Prüfbericht:100-Millionen-Euro Defizit bei BR: Rechnungshof präsentiert Details

Ob das Funkhaus des Bayerischen Rundfunks saniert oder abgerissen wird, ist noch nicht entschieden.

Das Hauptgebäude des Bayerischen Rundfunks in München

(Foto: dpa)
  • Der BR hat von 2010 bis 2014 ein Defizit von mehr als 100 Millionen Euro angehäuft.
  • Das Gehalt des Intendanten stieg um 5,3 Prozent auf beachtliche 325 380 Euro im Jahr.
  • Um Geld zu sparen, soll es spürbar mehr Wiederholungen und Übernahmen von anderen dritten ARD-Programmen geben.

Von Daniela Kuhr und Claudia Tieschky

Nun liegt er also vor, der Bericht zur Finanzlage des Bayerischen Rundfunks (BR), der im Vorfeld schon für großen Wirbel gesorgt hat. Am Dienstagmorgen hat der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) ihn veröffentlicht.

Das Alarmierendste daran, nämlich die Zahlen, sind vergangene Woche bereits durchgesickert: Demnach hat der BR von 2010 bis 2014 mehr als 100 Millionen Euro Defizit angehäuft - besondere Probleme bereitet die Altersvorsorge.

Doch darüber hinaus enthält der Bericht des ORH, der den öffentlich-rechtlichen Sender durchleuchtet hat, weitere Details - von denen einige weitaus mehr Menschen interessieren dürften, als die derzeitige Finanzlage des Senders.

Zum Beispiel widmen die ORH-Prüfer sich der Serie Dahoam is dahoam, die zu den beliebtesten BR-Produktionen zählt - und die im vorigen Jahr ins Gerede gekommen ist durch einen Auftritt von Finanz- und Heimatminister Markus Söder (CSU), der dort seelenruhig für seine Politik werben konnte. Diese Programmidee brachte den einst als CSU-Sender verschrienen BR arg in die Bredouille.

BR-Intendant verdient in etwa soviel wie die Bundeskanzlerin

Doch der Rechnungshof befasst sich nicht mit politischem Product Placement, sondern mit den Kosten der Soap. Da monierte der ORH den stets nur kurzfristig verlängerten Mietvertrag für das Gelände in Dachau, auf dem das Filmdorf "Lansing" steht - während gleichzeitig bei den Bavaria Filmstudios, an denen der BR beteiligt ist, die Kulissenstraße brach liegt, wie der ORH anmahnt.

Derzeit läuft der Mietvertrag für Lansing noch bis Ende 2016. Die Prüfer empfehlen, falls Dahoam ist Dahoam fortgesetzt wird, die Produktionsressourcen der Bavaria zu nutzen, und zwar "unter Marktbedingungen".

Ein weiteres interessantes Detail ist das Gehalt des Intendanten: Von 2010 bis 2014 stieg es um 5,3 Prozent auf beachtliche 325 380 Euro im Jahr - was in etwa dem Jahresgehalt der Bundeskanzlerin entspricht. Im gleichen Zeitraum verlor der BR allerdings Marktanteile.

"Nahezu allen Dritten Programmen" sei es in den vier Jahren gelungen, "ihre Publikumsakzeptanz im eigenen Sendegebiet zu erhöhen", heißt es im ORH-Bericht. Nur beim BR und dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) seien die Marktanteile gesunken. "Im bundesweiten Ranking rutschte der BR hinter dem MDR, dem NDR und dem WDR auf den vierten Platz ab."

Nicht-Fußball-Fans dürfte eine Information auf Seite 72 des ORH-Berichts etwas sauer machen: Demnach verursacht die ARD-Sportschau mit ihrer Berichterstattung über die Fußball-Bundesliga mit Abstand die höchsten Kosten im Vorabendprogramm.

Eine Minute Sportschau kostet 40 000 Euro

Ganze 40 000 Euro kostet eine Minute Sportschau. Zum Vergleich: Eine Minute einer Quiz-Sendung kostet 2000 Euro, eine Minute "Verbotene Liebe" oder "Marienhof" 3500 Euro und das "Großstadtrevier" 10 000 Euro. Die Berichterstattung über die Fußball-Bundesliga summiere sich jährlich auf einen dreistelligen Millionenbetrag, so viel kosteten Lizenzen und Produktion, schreibt der ORH.

Während sich das Vorabendprogramm ansonsten direkt aus den Werbeeinnahme finanziere, sei das bei der Sportschau nicht der Fall. "61 Prozent der Lizenzkosten trugen die Landesrundfunkanstalten." Deshalb bleibe der ORH "bei seiner Auffassung, dass beim Erwerb der Rechte eine deutlich zurückhaltendere Strategie geboten ist".

Äußerst skeptisch beurteilen die Prüfer das Bullyversum, ein teilweise interaktives 3D-Erlebnishaus, das seit 2011 die über 22 Jahre etablierte Stuntshow in der Bavaria Filmstadt ersetzt hat. 2014 habe eine Umfrage unter den Besuchern ergeben, dass das Bullyversum nicht sonderlich gut ankomme. Viele hätten lieber wieder die Stuntshow gehabt.

Letztlich hätten die Besucherzahlen des Bullyversums die Planungen weit unterschritten, sodass es "entscheidend zu den negativen Betriebsergebnissen" der Bavaria Filmstadt beigetragen habe, heißt es im Bericht weiter. "Die Fortsetzung dieses Angebots in der heutigen Form sollte aus wirtschaftlichen Gründen kritisch hinterfragt werden."

Kein Bedarf für zweite Filmhalle auf dem Bavariagelände

Auch eine Flugzeug-Drehkulisse ist den Prüfern unangenehm aufgefallen: Sie wurde 2009 von den Bavaria Studios & Production Services für 363 000 Euro errichtet, weil ein Produzent darum gebeten hatte.

"Aus Sicht der ORH ist nicht nachvollziehbar, dass aufgrund einer einzigen konkreten Anfrage eine derart aufwendige und kostenintensive Kulisse gebaut wurde." Das zeige, "dass der Investition kein belastbarer Investitionsplan zugrunde lag". Zumal die Kulisse an maximal 20 Tagen im Jahr benutzt worden sei, die Studiofläche aber ganzjährig belegt habe.

Keinen Bedarf sieht der ORH zudem für eine zweite Filmhalle auf dem Gelände der Bavaria Film GmbH. Diese drängt darauf, weil die bestehende Halle mit gut 3000 Quadratmetern Fläche zu klein sei.

Das könne man daran sehen, dass die Produktion "Die drei Musketiere" wegen der benötigten 7500 Quadratmeter nicht in Grünwald, sondern in Babelsberg produziert worden sei. Doch der ORH glaubt "angesichts der schwachen Auslastung der Bayerischen Filmhalle" nicht an den Bedarf.

Was vermutlich auch viele Fernsehzuschauer interessieren wird: Der Sparkurs von Intendant Wilhelm schlägt sich demnächst direkt aufs Programm nieder. Mit der angekündigten Reform im kommenden Frühjahr wird es dort spürbar mehr Wiederholungen und Übernahmen von anderen dritten ARD-Programmen geben.

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