Regensburg:Der ewige Traum von der Stadthalle in Regensburg

Regensburg: Hier könnte einmal ein Kongresszentrum entstehen, das hoffen jedenfalls die Befürworter des Projekts. Das Kepler-Areal und der Ernst-Reuter-Platz am Regensburger Hauptbahnhof sind als Standort im Gespräch.

Hier könnte einmal ein Kongresszentrum entstehen, das hoffen jedenfalls die Befürworter des Projekts. Das Kepler-Areal und der Ernst-Reuter-Platz am Regensburger Hauptbahnhof sind als Standort im Gespräch.

(Foto: Stadt Regensburg/Effenhauser)

Bereits zum dritten Mal seit 1999 diskutiert die Stadt über Sinn und Unsinn eines Kongresszentrums. Die Gegner ärgern sich, weil den Bürgern das Projekt untergejubelt werden soll.

Von Andreas Glas

Wenn es stimmt, was man sich erzählt, hätte Hans Schaidinger auch deshalb gern eine Stadthalle gehabt, damit Regensburg öfter mal im Fernsehen läuft. Als er 1996 Oberbürgermeister wurde, gab es noch Röhrenfernseher, "Wetten, dass . . ?" und Thomas Gottschalk, der aus der Stadthalle in Graz oder Böblingen grüßte. Aus Regensburg hat er nie gegrüßt, Regensburg hatte keine Stadthalle. Das wollte Schaidinger (CSU) ändern. Er wollte so eine Halle am Donaumarkt bauen, 1999 war das. Doch in einem Bürgerentscheid sagten die Regensburger: Nein. Damit begann der wohl längste Treppenwitz der jüngeren Stadtgeschichte.

Sieben Jahre später, 2006, versuchte es Schaidinger erneut mit der Halle - und scheiterte wieder am Bürgerwillen. Und jetzt? Gibt es kein "Wetten, dass . . ?" mehr, aber eine Stadthalle wollen die Stadtoberen immer noch. Oder besser: ein RKK, ein Kultur- und Kongresszentrum. Weil das nicht so nach 1999 klingt, als zwei Drittel der Regensburger "Nein" zur Halle am Donaumarkt sagten, aber 75 Prozent mit "Ja" stimmten, falls sich ein besserer Standort auftut. Diesen besseren Ort glauben die Stadträte inzwischen gefunden zu haben: den Ernst-Reuter-Platz am Hauptbahnhof. Die Bürger haben sie diesmal nicht gefragt. Das könnte ein Fehler gewesen sein.

"Die Grenze der Lächerlichkeit" sei erreicht, sagt Karl Bierl, 67. Gemeinsam mit den Studenten Anna-Lena Schnaudt und Quirin Quansah plant der Naturschützer, das RKK ein drittes Mal zu stoppen. Bald werden sie anfangen, die nötigen 7000 Unterschriften für einen Bürgerentscheid zu sammeln. Dann, sagt Bierl, werde man sehen, ob die Regensburger tatsächlich dasselbe wollen wie ihre Stadträte.

Der dritte Akt der Posse begann im Frühjahr 2017, als die Stadt die Bürger zu Ideenwerkstätten lud. "So stelle ich mir Demokratie und Stadtgesellschaft vor", sagte Grünen-Stadtrat Jürgen Huber. Als die Stadt auch noch Fragebögen an die Bürger schickte, merkte aber selbst der letzte Regensburger, dass er bei der wichtigsten Frage gar nicht mitbestimmen darf. Denn in den Fragebögen ging es nicht drum, ob das RKK gebaut wird, sondern "eher um das Wie", sagt Bürgermeisterin Gertrud-Maltz-Schwarzfischer (SPD).

"Ein Witz" seien die Fragebögen gewesen, sagt RKK-Gegner Bierl, eine Farce. Es sei "nur darum gegangen, eine Zustimmung zu erzeugen" für ein Projekt, das längst beschlossen war. Auch im Netz und in Leserbriefspalten hagelte es Spott. "Es haben sich viele verarscht gefühlt", sagt Bierl. Die Befragung "war ein Erfolg", sagt dagegen die Bürgermeisterin. Jeder Dritte habe die Bögen zurückgeschickt, die Zustimmung sei groß. Zudem sei die RKK-Entscheidung von "gewählten Stadträten" getroffen worden, "da kann man ja nicht sagen, dass das undemokratisch ist". Und durch die Ideenwerkstätten habe man ermöglicht, dass die Bürger das RKK "und die anderen Projekte, die in dem Raum entstehen sollen, mitdenken".

