Prozession zu Mariä Himmelfahrt:Marias Showmaster

Zehntausende Gläubige lockt Prälat Wilhelm Imkamp mit seiner Lichterprozession jedes Jahr nach Maria Vesperbild in Schwaben. Als Stargast predigte diesmal Georg Gänswein. Der Sekretär von Papst Benedikt fuhr aus dem Vatikan vor - und deutete an, dass er dort nicht weiter bleiben möchte.

Von Stefan Mayr, Ziemetshausen

Der Prälat und apostolische Protonotar empfängt in allerbester Laune. "Wie wäre es mit einem Aperitif?", fragt Wilhelm Imkamp. "Vielleicht ein Campari?" Es ist halb ein Uhr mittags. Der "Wallfahrtsdirektor" im schwäbischen Dorf Maria Vesperbild geleitet seine Gäste in sein Büro im Obergeschoss, es riecht nach Pfeifenrauch und alten Büchern. Imkamp schließt das Fenster und den Rolladen und lässt sich auf dem monumentalen Ohrensessel aus Leder nieder.

"Es ist ein wenig unordentlich hier", sagt der 62-Jährige. Nun, das ganze Zimmer ist voller Bücher. Nicht nur in den Regalen und auf den Tischen, auch auf dem Boden stehen Büchertürme herum. Sie lassen nur noch schmale Geh-Pfade frei. Der Raum ist zudem voller Gemälde und kirchlicher Statuen - und Bulldoggen-Figuren. Links und rechts von seinem Sessel stehen zwei Tische mit Dutzenden Pfeifen, die er genüsslich brummend raucht. Er lässt sich von der Haushälterin mit Schürze Saft und Wasser bringen, mischt sich eine Apfelschorle mit Eiswürfeln und sagt: "Ich hasse Hektik."

Wilhelm Imkamp ist einer der prominentesten und zugleich umstrittensten Geistlichen Schwabens oder gar Bayerns. Die einen kritisieren ihn als gnadenlosen Selbstdarsteller, die anderen loben ihn als begnadeten Verkündiger der frohen Botschaft. Reportern drückt er eine drei Finger dicke Pressemappe in die Hand, darin sind alle Zeitungsartikel über Maria Vesperbild und ihn enthalten. Nicht einfach nur kopiert, sondern allesamt auf Hochglanzpapier bedruckt. "Ich bin nicht mediengeil", sagt er, "die Medien sind nun mal Verkündigungsmittel."

Markige Sprüche wie "So geht katholisch"

Imkamp hat Maria Vesperbild seit seinem Amtsantritt 1988 zu einem populären Treffpunkt der Marienverehrung ausgebaut - auch mit markigen Sprüchen und Auftritten in TV-Talkshows. Er bezeichnet sich als "Lautsprecher Gottes", was so mancher Kleriker als Anmaßung empfindet. Imkamp entgegnet: "Das ist nicht anmaßend, sondern demütig. Ich bin ja nur der Lautsprecher, in den Gott reinspricht." Nicht sehr demütig klingt allerdings das Motto, unter dem er am Feiertag Mariä Himmelfahrt zu seiner Lichterprozession lud: "So geht katholisch."

Mariä Himmelfahrt in Maria Vesperbild, das ist alle Jahre wieder der Höhepunkt der Marienverehrung und Volksfrömmigkeit in Süddeutschland. Und für Inkamp ein Blick ins Paradies. Zu dem Riesen-Spektakel in der schwäbischen Provinz kommen die Gläubigen busweise aus der ganzen Republik. In Kirchenkreisen wird der Ortsteil der Gemeinde Ziemetshausen (Kreis Günzburg) auch "der schwäbische Vatikan" genannt.

Dort war an diesem Freitag der Star des echten Vatikan zu Gast: Kurien-Erzbischof Georg Gänswein, der Präfekt des Päpstlichen Hauses und Privatsekretär des emeritierten Papstes Benedikt XVI. In kirchenfernen Medien wird er gerne als "George Clooney des Vatikan" gepriesen. Während Papst Franziskus in Südkorea das luxuriöse Leben von Priestern anprangert, verbringt Gänswein seinen Urlaub im heimatlichen Schwarzwald. In Maria Vesperbild fährt er mit einem grauen Mercedes-B-Klasse vor. Ohne Fahrer. Das einzige Außergewöhnliche an dem Wagen ist das Kennzeichen: CV für Città del Vaticano.

