Rede im Landtag:Seehofer rechtfertigt seine Asylpolitik

Plenarsitzung im Landtag

"Der beste Schutz gegen Rechtsradikalismus ist das Lösen von Problemen": Horst Seehofer im Landtag.

(Foto: Sven Hoppe)

Kurz vor der Sommerpause will Horst Seehofer ein paar Dinge im Landtag zurechtrücken. Am Ende ist selbst die Opposition angetan.

Von Daniela Kuhr und Wolfgang Wittl

Alles, was Horst Seehofer an diesem heißen Mittwochmorgen für seine Rede im Landtag benötigt, ist ein kleiner Zettel im DIN-A5-Format. Sechs Punkte hat sich der Ministerpräsident dort aufgeschrieben. Sämtliche weiteren Botschaften, die er den Abgeordneten mit auf den Weg geben will, weiß er auch so. Aus dem Bauch heraus, aus dem Kopf, vielleicht auch aus dem Herzen. Es scheint Seehofer jedenfalls ein tiefes Bedürfnis zu sein, ein paar Dinge zurechtzurücken - an diesem letzten Sitzungstag vor der Sommerpause.

"Das Parlament", beginnt der Ministerpräsident, "muss ein Seismograf der Lebenswirklichkeit sein." Bayern sei traditionell ein weltoffenes Land, ein Land, in dem die Integration gelinge. Es gebe ein hohes Maß an Humanität und Solidarität, stellt Seehofer klar - und weiß vermutlich ganz genau, dass mittlerweile jeder im Saal darauf wartet, wann nun endlich das "Aber" kommt. Bei Punkt vier ist es soweit: Angesichts der aktuellen Flüchtlingszahlen aber "kommen wir an die Grenzen der Leistungsfähigkeit, der Belastungsfähigkeit". Es gebe Tage, an denen 1231 Flüchtlinge in den Freistaat Bayern kämen. "Niemand kann davor die Augen verschließen." Kein Tag vergehe mehr, an dem ihm nicht Landräte und Bürgermeister "sehr emotional ans Herz legen: Wir können nicht mehr".

Seehofer verteidigt erneut die Pläne, die die Staatsregierung bei ihrer Klausur am Tegernsee beschlossen hat: Zwei Aufnahmezentren speziell für Balkan-Flüchtlinge sollen eingerichtet werden, weil diese größtenteils ohnehin keinen Asylgrund und somit keine Bleibeperspektive hätten. Für diesen Vorschlag war Seehofer massiv kritisiert worden. SPD und Grüne werfen ihm vor, rechtsradikales Gedankengut zu fördern. Auch die von der CSU verfolgte Idee, Kosovo, Albanien und Montenegro zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, stößt auf Kritik.

Seehofer spricht von "massenhaften Asylmissbrauch"

Seehofer aber weist darauf hin, dass gut 40 Prozent der Menschen, die nach Deutschland kämen, vom Balkan stammten - und nicht schutzbedürftig seien. "Wir müssen zwischen Zuwanderern mit echtem Schutzbedürfnis und Zuwanderern ohne Bleibeperspektive unterscheiden." Sonst bestehe die Gefahr, dass bald kein Geld mehr für Investitionen da sei und Leistungen für die hiesige Bevölkerung gekürzt werden müssten.

An SPD und Grüne gerichtet, sagt Seehofer: "Selbst wenn wir in den vergangenen Wochen kein einziges Wort verloren hätten, hätte die Bevölkerung das Problem trotzdem erlebt." Es sei ein großer Irrtum, zu glauben, man müsse nur ordentlich schweigen, dann merke niemand etwas. So bekämpfe man weder Rechtsradikalismus noch Rattenfänger. Im Gegenteil: Der beste Schutz gegen Rechtsradikalismus sei die Lösung von Problemen.

"Bevor wir Leistungen für unsere Bevölkerung kürzen, ist es unsere Pflicht, diesen massenhaften Asylmissbrauch, ja, so nenne ich ihn auch vor dem Parlament, einzudämmen und abzustellen." Schon zuvor hatte Seehofer bei einigen Gelegenheiten vom "massenhaften Asylmissbrauch" gesprochen und sich damit harsche Kritik eingehandelt.

Welche Vorschläge aus anderen Bundesländern kommen

Auch am Mittwoch im Landtag wirft ihm die SPD-Abgeordnete Angelika Weikert vor: "Sie reden ein Kippen der gesellschaftlichen Stimmung regelrecht herbei. Das ist brandgefährlich." Doch Seehofer fühlt sich ungerecht behandelt und weist darauf hin, dass auch Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann sich offen dafür gezeigt hat, weitere Länder zu sicheren Herkunftsländern zu erklären.

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte sogar "eine große zentrale Aufnahmeeinrichtung in Deutschland für Menschen vom Westbalkan" ins Spiel gebracht. "Da gibt es überhaupt keine Kritik", sagt Seehofer - und fügt ironisch hinzu: "Der ist ja von der SPD." Auch als Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) schnellere Abschiebungen gefordert habe, habe das niemand kritisiert. "Nur wenn wir das sagen, ist es sofort brandgefährlich", stellt Seehofer fest.

Diesmal aber kommt von der Opposition Lob: "Ich begrüße es, dass Sie in dieser Debatte auf Scharfmachertöne verzichtet haben", sagt Margarete Bause, die Fraktionssprecherin der Grünen, zu Seehofer. Gleichzeitig fordert sie den Ministerpräsidenten auf, seine Pläne zu überdenken. Die meisten Flüchtlinge vom Balkan seien Roma. "Wollen Sie wirklich Sonderzentren für Roma?", fragt Bause. Eine Einladung sei das "an alle Wirrköpfe dieser Welt, sich auf den Weg und Krawall zu machen".

Warum die Opposition Seehofers Rede lobt

SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher gratuliert Seehofer zu einer "staatstragenden, fast landesväterlichen Rede". Nur solle er solche Worte nicht nur im Landtag, sondern auch im Bierzelt sprechen. Hätte die CSU schon früher auf die Vorschläge des Parlaments gehört, "wären wir heute weiter", sagt Rinderspacher. Große Reden ersetzten noch lange kein gutes Regierungshandeln. Aber Seehofer sei eben ein Mann mit vielen Gesichtern.

Nicht dass ihn dieser Satz berühre, sagt Seehofer. Aber er reizt ihn immerhin so sehr, dass er noch einmal ans Rednerpult tritt. "Sie werden in den sieben Jahren meiner Regierungszeit nichts finden, was nicht versprochen, zugesagt und erfüllt worden wäre", sagt er. Und prognostiziert: Der Weg, den Bayern beim Asyl beschreite, "wird demnächst allgemeiner deutscher Standard sein".

Im Übrigen habe er seine Wortwahl kein bisschen verändert. CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer wird in kleiner Runde noch deutlicher: Der kursierende "linke Kampfbegriff" von den "Abschiebelagern" stamme nicht von der CSU - und werde der Sache auch nicht gerecht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: