Regensburg und die katholische Kirche:Bayerisch, freundlich, eisenhart

Katholikentag in Regensburg

Mehrere Zehntausend Gläubige werden in Regensburg zum 99. Katholikentag erwartet.

(Foto: dpa)

Die Regensburger haben seit Jahren ein schwieriges Verhältnis zu Bischöfen und der katholischen Amtskirche. Das hat viel mit einem zu tun, der heute an wichtiger Stelle im Vatikan sitzt - und für viele Kontroversen gesorgt hat. Eine Bestandsaufnahme zum Katholikentag.

Von Wolfgang Wittl, Regensburg

Die Stadt Regensburg hat einiges hinbekommen in den vergangenen Jahrzehnten: Sie hat sich von einer finsteren Provinzstadt am Rand der Republik zu einem reichen Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort im Herzen Europas entwickelt. Sie verfügt über eine Universität, eine blühende Industrie und eine Lebensqualität, um die andere Kommunen sie beneiden. Nur eines hat sie nicht geschafft: Einen zentralen Veranstaltungsraum sucht man vergebens. Die Pläne zu einem Kultur- und Kongresszentrum scheiterten bislang stets an einem geeigneten Ort, am Willen der Bevölkerung - oder an beidem. Für die Besucher des 99. Katholikentags dürfte sich dies jetzt als Glücksfall erweisen.

Denn so sehr sich Kirchentage auch bemühen: In ihren großen Messehallen verströmen sie oft den Charme von nordkoreanischen Parteiversammlungen. Regensburg wird einen architektonischen Kontrapunkt setzen: Viele der mehr als 1000 Veranstaltungen werden im Herzen der Altstadt, im Unesco-Weltkulturerbe, stattfinden. Ehrwürdige Patriziertürme und Gotteshäuser zeugen davon, dass Regensburg in seinem Kern als einzige mittelalterlich erhaltene Großstadt vom Zweiten Weltkrieg verschont geblieben ist. Wer erstmals in der ehedem Freien Reichstadt mit ihrer allgegenwärtigen Geschichte gastiert, wird feststellen, dass der Begriff Freilichtmuseum nicht übertrieben ist.

"Mit Christus Brücken bauen"

Der Katholikentag kommt bereits zum dritten Mal in die Hauptstadt der Oberpfalz: Allzu viel dürfte sich im Stadtbild seit dem ersten Besuch von 1849 nicht verändert haben, ein markanter Bestandteil allerdings fehlte damals noch. Die Türme des Doms Sankt Peter, der als bedeutendste gotische Kathedrale östlich des Rheins gilt, wurden erst zehn Jahre später errichtet. Derzeit prangt zwischen ihnen ein meterlanges Werbebanner mit dem Logo des Katholikentags. Die zweite Visite 1904 stand europapolitisch im Zeichen nationaler Großmachtansprüche, die zehn Jahre später im Ausbruch des Ersten Weltkriegs kulminierten.

Am Dienstag sah sich Alois Glück, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) bemüßigt, vor "dramatischen europafeindlichen Entwicklungen" in Kernstaaten wie Frankreich, England und Italien zu warnen. Auch der Fall des Eisernen Vorhangs vor 25 Jahren bekommt angesichts der Entwicklungen in der Ukraine eine Aktualität, die sich beim Katholikentag niederschlagen wird.

Wo besser ließe sich darüber diskutieren als in Regensburg? "Mit Christus Brücken bauen" lautet das Motto des Kirchentags. Über die Steinerne Brücke, das Wahrzeichen der Stadt, führte schon vor Jahrhunderten der wichtigste Handelsweg in den Osten Europas. Heute unterhält Regensburg Partnerschaften mit dem tschechischen Pilsen, dem ungarischen Budavár und dem ukrainischen Odessa, darüber hinaus sieht sich die Stadt in einer aktiven Rolle bei der Donauraumstrategie. Kanzlerin Angela Merkel lud vor eineinhalb Jahren ins fürstliche Schloss zu Thurn und Taxis zum ersten Jahresforum ein - und halb Europa kam. Den östlichen Brückenschlag am Katholikentag soll eine grenzüberschreitende Wallfahrt nach Neukirchen beim Heiligen Blut symbolisieren, mit Pilgern aus Bayern und Böhmen.

Die Volksfrömmigkeit schwindet

Welches Bistum aber erwartet die Besucher? In der Gastgeber-Stadt Regensburg mag das Herz der Diözese schlagen, doch was zeichnet Bayerns flächenmäßig größte Kircheneinheit aus? Was ist das für ein Bistum, dessen Grenzen sich von den einst prächtigen Porzellanmanufakturen im Norden bis zum weltgrößten Hopfenanbaugebiet Hallertau erstrecken, vom Bayerischen Wald bis ins Altmühltal? Was ist das für ein Gebiet, in dem der Katholizismus noch kräftig-barocke Züge trägt, in dem an Feiertagen bunte Fahnenabordnungen in die Kirchen einziehen und Dutzende Ministranten das Weihrauchfass schwingen?

Etwa 1,2 Millionen Katholiken leben im Bistum Regensburg, doch die Volksfrömmigkeit, die wie selbstverständlich von einer Generation auf die nächste übertragen wurde, schwindet. Auch hier, abseits der Großstädte, nehmen Kirchenaustritte zu, nicht zuletzt aus Enttäuschung über die Amtsträger. Bis heute wirken die Reformen nach, die der damalige Bischof und jetzige Glaubenspräfekt Gerhard Ludwig Müller der Diözese verordnet hat, der bestehende Strukturen zerschlug und Laiengremien entmachtete.

In keinem anderen deutschen Bistum finden Pfarrgemeinderatssitzungen geheim statt, klagen Kritiker. Das Ordinariat kontert mit Verweisen auf ein reges Verbandsleben. Von Euphorie ist vor dem Katholikentag allerdings wenig zu spüren. Vor den Dorfkirchen wehen zwar vereinzelt Fahnen mit dem Slogan, auch Busfahrten werden organisiert. Die Teilnehmer treibt aber vor allem die Neugier, nach 30 Jahren wieder mal einen Katholikentag in Bayern gesehen zu haben. Auch viele Regensburger äußern sich zurückhaltend. Sie bleiben lieber in ihren vier Wänden, ehe sie sich dem Trubel mit Zehntausenden Besuchern aussetzen.

Der Ton ist freundlicher geworden

Der Ton in der Diözese ist unter Müllers Nachfolger Rudolf Voderholzer ein anderer geworden: bairischer, freundlicher. Inhaltliche Veränderungen sind in den eineinhalb Jahren seines Wirkens nicht zu beobachten. Dass der umstrittene Limburger Bischof Tebartz-van Elst ausgerechnet im Bistum Regensburg seine größten Fürsprecher fand, etwa auch in Albert Schmid, dem Vorsitzenden des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, hat manchen verstört. Andere fanden dies nur konsequent in einer Stadt, die der emeritierte Papst Benedikt XVI. als seine Heimat bezeichnet.

Acht Jahre lehrte der Ehrenbürger Joseph Ratzinger als Professor in Regensburg, er hat seine Eltern hierher auf einen Friedhof überführen lassen, sein Bruder Georg, einst Domkapellmeister und Leiter der weltberühmten Domspatzen, lebt unweit des Doms. Das Papstinstitut, das Ratzingers wissenschaftlichen Nachlass aufarbeitet, befindet sich in der Stadt, ein Kreuz an der Autobahn 3 erinnert an den Feldgottesdienst, den Benedikt mit 250 000 Menschen feierte, sein Vortrag über den Islam machte weltweit Schlagzeilen. So gesehen nimmt sich der 99. Katholikentag aus Regensburger Sicht dann doch wieder recht unaufgeregt aus.

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