Gänswein kann seine Ambitionen nicht verhehlen

Noch bevor er das Open-Air-Pontifikalamt unter dem gelben Zeltdach zelebrieren kann, bricht eine Frau auf dem Kirchenplatz bereits in Tränen aus. Sie ist überwältigt von der Pracht des feierlicher Einzugs. Voran schreiten bunt uniformierte junge Männer von katholischen Studentenverbindungen aus Augsburg, Freiburg und Innsbruck mit Reiterstiefeln, Säbeln und Hüten. Der Musikverein Ziemetshausen spielt Blasmusik. Die Marienfigur steht in einem Meer aus weißen Orchideen und Rosen, getragen von vier Männern mit Anzügen, hellblauen Krawatten und weißen Handschuhen.

Maria Vesperbild

Am Freitag war Georg Gänswein zu Gast: Er segnete Kinder.

(Foto: Stefan Puchner)

Dahinter Georg Gänswein mit Mitra, Bischofsstab und mächtiger klerikaler Entourage. Ab und an bleibt er stehen und segnet ein kleines Kind. Auf der Lichtung unweit der Wallfahrtskirche versammeln sich Tausende Menschen. Im Anzug, in Tracht und Dirndl, in Trainingshosen. Sie stehen bis in den Wald hinein und filmen das Gottesdienst-Happening. Bevor das Hochamt beginnt, begrüßt Wallfahrtsdirektor Imkamp über Lautsprecher erst einmal die prominenten Besucher. Gloria von Thurn und Taxis ist da, wie immer. Aktuelle Minister fehlen diesmal. Voriges Jahr saßen noch Ilse Aigner und Beate Merk in der ersten Reihe. Jetzt, im Nichtwahljahr, ist es nur lokale Politprominenz.

Privatsekretär bis ans Lebensende?

Die Hauptrolle heute hat eindeutig Georg Gänswein. Er predigt leicht verständlich, in einfachen und klaren Sätzen, und erfrischend kurz. Zwischendurch setzt er seine Lesebrille auf. In diesen Momenten wirkt der 58-Jährige nicht mehr ganz so jugendlich wie sonst. "Ergreifen wir dankbar und voller Zuversicht die Hand der Gottesmutter", ruft er, "sie lässt unsere Hand nicht mehr los." Im Verlauf des Gottesdienstes klingeln auch Handys. So mancher nimmt den Anruf entgegen und ratscht, während Gänswein den Altar in Weihrauch hüllt.

Nach dem Abendmahl und der Lichter-Prozession durch den Wald zur Mariengrotte mit ihrem spektakulären Blumenteppich geht es zur Brotzeit in den Pfarrsaal. Bei Bier und Brezen, Kaviar und sauer eingelegtem Limburger spricht Gänswein offen über seine Zukunft. Immer wieder wird er ja als Kandidat auf einen deutschen Bischofsstuhl gehandelt, doch er wiegelt ab: "Überall, wo ein Amt frei wird, ist eine Wahl. Und wo gewählt wird, habe ich keine Chance." Er sei eine Art "Negativ-Joker", es gebe "Vorurteile", die ihn als "konservativ und rückständig" erachten. Auf die Frage, ob er denn gerne ein (Erz-)Bistum leiten würde, sagt er: "Ein Priester wird Priester, um in der Seelsorge tätig zu sein. Und ein Bischof wird Bischof, um Hirte einer Herde zu sein."

Maria Vesperbild

Die Lichterprozession lockt stets zahlreiche Pilger nach Maria Vesperbild. Dort gibt es aber weit mehr zu bestaunen - etwa diesen Blumenteppich.

(Foto: Stefan Puchner)

Ambitionen auf den Bischofsstuhl

Man kann das so verstehen, dass er sich nach dem Dienst am Menschen sehnt und sich die Versetzung auf einen Bischofsstuhl wünscht. Andererseits betont er, dass er derzeit seine Aufgaben in Rom habe, die er auch gerne erfüllt, weil er in ihnen den Willen Gottes sehe. Einer der Kleriker im Pfarrsaal sagt hinter vorgehaltener Hand, dass Gänswein wohl bis an Benedikts Lebensende dessen Privatsekretär bleiben müsse und werde.

Auch Imkamp werden regelmäßig Ambitionen auf einen Bischofsstuhl nachgesagt. Doch er winkt ab: "Ich kenne zu viele Bischofsleben, um dieses Leben erstrebenswert zu finden." Er verspüre "keinerlei Lust", seinen Lebensstil zu ändern. Vielmehr bleibe er lieber "Hausmeister der Gottesmutter", sagt er, legt den Kopf auf das Ohr seines Sessels und zieht leise brummend an seiner Pfeife.

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