Regensburg:Haftstrafen für rechte Schläger gefordert

Monatelang zogen sie randalierend durch Regensburg: Eine Gruppe Neonazis steht wegen mehrfacher Gewalttaten vor Gericht, die Zeugen haben Angst.

Tobias Brunner

Wieder ein Zeuge, der seine Angst nicht verbergen kann. Unsicher blickt sich der braunhaarige Student um, als er den Gerichtssaal betritt. Seine Adresse solle nicht öffentlich genannt werden, bittet er den Vorsitzenden Richter Carl Pfeiffer. Mit seinem Wunsch ist er nicht allein. Bereits vor ihm baten weitere Zeugen darum, ihre Personalien geheim zu halten.

'Welterbe' Regensburg

Pöbelnd und randalierend soll die Neonazi-Clique durch Regensburg gezogen sein. Bei den dortigen Wirten sind sie nicht mehr willkommen.

(Foto: dapd)

Die Sorgen der Männer und Frauen verwundern nicht. Denn vor dem Landgericht Regensburg werden in diesem Prozess brutale Szenen um eine Gruppe offenbar unbelehrbarer Neonazis verhandelt. Monatelang zogen sie durch Regensburg, pöbelten und randalierten. Ihre bekannteste Tat war der Überfall auf einen Barmann im Lokal "Picasso" im Juni 2010.

Für die Staatsanwaltschaft ist nach sieben Verhandlungstagen und umfangreicher Beweisaufnahme klar: Vier Männer der kriminellen Clique müssen unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung ins Gefängnis. Neuneinhalb Jahre fordert Oberstaatsanwalt Edgar Zach für den mutmaßlichen Rädelsführer der Gruppe - eine Zahl, die sich aus einem früheren Urteil und den neuen Vorfällen zusammensetzt.

Für die anderen Männer stehen mehrjährige Freiheitsstrafen zwischen einem und fast vier Jahren im Raum. Ein fünfter Angeklagter soll wegen eines anderen Angriffs für fünf Jahre in Haft. Neben der Gewalt müssen sich einige zudem wegen Beleidigungen wie "Judensau" verantworten oder wegen Widerstands gegen Polizisten - darunter ein Biss in den Oberarm. Auch sollen sie volksverhetzende Ausdrücke wie "Happy Happy Holocaust" oder "Sieg Heil" gerufen und Hakenkreuz-Tätowierungen gezeigt haben.

Ganz anders sieht es die Verteidigung. Drei Rechtsanwälte plädieren auf Freispruch. "Es gibt keine verlässlichen Zeugen", die Beweise würden nicht für eine Verurteilung ausreichen, argumentieren sie. Die Angeklagten selbst bestreiten jegliche Gewalt. Zwar seien sie in dem besagten Lokal gewesen, hätten den Barmann aber nicht angerührt. Nur der 25-jährige Anführer der Gruppe gibt an, im Picasso "irgendwie ausgerastet" zu sein. Schon früher war er wegen ähnlicher Vorfälle in Haft gewesen, erst im Februar 2010 wurde er entlassen. Sein Anwalt fordert maximal fünfeinhalb Jahre Gefängnis.

Drastischer klingen hingegen die Schilderungen des Opfers. "Da bist du ja. Jetzt bist du dran" - mit diesen Worten habe ihn der Hauptangeklagte begrüßt, berichtet der 22-Jährige vor Gericht. Sekunden später sei der erste Barhocker durch die Luft geflogen. Dann sollen sie mit Händen und Füßen auf ihn eingeprügelt haben. Der Mann flüchtet in einen Imbiss-Laden auf der anderen Straßenseite. Die Gruppe folgt ihm, will laut Augenzeugen die Türe eintreten. Doch der Verletzte hält dagegen. Schließlich lassen die Männer von ihm ab und ziehen weiter zur Donau, wo sie später verhaftet werden.

Der Hauptangeklagte lauscht all diesen Schilderungen fast regungslos. Wenn der Mann mit der Halbglatze, dem stämmigen Oberkörper und der gezackten Tätowierung am Hals morgens in den Saal geführt wird, starrt er oft minutenlang ins Leere oder fixiert die Aktenordner auf dem Tisch. Sein Gesicht lässt keine Emotionen erahnen. Nur manchmal, da ist für einen Moment ein Lachen zu sehen in dem sonst so versteinerten Gesicht. Wenn ihn seine junge Ehefrau während der Pausen besucht oder er sich mit den anderen Angeklagten unterhält.

Für den Sachverständigen ist das Schweigen des jungen Mannes ein wichtiger Hinweis: "Ihn beeindruckt das alles wohl wenig. Reue konnte ich nicht feststellen." Auch der Barkeeper bestätigt: "Nein, entschuldigt hat sich bis heute niemand." Es ist ein Prozess, bei dem manchmal wenig gesprochen und doch viel gesagt wird: Da ist zum Beispiel ein 31-Jähriger, dem gefährliche Körperverletzung vorgeworfen wird und der jedes Wort still mit einem breiten Grinsen quittiert.

Oder Personen, die im Zuschauerraum Platz nehmen und ihre weiß-rot-schwarze Kleidung demonstrativ präsentieren. Es ist der Code der Rechtsextremen, angelehnt an die Farben des Deutschen Reiches. Die Angeklagten tragen zum Teil schwarze Jacken, dazu schwere Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln.

Doch auch wenn diese Zeichen die Zeugen verunsichert, sie wirken nicht überall. Seit dem Übergriff in der Bar haben sich in Regensburg rund 130 Gastronomen zu einer Initiative gegen Rechtsextreme zusammengeschlossen. An vielen Türen prangt seitdem der Aufkleber "Rassisten werden hier nicht bedient". Was wie ein symbolischer Akt wirkt, ist auch Prävention. Denn vor den Gewalttaten soll stets Alkohol in großen Mengen geflossen sein. Dem Hauptangeklagten attestiert der Sachverständige eine "hohe Alkoholtoleranz" und ein "Reifedefizit". Bei allen Männern berichtet er von Alkoholproblemen. Ein Urteil wird am Mittwoch, 8. Juni, erwartet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: