Prozess wegen Totschlags:21-Jährige soll ihr Baby getötet haben

  • Eine 21-jährige Frau steht wegen Totschlags vor dem Landgericht Weiden.
  • Sie soll ihr Baby heimlich geboren und in einen Müllsack gesteckt haben. Das Baby wurde später in einem Müllcontainer gefunden.
  • Die Angeklagte bestreitet, dass sie das Baby töten wollte.

Von Andreas Glas

Das Leben des Mädchens begann in einer Toilettenschüssel und endete in einem Müllcontainer. So viel ist sicher. Was dazwischen geschah, soll nun Richter Walter Leupold herausfinden. Es ist Freitagvormittag, als die Angeklagte den Saal im Landgericht Weiden betritt.

Eine junge Frau mit rot gefärbtem Haar, ihr Gesicht versteckt sie hinter einem Blatt Papier. Fotografen sind da, Kameramänner und etwa 80 Zuschauer. Sie wollen wissen, wer sich hinter dem Blatt Papier verbirgt. Wer die Frau ist, die ihr Baby in einem Müllsack sterben ließ.

Totschlag wirft die Staatsanwaltschaft der 21-jährigen Oberpfälzerin vor, aber auch Mord hält sie für möglich. Die Frau soll das Baby im April dieses Jahres heimlich zur Welt gebracht haben - auf der Toilette eines Supermarkts.

Die Angeklagte bestreitet, dass sie ihr Baby töten wollte

Die Nabelschnur habe sie durchgerissen, sagt die Angeklagte, dann habe sie einen Plastiksack aus dem Behälter neben dem Waschbecken genommen und den Säugling in den Sack gesteckt. Den Sack, sagt die junge Frau, habe sie mit Papiertüchern ausgepolstert und bewusst nicht zugeknotet, damit das Baby Luft bekomme. Dass sie ihr Baby töten wollte, bestreitet sie.

Rechtsmediziner Stephan Seidel schildert dem Richter eine andere Version. Er hat geknüllte Papiertücher in Mund und Rachen der Babyleiche entdeckt. Das Papier sei "reingequetscht worden", sagt Seidel, "so massiv, dass es nur durch fremde Hand passiert sein kann".

Das Papier sei "der Hauptgrund" gewesen, dass das Baby erstickt sei, sagt der Rechtsmediziner - und bringt die Angeklagte in Erklärungsnot. Mehrmals fragt der Richter die 21-Jährige, ob sie ihrem Baby die Papierknäuel in den Mund gesteckt habe. Und immer wieder sagt sie: "Ich war's nicht." Glauben will ihr das weder der Richter noch der Staatsanwalt, das ist bereits an diesem ersten Prozesstag spürbar.

Zu spüren ist auch, dass der Richter einen ganz anderen Verdacht hat: Dass die Angeklagte ihrem Baby den Mund gestopft hat, damit es nicht schreien und niemand die Tat mitkriegen konnte. Vor allem nicht ihr Vater, mit dem sie zum Tatzeitpunkt einkaufen war und plötzlich für 40 Minuten auf der Supermarkttoilette verschwand.

Wer von der Schwangerschaft wusste

Zweimal soll der Vater an die Toilettentür geklopft und seine Tochter gefragt haben, wann sie endlich rauskomme. Als sie dann rauskam, hatte sie Blutspuren an ihrer Kleidung. Ob der Vater sie darauf angesprochen habe, wisse sie nicht mehr. Die Wahrheit hätte sie ihm wohl ohnehin nicht erzählt. Denn ihr Vater, sagt die 21-Jährige, habe von ihrer Schwangerschaft nichts gewusst.

Nur ihr Freund, der Vater des Kindes, habe es gewusst - und von ihr verlangt, dass sie das Kind abtreiben, dass sie "eine Lösung für das Problem" finden solle. Ihrem Vater habe sie die Schwangerschaft aus Angst verheimlicht, dass er sie aus seiner Wohnung werfen würde, in der sie mit dem Vater und ihren beiden Söhnen lebt. Für ein drittes Kind wäre die Wohnung zu klein gewesen, erzählt die Angeklagte.

Trotzdem habe sie vorgehabt, noch mal in die Supermarkttoilette zurückzukehren, ihr Kind aus dem Plastiksack zu holen und in eine Klinik zu bringen. "Aus Scham" habe sie es dann doch nicht getan. Zwei Tage später wurde der Sack mit der Babyleiche in einem Müllcontainer des Supermarkts gefunden. Der Sack war zugeknotet.

Die nächsten vier Prozesstage dürften sich um die Frage drehen, wie sehr sich die Angeklagte von ihrem Umfeld unter Druck gesetzt und zu ihrer Tat getrieben fühlte. Und darum, ob und weshalb neun Monate lang niemand die Schwangerschaft bemerkte. Der Prozess geht kommende Woche weiter.

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