Rechtsausschuss im Bayerischen Landtag:Unbekannte Akten zum Oktoberfest-Attentat

Gedenken zum 30. Jahrestag des Oktoberfest-Attentats

Gedenken zum Jahrestag des Oktoberfest-Attentats

(Foto: dpa)

"Keine bayerische Behörde kann von sich aus den Ordner aufmachen": Vor dem Rechtsausschuss des bayerischen Landtags verteidigt Landespolizeipräsident Wilhelm Schmidbauer die schleppende Aufarbeitung des Oktoberfest-Attentats - und irritiert die Opposition.

Von Frank Müller

Die bayerische Polizei bereitet sich auf eine mögliche Wiederaufnahme der Ermittlungen zum Oktoberfestattentat von 1980 vor - sieht sich dabei aber mit vielen weißen Flecken im offiziellen Aktenbestand konfrontiert. Das wurde in einer Sitzung des Rechtsausschusses im Landtag bei einem Auftritt von Landespolizeipräsident Wilhelm Schmidbauer deutlich.

Der frühere Münchner Polizeichef berichtete dabei auf Antrag der SPD, was aus den umfangreichen Materialien zu dem Anschlag geworden ist. Diese würden derzeit gesichtet und nach und nach dem Hauptstaatsarchiv übergeben. Es gebe aber bei der Staatskanzlei, der Bereitschaftspolizei sowie bei der Stadt München, der Feuerwehr und der niedersächsischen Polizei noch immer nicht gesichtete Akten und darüber hinaus beim bayerischen Verfassungsschutz noch als geheim eingestuftes Material, sagte Schmidbauer. Dies sei zurzeit Stoff für "tiefergehende Recherchen" des Innenministeriums.

Die Frage bislang nicht eingesehener Akten ist bedeutend, weil sowohl die Opposition als auch Experten wie der Opferanwalt Werner Dietrich die Einzeltäterthese bei dem blutigsten Anschlag der deutschen Nachkriegsgeschichte anzweifeln. Die Behörden halten dagegen daran fest, dass der Attentäter Gundolf Köhler seinen mörderischen Plan im Alleingang und ohne politische Motive verübte. Schmidbauer rechtfertigte dies: "Wir als Polizei können nicht Mutmaßungen in die Welt setzen, sondern nur das behaupten, was wir auch beweisen können." Der Landespolizeipräsident gestand aber zu, Köhler habe Kontakte in die rechtsextreme Szene gehabt, mit dieser sympathisiert und sei in ihr auch aktiv gewesen.

Dass auch 34 Jahre danach nicht alle Unterlagen ohne Weiteres einsehbar seien, sei unvermeidlich, sagte Schmidbauer im Ausschuss. So habe die Geheimhaltung für Akten im Innenministerium selbst erst im vergangenen Monat aufgehoben werden können.

Bei Ausschusschef Franz Schindler (SPD) stieß das auf Unmut. "Es mutet schon irgendwie eigenartig an", sagte er. "Es werden die Akten in Archive verschoben und damit wird zum Ausdruck gebracht, das ist ein Kapitel für die Geschichte, da mögen sich vielleicht die Historiker noch drüber Gedanken machen." Schmidbauer wies das zurück: "Es ist der richtige Weg, dass diese Akten an die Archive abgegeben werden." Das erleichtere die Einsicht. "Der Aktendeckel ist nicht zu."

Zugleich rechtfertigte der Landespolizeichef, dass die bayerischen Behörden derzeit vermuteten neuen Hintergründen nicht selbst nachgehen. Die Entscheidung über eine mögliche Wiederaufnahme des zwei Jahre nach der Tat eingestellten Verfahrens liege beim Generalbundesanwalt, sagte Schmidbauer. "Keine bayerische Behörde kann von sich aus den Ordner aufmachen." Ausschusschef Schindler bestritt das und zog eine Parallele zu den NSU-Attentaten. Auch dabei hätten sich Morde im Nachhinein in völlig neuem Licht als rechtsextreme Taten gezeigt. "Wer eigentlich hindert nun bayerische Sicherheitsbehörden daran, sich auch diesen Fall genauso wie die vielen anderen nicht geklärten noch einmal anzuschauen?"

Eine Rolle bei den neuen Erkenntnissen spielte auch der Fall der nun aufgetauchten Zeugin, deren Aussage nahelegt, dass Köhler Mitwisser hatte. Sie habe bei einem rechtsextremen Schüler einen Tag nach der Tat einen Nachruf auf Köhler gefunden, obwohl dessen Name damals noch gar nicht bekannt gewesen sei und dies der Polizei mitgeteilt. Petra Guttenberger (CSU) sagte: "Das wären dann in der Tat neue Erkenntnisse." Diese würden einen neuen Bericht erforderlich machen. Schmidbauer sagte, in den Polizeiakten gebe es "keine Erkenntnisse für eine derartige Zeugenaussage".

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