Regensburg:Wolbergs beantragt Disziplinarverfahren gegen sich selbst

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Die Vorwürfe gegen Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (re.) gibt es schon länger, einen Rücktritt hat er immer wieder abgelehnt. (Foto: Peter Ferstl)
  • Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Regensburger OB Joachim Wolbergs wegen einer möglichen Vorteilsannahme.
  • Mehr als 500 000 Euro soll er an Parteispenden von drei Bauunternehmern angenommen haben. Die Ermittler prüfen, ob der OB Einfluss zugunsten dieser Bauträger genommen hat.
  • Wolbergs hat angekündigt, Antrag auf ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst zu stellen.

Von Andreas Glas und Wolfgang Wittl, Regensburg

Am ersten Tag sagte er gar nichts, am zweiten Tag gab er eine Pressekonferenz mit dünnem Inhalt, am Donnerstag nun wählte Joachim Wolbergs die Strategie der Vorwärtsverteidigung: "Ich habe heute entschieden, bei der Landesanwaltschaft Bayern einen Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen mich zu stellen", teilte der Regensburger Oberbürgermeister mit. Den Antrag stelle er "in der Überzeugung, dass ein solches Disziplinarverfahren keine Hinweise auf persönliche Dienstvergehen in meiner Funktion als Oberbürgermeister ergeben wird".

Es ist Wolbergs' nächste Reaktion auf Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Vorteilsnahme. Mehr als 500 000 Euro soll er an Parteispenden von drei Bauunternehmern angenommen haben. Die Ermittler prüfen, ob der OB Einfluss zugunsten dieser Bauträger genommen hat. Wobei die "mehr als 500 000 Euro" nach neuesten Berichten offenbar auch mehr als 600 000 Euro gewesen sein könnten. Und diese Geschichte nicht nur die Politik als Bühne hat, sondern auch den Fußball.

An der A 3, Ausfahrt Universität, steht die Continental Arena, Regensburgs neuer Stolz. Ein ultramodernes 15 000-Zuschauer-Stadion, das neben der Autobahn glitzert wie ein Raumschiff, das in Mainz oder in Freiburg landen wollte und sich nur verirrt hat in der Fußball-Provinz Regensburg. Wer hier vorbei fährt, der fragt sich automatisch, ob die Stadt es nicht übertrieben hat, als sie dem SSV Jahn Regensburg, kürzlich noch Viertligist, für 50 Millionen Euro ein bundesligataugliches Stadion gebaut hat. Auch der Steuerzahlerbund hat kritisiert, dass in der Stadt Regensburg "das Geld zu locker" sitzt, und dass es "die öffentliche Hand kräftig und teuer krachen lässt". Wolbergs hat daraufhin gekontert, dass der Steuerzahlerbund "völlig für die Katz" sei und keine Ahnung habe von Kommunalpolitik.

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Von Andreas Glas und Wolfgang Wittl

Dem OB wiederum kann man ein Gespür für Kommunalpolitik nicht absprechen. Er weiß, dass das Fußballvolk auch Wahlvolk ist, und das Fußballvolk ist hierzulande groß. Joachim Wolbergs hat sich schon immer stark gemacht für den SSV Jahn, dessen Aufsichtsratschef er ist.

Einer der großen Sponsoren der SSV Jahn 2000 Regensburg GmbH & Co. KGaA ist wiederum eines der drei Bauunternehmen, die dem OB viel Geld für dessen Wahlkampf gespendet haben sollen: die Firma Tretzel. Das Regensburger Wochenblatt berichtet mit Verweis auf Unterlagen der Staatsanwaltschaft, dass die Firma Tretzel der Regensburger SPD in den Jahren 2013 und 2014 insgesamt 366 500 Euro an Spenden gezahlt habe - die Firma wäre damit der größte Spender in der Causa Wolbergs.

