende umwandeln - also aus dem privaten Geldbeutel zahlen. Das sei vertraglich geregelt, sagt er.

Wolbergs betont stets, dass er niemals zugunsten eines Spenders Einfluss genommen habe. Womöglich reicht auch weniger, um mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Der Bundesgerichtshof hat in einem ähnlichen Fall 2007 entschieden, dass "der Anschein der Käuflichkeit" auch dann entstehe, "wenn Spender und Amtsträger davon ausgehen, dass dieser im Laufe der künftigen Amtszeit mit Entscheidungen zu diesem oder jenem Vorhaben des Spenders befasst sein wird", egal ob diese schon geplant seien oder nicht.

"Insbesondere bei Spenden von außergewöhnlicher Höhe wird es regelmäßig nahe liegen", so der BGH, dass der Spender (. . .) sich die Gewogenheit des Wahlbewerbers "auch im Blick auf eigene konkret geplante oder zu erwartende Vorhaben sichern und seine Individualinteressen fördern will". Man kann also auch ohne Nachweis der Vorteilsannahme belangt werden.

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