Prozess:Vier Jahre Haft für Technosan-Chef

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Der Gründer der Entsorgungsfirma hatte giftigen Müll illegal gelagert

Von Christian Deussing, München

Nach 62 Prozesstagen um die illegale Entsorgung von Industriemüll durch die Firma Technosan aus Krailling (Kreis Starnberg) ist am Montag vor dem Landgericht München II das Urteil gefallen: Der frühere Chef Alexander C. muss wegen gewerbsmäßiger betrügerischer Giftmüllgeschäfte, wegen Hinterziehung von Sozialabgaben in 96 Fällen und wegen unerlaubten Waffenbesitzes für vier Jahre hinter Gitter. Der Gesamtschaden, den er verursachte, betrug 3,7 Millionen Euro. Der 49-jährige Firmengründer, der bereits 18 Monate in Untersuchungshaft gesessen hat, nahm das Urteil regungslos auf. Sein damaliger Betriebsleiter in der Verwertungsanlage Neuötting, Wolfgang B., Maschinenführer Stefan S. sowie die frühere Assistentin in der Kraillinger Zentrale, Daniela T., kamen wegen Beihilfe mit Bewährungsstrafen davon. Richter Rupert Heindl begründete das Urteil vor allem damit, dass schon 2006 das Gelände in Neuötting "einem Chaos entsprach". Die "Stoffströme" - also woher die Materialien kamen und wohin sie gebracht wurden - seien oft unklar gewesen. Die Gewinne seien zum Großteil nur zu erzielen gewesen, weil Materialien umdeklariert worden seien.

Die Staatsanwaltschaft hatte für C. sechs Jahre und neun Monate Haft gefordert. Sie warf dem Industriekaufmann vor, in mehr als 200 Fällen Tausende Tonnen Gleisschotter, teerhaltigen Bauschutt und verseuchtes Erdreich in Gruben und Deponien rechtswidrig entsorgt zu haben. Viele Schadstoffe seien quecksilberhaltig und krebserzeugend gewesen. Im Fokus standen 33 Standorte - in den Landkreisen Altötting, Mühldorf, Erding und Ebersberg sowie in Niederbayern und der Oberpfalz.

Die Recyclingfirma mit ihren 50 Mitarbeitern gibt es nicht mehr; die Verwertungsanlage in Neuötting musste im November 2012 schließen, nachdem sich der Verdacht krimineller Machenschaften erhärtet hatte. Bald danach wurde der Firmenchef in Krailling verhaftet. Bei den Ermittlern hatten der Neuöttinger Betriebsleiter und sein Maschinenführer ausgepackt. Sie gestanden Manipulationen bei der Software und der Bandwaage, getrickst wurde zudem mit Etiketten und Materialproben, um sie "passend für niedrigere Schadstoffwerte" zu machen. Dagegen hatte Firmenchef C. zum Prozessauftakt am 30. April 2014 nur eingeräumt, unter Wettbewerbs- und Preisdruck "Fehler gemacht" und sich finanziell übernommen zu haben.

Dass auf dem Gelände vieles nicht vorschriftsmäßig funktionierte, schien den Kontrolleuren vom Landratsamt Altötting offenbar nicht so recht aufzufallen. Zum Beispiel, dass sich unerlaubt außerhalb der Hallen hochbelasteter Müll türmte und Lastwagen auf dem Areal daher nicht mehr wenden konnten. Im Verfahren fragte der Vorsitzende Richter häufig, wie das passieren konnte, und wunderte sich über die fehlenden oder mangelhaften Kontrollen. Vertreter der Aufsichtsbehörde und Umweltingenieure gerieten vor der 5. Wirtschaftsstrafkammer in Erklärungsnöte, sie verwiesen auf Personalengpässe. Die Überwacher haben sich offenbar auch von dem "zertifizierten Entsorgungsfachbetrieb" schlicht blenden lassen. Einer der Verteidiger hatte provokativ angemerkt, ob man vielleicht "blöd, blind oder bestochen" gewesen sei?

Die Verteidiger stellten eine konkrete Gefährdung der Umwelt in Abrede, weil bei den genommenen Proben "nirgends ein Umweltschaden nachgewiesen" worden sei. Sie kritisierten überdies den "unüberschaubaren Wust von Vorschriften" in der Branche.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

© SZ vom 20.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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