Die Bürger bekommen das Kongresszentrum "untergejubelt"

Diese "anderen Projekte", die rund um dem Ernst-Reuter-Platz entstehen sollen, sind ein Zentraler Omnibusbahnhof (ZOB) und eine Trasse für "den Nahverkehr der Zukunft", wie die Stadt es formuliert, eine Stadtbahn etwa. Gute Ideen, findet RKK-Gegner Bierl. Nur sei es nicht in Ordnung, alle Ideen in eine Befragung zu rühren und den Bürgern ein Kongresszentrum "unterzujubeln". Zudem habe sich die Stadt seit dem Bürgerentscheid 1999 verändert. Heute, findet Bierl, brauche Regensburg kein Kongresszentrum mehr.

Es gebe schon das Audimax an der Uni, die Donauarena im Stadtosten - und das Marina-Forum, das bald auf dem früheren Schlachthof-Areal öffnet. Ein 4200-Quadratmeter-Komplex mit großem Saal für 750 Personen und kleinerem Saal für 170, dazu Ausstellungsflächen, elf Tagungsräume. "Für jeden Anlass die passenden Räume", schreibt die Stadt auf der Homepage des Forums. Da fragt man sich tatsächlich: Braucht es das RKK überhaupt?

Das Marina-Forum, sagt die Bürgermeisterin, "deckt nicht den Bedarf, der nach einem Kongresszentrum da ist". Es fehle ein "großer Saal, der nicht isoliert ist und die entsprechenden Räumlichkeiten für Kongresse hat". Die RKK-Gegner fragen sich, welche Kongresse das sein sollen, die derart viel Platz brauchen. Viele glauben, dass es nur ums Prestige geht. Falsch, sagt Maltz-Schwarzfischer, "es geht nicht ums Prestige oder, wie damals, um 'Wetten, dass . .?'. Es geht um Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur."

Auch in Regensburg braucht man bezahlbare Wohnungen

Das RKK berührt auch ein Thema, das der Mehrheit der Regensburger mehr am Herzen liegt als Kongresse und Konzerte: bezahlbarer Wohnraum. Dort, wo sich die Stadt das RKK hinwünscht, steht derzeit noch das Lutherhaus. Ein "Schandfleck", sagen nicht wenige über den hohen Betonklotz. Andererseits: Im Lutherhaus und nebenan im Keplerhaus waren jahrzehntelang Sozialräume und Studentenwohnungen der Diakonie untergebracht, einst 220 Zimmer. Die Miete lag bis zuletzt unter 200 Euro. Bis Monatsende müssen die letzten Bewohner ausziehen. "Studenten werden verdrängt", damit "Industrie- und Lobbyverbände" Kongresse abhalten könnten, sagt Politikstudent Quansah.

Falsch, sagt die Bürgermeisterin, man wolle im RKK auch Räume für Vereine einrichten oder eine Bücherei. Und die Studentenwohnungen seien "baulich in einem so schlechten Zustand, dass eine weitere Nutzung gar nicht mehr genehmigt worden wäre". Auch eine Sanierung des Betonensembles, das die Stadt in Erbpacht von der Diakonie erwirbt, sei "nahezu unmöglich". Daher sei vereinbart worden, dass die Diakonie zum Ausgleich neue Wohnungen in Uni-Nähe baut. Ein Alibi-Deal, findet Anna-Lena Schnaudt, da die neuen Wohnungen "so oder so notwendig gewesen wären".

Und noch etwas stört die RKK-Gegner: Dass für den Bau wohl sehr viele sehr alte Bäume gefällt werden müssten, die rund um den Ernst-Reuter-Platz stehen. Dabei ist dieser sogenannte "Alleengürtel" denkmalgeschützt. "Dann bleibt wahrscheinlich nichts mehr übrig", fürchtet Karl Bierl. Dafür könnten andere Flächen des Alleengürtels "wieder grün werden", hält Gertrud Maltz-Schwarzfischer dagegen. Trotzdem sagt auch die Bürgermeisterin: "Bäume werden fallen müssen, wenn wir das alles verwirklichen." Doch ob es dazu überhaupt kommt? Das Thema bewegt die 164 000- Einwohner-Stadt. Es dürfte für die RKK-Gegner nicht allzu schwer sein, 7000 Unterschriften zu sammeln. Wie ein Bürgerentscheid dann ausgeht, ist schwer zu prophezeien. Fest steht: Scheitert das Kongresszentrum ein drittes Mal, führt die Witztreppe endgültig ins Absurde.

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