Rechnungshof rügt Bayerische Gewebe-Bank:Herzklappen und Hornhäute - ein Zuschussgeschäft

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400 Herzklappen hatte sie einkalkuliert, angefordert wurden nur 13: Der Oberste Rechnungshof rügt in seinem Jahresbericht die Bayerische Gewebe-Bank, die sich beim Handel mit Herzen grob verkalkuliert hat.

Von Katja Riedel und Mike Szymanski

Wenn die Prüfer vom Bayerischen Obersten Rechnungshof (ORH) an diesem Dienstag in ihrem Jahresbericht wieder Fälle von Geldverschwendung anprangern, zielen sie zur Abwechslung nicht nur im übertragenen Sinn mitten ins Herz. Dieses Mal geht es konkret um Herzen, beziehungsweise um Teile davon, und um eine Bank, die sich im Handel damit - heute würde man sagen - verzockt hat.

Bayerns Gewebe-Bank - so heißt das 2009 vom Klinikum der Universität München und dem Deutschen Herzzentrum in München gegründete Tochterunternehmen - steckt jedenfalls so tief in den roten Zahlen, dass der ORH nach Informationen der Süddeutschen Zeitung von einer "Fehlinvestition" spricht und nahelegt, die Bank abzuwickeln.

Der Fall führt in die Transplantationsmedizin, die nach allerlei aufgedeckten Skandalen im Umgang mit Spenderorganen ohnehin nicht gut dasteht. Noch häufiger als Organe verpflanzen Mediziner Gewebespenden: Augenhornhäute, Herzklappen, Knochen - aufbereitet und gelagert wird das Material in Gewebe-Banken. Die Bayerische Gewebe-Bank sollte jedenfalls laut Selbstdarstellung über den "Eigenbedarf der Gesellschafter hinaus künftig auch weitere Kliniken in München und Umgebung mit Gewebepräparaten" versorgen.

Aber das Geschäft funktioniert aus Sicht der Rechnungsprüfer nicht , der Bedarf wurde offenbar falsch eingeschätzt. Statt prognostizierten etwa 400 Herzklappen wurden wohl nur 13 angefordert, statt 800 Augenhornhäuten nur 44, verlautete vorab. Die Gründe seien unterschiedlicher, manchmal ganz einfacher Natur. In der Praxis würden beispielsweise künstliche Herzklappen bevorzugt.

Jedenfalls mussten die Gesellschafter für ihre Bank bereits eine Art Rettungspaket schnüren und offenbar mehr als 800 000 Euro nachschießen, um, wie es heißt, Mehrkosten aufzufangen. Beim Klinikum war am Montag noch keine Stellungnahme zu dem Sachverhalt zu bekommen. Im Wissenschaftsministerium spricht man von "wohl zu optimistischen Zahlen". Eine Sprecherin sagte: "Wie es mit der Gewebe-Bank weitergeht, muss man sehr sorgfältig prüfen."

"Finanzieller Blindflug"

Im übertragenen Sinne zielen die Rechnungsprüfer mit ihrem Bericht ins Herz der Staatsregierung, wenn sie sich den Haushalt vornehmen. Gerade im Wahljahr erwartet Schwarz-Gelb viel Lob, schließlich will die Regierung allein im Doppelhaushalt 2013/2014 nun insgesamt 1,5 Milliarden Euro an Schulden zurückzahlen. Der ORH dürfte sich bestätigt fühlen, schließlich hatte er 2011 angesichts unerwartet hoher Steuereinnahmen von Ministerpräsident Horst Seehofer gefordert, stärker Kredite zurückzuzahlen.

Anfangs hatte Seehofer dies noch als unerhörte Einmischung zurückgewiesen, dann aber wenig später das Ziel ausgegeben, Bayern bis 2030 komplett schuldenfrei zu machen. Ob das zu erreichen ist? Im Wahljahr sind noch einmal ungeplante Mehrausgaben in dreistelliger Millionenhöhe als Ersatz für den Wegfall der Studiengebühren und ein Bildungspaket dazugekommen, das sich die Liberalen gewünscht hatten. Überhaupt hat Schwarz-Gelb den Etat von Jahr zu Jahr immer weiter aufgebläht - von etwa 41 Milliarden im Jahr 2009 auf etwa 49 Milliarden für 2014. Angesichts der Finanzkraft Bayerns sei vom ORH mit "Kritik auf hohem Niveau" zu rechnen, heißt es.

Der ORH-Bericht ist immer auch ein Gradmesser dafür, wie locker das Geld im Freistaat gerade tatsächlich sitzt: In Ingolstadt stießen die Rechnungsprüfer jedenfalls auf einen staatlich finanzierten Biergarten für 2,4 Millionen Euro. Und bei der flächendeckenden Einführung des Digitalfunks, die seit Jahren auf sich warten lässt, sprechen die Prüfer von einem "finanziellen Blindflug". Im München hat eine Privatschule den Freistaat bei Zuschüssen über den Tisch gezogen.

© SZ vom 19.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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