Sollte stimmen, was das Wochenblatt über die Firma Tretzel schreibt, dann taugt das zum Aufreger in Regensburg. Dort erzählt man sich schon seit Jahren, dass diese Baufirma sich von ihrem Sponsoring beim SSV Jahn womöglich Vorteile erhoffe, wenn die Stadt Baugebiete ausschreibt. Und da Joachim Wolbergs nicht nur Oberbürgermeister ist, sondern auch Jahn-Aufsichtsratsvorsitzender, bekommen solche Zusammenhänge im Zuge der aktuellen Ereignisse neuen Nährboden. Ob die Firma Tretzel aber tatsächlich so viel gespendet hat und welchen Zweck ihr Fußball-Sponsoring hat, das bleibt unbestätigt: Eine Anfrage der SZ ließ die Firma Tretzel bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Der OB hat korrekt gehandelt, findet seine Partei

Neben der BTT Bauteam Tretzel GmbH nennt das Wochenblatt aus seiner Quelle als weitere Spender die Firma Schmack Immobilien sowie das Immobilienzentrum Regensburg (IZ), das bislang als einziges der drei Unternehmen bestätigt hat, dass die Staatsanwaltschaft gegen das eigene Haus ermittelt. Bei der Firma Schmack handelt es sich laut Wochenblatt um eine Spendensumme von 164 500 Euro in den Jahren 2013 und 2014, das IZ soll zwischen 2013 und 2016 insgesamt 87 000 Euro auf das von Oberbürgermeister Wolbergs verwaltete SPD-Wahlkampfkonto überwiesen haben. Sollten die Summen stimmen, läge der Spendenbetrag, um den es in der Causa Wolbergs geht, bei mehr als 600 000 Euro.

Die Regensburger SPD hält zu ihrem Oberbürgermeister. Nach einem Krisengespräch am Mittwochabend teilten die Spitzen der SPD-Stadtratsfraktion und des SPD-Stadtverbands mit: "Unseres Erachtens hat der Oberbürgermeister stets korrekt gehandelt." Die Kontrolle über das Wahlkampfkonto habe der Stadtverband vor zwei Jahren an den von OB Wolbergs geführten Ortsverein übertragen, "was wir für rechtlich korrekt gehalten haben und halten", heißt es in der Mitteilung.

Der Oberbürgermeister selbst hatte am Mittwoch angekündigt, vorläufig nicht mehr über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu sprechen. Bevor er sich Schweigen verordnete, hatte er allerdings darüber gemunkelt, dass die anderen Regensburger Parteien nach ähnlichem Muster bedacht worden seien wie seine SPD. "Sie werden sich noch wundern", sagte er.

Dieser Hinweis könnte vor allem an die CSU gerichtet sein, die 18 Jahre lang mit Hans Schaidinger den Oberbürgermeister stellte. Die Andeutung von Wolbergs führt dann unweigerlich zu der Frage: Hat ein mögliches System mit gestückelten Großspenden auf Parteikonten kleiner Ortsvereine also nicht nur eine brisante Gegenwart, sondern eine noch viel brisantere Vergangenheit? Die Staatsanwaltschaft weitet ihre Ermittlungen inzwischen aus. "Wir überprüfen auch das Spendenverhalten gegenüber anderen Parteien", sagte Oberstaatsanwalt Theo Ziegler am Donnerstag.

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Die Regensburger Sozialdemokraten sind keinen Deut besser als die verfilzte CSU: Viele haben sich gewundert, wo das ganze Geld herkam, aber keiner hat sich so recht daran gestört. Höchste Zeit fürs Aufräumen.

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In der Regensburger CSU gibt man sich gelassen, was die Finanzierung des vergangenen OB-Wahlkampfs angeht. "Wir überprüfen zurzeit alle unsere Spenden", sagt Kreischef Franz Rieger. Nach deren Abschluss werde man eine Stellungnahme abgeben. Aber schon jetzt könne man sagen: "Unsere Zahlen werden in der Größenordnung mit denen von Wolbergs nicht vergleichbar sein", kündigt Rieger an.

In der CSU ist von einem höheren fünfstelligen Betrag die Rede, der von den besagten drei Bauträgern in den Wahlkampfjahren 2013 und 2014 geflossen sein soll. Nach SZ-Informationen soll die Firma Tretzel auch hier den größten Anteil gespendet haben, eine der drei Firmen zahlte gar nichts. Auch die CSU habe zwar ein eigenes Konto für den Wahlkampf geführt, heißt es in der Partei, aber unter dem Dach des Kreisverbandes.

© SZ vom 17.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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