Raubtier in Starnberg:Immer mehr Wölfe in Bayern unterwegs

Raubtier in Starnberg: Wölfe, wie dieser im Norden von Starnberg, tauchen immer häufiger im Münchner Umland auf. Die Stadt aber meiden sie.

Wölfe, wie dieser im Norden von Starnberg, tauchen immer häufiger im Münchner Umland auf. Die Stadt aber meiden sie.

(Foto: Landesamt für Umwelt)
  • In Bayern sind immer mehr Wölfe unterwegs, sie kommen wohl aus dem Süden.
  • Das gesichtete Tier in Starnberg ist wohl auf der Durchreise.
  • In ganz Deutschland gibt es inzwischen 31 Rudel.

Von Christian Endt und Christian Sebald

Für die Starnberger ist es eine aufregende Nachricht: Zum ersten Mal seit zehn Jahren ist in ihrem Landkreis vergangene Woche ein Wolf gesichtet worden. Eine eigentlich für Wildschweine gedachte Kamerafalle hat am 7. März ein Beweisfoto aufgenommen. Auf ganz Bayern bezogen werden Wolfssichtungen dagegen zunehmend zur Normalität. Wurde 2010 und 2011 in Bayern je ein Tier nachgewiesen und in den beiden darauffolgenden Jahren kein einziges, gab es 2014 schon drei Wolfsbeobachtungen. Im vergangenen Jahr zogen mindestens fünf Exemplare durch den Freistaat.

"Tendenziell werden es mehr Wölfe", sagt Stefanie Jaeger, die sich bei der Gregor Louisoder Umweltstiftung um Wildtiere in Bayern kümmert. Das liege vor allem daran, dass sich die Beutegreifer insgesamt vermehren. Vor allem in Sachsen leben inzwischen wieder viele Wölfe, aber auch in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. "In Deutschland gibt es inzwischen 31 Rudel", sagt Jaeger. "Damit wird es wahrscheinlicher, dass ein Jungtier loszieht und sich ein eigenes Revier sucht."

Wölfe kommen wohl aus dem Süden

Markus Bathen, Wolfsexperte beim Naturschutzbund Nabu, tippt bei den bayerischen Wölfen eher auf eine Herkunft aus dem Süden. In den italienischen und französischen Alpen leben inzwischen viele Wölfe, ebenso in der Schweiz und in den Vogesen. "Es ist naheliegender, dass die Wölfe von dort nach Bayern einwandern." Der Wolf, der 2006 im Landkreis Starnberg überfahren wurde, konnte mittels Gentest einem Rudel aus der Nähe von Nizza zugeordnet werden. Bathen hofft darauf, dass sich in Bayern irgendwann die Wolfspopulationen aus den Alpen und aus Ostdeutschland begegnen: "Für den Artenschutz wäre es wichtig, dass sich die Gene vermischen, um mehr Vielfalt zu haben."

Woher der nun gesichtete Wolf stammt, ist bisher unklar. Die Herkunft wird sich erst aufklären lassen, wenn man auf genetische Spuren von ihm stößt - entweder an den Überresten eines Beutetieres, das er gerissen hat, oder an Exkrementen, auf die man zufällig stößt. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, solche Spuren zu finden, gering. Denn es ist völlig unklar, wo sich der Wolf derzeit aufhält. "Keiner kann wissen, ob er in Bayern bleibt oder weiterwandert", sagt der Wolfsexperte Ulrich Wotschikowsky.

In einer Nacht kann ein junger Wolf Strecken von 50 Kilometern überwinden. Da die Sichtung im Landkreis Starnberg bereits mehr als eine Woche zurückliegt, kann das Wildtier also bereits einige Hundert Kilometer weitergezogen sein. Wenn ein Wolf genügend Beutetiere und Rückzugsorte findet, könne er sich aber auch mehrere Wochen in der gleichen Gegend aufhalten, sagt Wotschikowsky.

Der Wolf ist auf der Durchreise in Starnberg

Trotzdem hält es der gelernte Förster für sehr unwahrscheinlich, dass sich das junge Raubtier ausgerechnet in den Wäldern im Norden von Starnberg niederlässt - wenn auch nur vorübergehend. Dafür sind die Gebiete dort zu klein und vor allem zu unruhig. Es sind zu viele Spaziergänger, Jogger, Radfahrer und andere Erholungssuchende unterwegs. Für Wotschikowsky ist es denn auch am wahrscheinlichsten, dass "der Wolf auf der Durchreise ist", auf der Suche nach einem ruhigen Gebiet, wo er ein weitläufiges Revier abstecken kann, und einem jungen Weibchen, mit dem er ein Rudel gründen kann.

Allerdings ist es nicht so, dass Wölfe besiedelte Gebiete grundsätzlich meiden. "In der Lausitz wagen sie sich nachts gelegentlich in die Dörfer", sagt Stefanie Jaeger, auch im Berliner Umland seien schon Wölfe gesichtet worden. Solange er Nahrung und Deckung finde, gehe der Wolf auch in Richtung der Stadt. "Es nicht so, dass der Wolf unbedingt eine ursprüngliche Wildnis braucht", sagt Jaeger.

Man muss andererseits auch nicht damit rechnen, dass der Wolf bald nächtelang durch Münchens Vororte zieht. "In den Städten finden Wölfe kein Futter." Anders als etwa Füchse, die gelegentlich Mülleimer durchwühlen, sind Wölfe reine Fleischfresser und greifen nur im Notfall auf Abfälle zurück.

Wenn der Wolf einmal durch einen Ort streift, bekommen die Anwohner das in der Regel gar nicht mit. Die scheuen Tiere sind nachtaktiv, untertags wären ihnen die Menschen viel zu umtriebig. Obwohl es in Europa inzwischen mehr als 10 000 Wölfe gibt, kommt es fast nie zu einem Angriff auf Menschen. "Für Menschen besteht durch den Wolf keine Gefahr", sagt Stefanie Jaeger.

Ein größeres Problem seien Übergriffe auf Weidetiere, vor allem Schafe. Solange nur einzelne Tiere durch den Freistaat streifen, sei das zwar auch kein großes Thema. "Aber man sollte sich rechtzeitig damit auseinandersetzen", so Jaeger. Dann sei man vorbereitet, wenn sich irgendwann das erste Rudel dauerhaft in Bayern niederlässt.

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