Prozess wegen Betrug und Untreue:Kuriose Missstände in Neuschwanstein

Schloss Neuschwanstein.

Angeklagt sind zwei ehemalige Verwaltungsmitarbeiter von Schloss Neuchwanstein.

(Foto: dpa)

Am ersten Prozesstag in Kaufbeuren wird klar: In dem Märchenschloss Neuschwanstein herrschte jahrelang Chaos. Die Mitarbeiter sollen sich auf Staatskosten selbst bedient haben. Doch im Verlauf der Verhandlung kommen noch mehr Missstände ans Licht.

Von Stefan Mayr, Kaufbeuren

Die Bayerische Schlösser-Verwaltung hat jahrelang angestelltes und verbeamtetes Personal zusätzlich als freie Mitarbeiter für Sonderführungen und Sonderveranstaltungen beschäftigt und damit womöglich gegen das Verbot von Scheinselbstständigkeit verstoßen.

Diesen Vorwurf hat jedenfalls der Vorsitzende des Bezirkspersonalrates Josef Öttl am Dienstag vor dem Amtsgericht Kaufbeuren erhoben. Dies war nur einer von zahlreichen vermeintlichen Missständen in der Schlösserverwaltung, die im Betrugsprozess um falsche Abrechnungen auf Schloss Neuschwanstein angesprochen wurden.

In dem Märchenschloss haben jahrelang chaotische Zustände geherrscht, und einer Selbstbedienung durch die Mitarbeiter auf Staatskosten waren Tür und Tor geöffnet. Das ist die Quintessenz der Zeugenaussagen am ersten Prozesstag. Angeklagt sind zwei ehemalige Verwaltungsmitarbeiter des Schlosses; die Staatsanwaltschaft Kempten wirft ihnen Untreue und Betrug in besonders schwerem Fall vor.

Sie sollen zwischen 2007 und 2010 Einnahmen von Sonderführungen einbehalten und falsch abgerechnet haben. Die Angeklagten wiesen die Betrugsvorwürfe zurück. Die Verteidigerin des beschuldigten ehemaligen Schlossverwalters betonte, ihr Mandat habe nur ein langjähriges System fortgeführt und die Schlösserverwaltung habe seit Jahren von der Praxis der Bargeldzahlungen gewusst. Diesen Vorwurf wies Jochen Holtmann, Abteilungsleiter der Schlösserverwaltung, im Zeugenstand zurück.

Mitarbeiter nutzen Dienstfahrzeuge privat

Im weiteren Prozessverlauf kam ein kurioser Missstand nach dem anderen ans Tageslicht. So berichtete Zeuge Hubert Nikol, der von 2010 bis 2012 Amtsvorstand in Neuschwanstein war, dass Mitarbeiter die Werkstatt und Dienstfahrzeuge privat benutzten und im Schloss private und nicht verbuchte Führungen durchführten. Jochen Holtmann von der Schlösserverwaltung bestätigte, dass auf Neuschwanstein und in der Residenz Würzburg Fremdenführer für Sonderführungen Barzahlungen kassiert haben.

Diese seien aber legal als Selbständige tätig gewesen. Dennoch sei dieses Konstrukt inzwischen beendet worden. Die Staatsanwaltschaft Kempten wertet diese Praxis an Fiskus und Sozialbehörden vorbei als Betrug und Untreue. Deshalb hat sie Strafbefehle gegen die Angeklagten erlassen. Der Prozess wird Mitte Juli fortgesetzt.

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