Puder, Prunk und Partystimmung:Rocking Rokoko

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Fünf Tage lang schwelgen die Ansbacher in Gedenken an den "wilden Marktgraf" Carl Wilhelm Friedrichin höfischer Pracht. Die schlossartige Orangerie und der barocke Hofgarten bilden dazu die passende Kulisse

Von Claudia Henzler, Ansbach

Man kann die vielen Mittelalterfeste gar nicht mehr zählen, so ausgiebig wird in den Sommermonaten das Zeitalter der Burgen, Ritter und Vasallen nachgespielt. Für die fränkische Stadt Ansbach aber ist eine anderen Epoche von Bedeutung. Dort lassen Laiendarsteller zusammen mit dem städtischen Kulturamt jedes Jahr mit großer Spielfreude und aufwendigen Kostümen die Ära des Rokoko aufleben. Oder zumindest eine Interpretation dieser Zeit, die sich auf das höfische Leben mit prächtigen Kleidern und gepuderten Perücken konzentriert. Erklärter Zweck der Rokoko-Festspiele ist es, das "markgräfliches Erbe" Ansbachs zu pflegen.

Die Herrschaftsjahre des Markgrafen Carl Wilhelm Friedrich (1729 bis 1757) prägen Ansbach bis heute. In seinem Auftrag ließ der italienische Architekt Leopoldo Retti die Residenz in jenem üppigen Stil ausgestalten, der heute "Ansbacher Rokoko" genannt wird. Auch das Stadtbild veränderte der bauwütige Markgraf nachhaltig. Etliche Straßenzüge, Kirchen und Bauwerke erinnern an jene Zeit, in der Ansbach als Zentrum eines Fürstentums Bedeutung hatte. Heute ist die 40 000-Einwohner-Kommune zwar die Bezirkshauptstadt von Mittelfranken, steht aber doch in Nürnbergs sehr langem Schatten.

Wie glanzvoll Ansbachs Vergangenheit tatsächlich war, ist diskussionswürdig. Carl Wilhelm Friedrich war ein absolutistischer Herrscher, dem Historiker wegen seiner vielen Liebesabenteuer, seiner Leidenschaft für Jagd und Falknerei und nicht zuletzt wegen seines Jähzorns den Titel "der wilde Markgraf" verliehen haben. Sein prunkvoller Lebensstil brachte ihn außerdem immer wieder in Geldnot. Der Ansbacher Heimatverein weiß um die problematischen Eigenschaften des Markgrafen, erinnert aber auch an eine zweite Seite: Carl Wilhelm Friedrich habe sich um das Wohl seiner Untertanen gekümmert. Zu keiner anderen Zeit seien im Raum Ansbach so viele Schulen und Kirchen entstanden.

Bei den Rokoko-Festspielen hat die Politik aber ohnehin keine Bedeutung, das hat die fünftägige Veranstaltungsreihe mit den Mittelalterspektakeln anderswo gemeinsam. Die Ansbacher schwelgen in höfischer Pracht, was durchaus zum Lebensstil des Markgrafen passt, und wollen die Zuschauer möglichst gut unterhalten. Die schlossartige Orangerie und der barocke Hofgarten bilden die passende Kulisse für Freiluftvorstellungen, bei denen ein "Sommerliches Maskenfest" und das "Markgräfliche Hochzeitsfest" nachempfunden werden. Ob es so einen Ball nach der Hochzeit des Fürsten mit der kränkelnden Prinzessin Friederike Luise von Preußen gab, weiß man nicht. Sicher ist, dass die Ehe unglücklich verlief und sich Carl Wilhelm Friedrich schon bald eine Nebenfrau zulegte.

Treibende Kraft der Festspiele ist der Heimatverein mit seiner Tanzgruppe, die das ganze Jahr über Tänze wie Gavotte, Menuett und Allemande einübt, Kostüme schneidert und Perücken pflegt. Zwischen 40 und 50 Paare werden bei den Vorstellungen ihre vom Rokoko inspirierte Choreografien zeigen, beobachtet vom Markgrafen und umrahmt von huldvoll flanierenden Statisten. Schon vor mehr als hundert Jahren hat der Heimatverein mit einem Theaterstück an den "wilden Markgrafen" erinnert, die Festspiele entwickelten sich in den Nachkriegsjahren. Noch immer hat der Verein die künstlerische Leitung, inzwischen sind aber auch viele andere Gruppen - Falkner, Musikgruppen, Gaukler und Zauberer - beteiligt, so dass sich die Stadt ums Organisatorische kümmert. Ein Höhepunkt der Festspiele, die vom 29. Juni bis 3. Juli dauern, ist der kommende Sonntag, an dem heuer auch das offizielle Fest zum "Tag der Franken" begangen wird. Besucher können bei freiem Eintritt die "Fürstliche Gartenlust" mit Reit- und Flugvorführungen, barocker Musik und Tanz erleben.

© SZ vom 25.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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