Prozess:Väter der Zwölf Stämme auf der Anklagebank

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Wegen der Prügelvorwürfe gegen die umstrittene Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme" muss sich von Montag an ein 54-Jähriger vor dem Amtsgericht im nordschwäbischen Nördlingen verantworten. Er ist zusammen mit weiteren zwei Männern im Alter von 43 und 57 Jahren wegen Misshandlung Schutzbefohlener und gefährlicher Körperverletzung angeklagt.

Das Verfahren gegen den 54-Jährigen wurde abgetrennt und wird zunächst verhandelt, der Prozess gegen die beiden anderen Männer soll später folgen. Den drei Angeklagten wird vorgeworfen, vor etwa einem Jahrzehnt zwei Geschwister mehrfach mit bis zu 1,20 Meter langen Ruten mit Schlägen auf den Hintern gezüchtigt zu haben. Den Opfern, die inzwischen junge Erwachsene sind, sollen dadurch nicht nur Schmerzen zugefügt worden sein. Die damaligen Kinder hätten auch Angstzustände bekommen. Die Züchtigungen sind nach Angaben der Ermittler aufgrund der Regeln der Glaubensgemeinschaft erfolgt.

Bereits in der Vergangenheit gab es einzelne Strafverfahren gegen Mitglieder der umstrittenen Gemeinschaft. Nun hat die Staatsanwaltschaft weitere Untersuchungen abgeschlossen. Danach wurde auch eine 55 Jahre alte Lehrerin angeklagt, die sechs Kinder mit Rutenschlägen gezüchtigt haben soll. Die Frau habe bei den Opfern "zum Teil auch bis heute andauernde psychische Beeinträchtigungen verursacht", berichtete die Staatsanwaltschaft.

Gegen eine Mutter wurde zudem ein Strafbefehl erlassen, weil sie ihren elfjährigen Sohn mit einem Stock geprügelt haben soll. Da die 53-Jährige Einspruch eingelegt hat, könnte auch dieser Fall in einem Prozess verhandelt werden.

Im September 2013 hatte die Polizei wegen der Vorwürfe gegen die Sektenmitglieder rund 40 Kinder aus den Gemeinschaften im schwäbischen Deiningen und im mittelfränkischen Wörnitz geholt. Die Eltern wehrten sich in der Folge vor den Familiengerichten gegen die Wegnahme ihrer Töchter und Söhne. Ein Teil der Verfahren wegen Sorgerechtsentzugs beschäftigt die Gerichte bis heute. In anderen Fällen durften Kinder zu ihren Familien zurück.

Für Schlagzeilen hatten die "Zwölf Stämme" schon Jahre zuvor gesorgt, weil sie sich weigerten, ihre Kinder auf staatliche Schulen zu schicken. Das bayerische Kultusministerium hatte der Sekte deswegen erlaubt, eine eigene Schule zu unterhalten. Im Sommer 2013 wurde die Genehmigung für die Schule im Ortsteil Klosterzimmern in Deiningen (Landkreis Donau-Ries) widerrufen. Mittlerweile hat die Sekte angekündigt, nach Tschechien und in andere europäische Länder ziehen zu wollen, weil sie sich in Deutschland von Staat verfolgt fühlt. Ihr Anwesen in Wörnitz haben die "Zwölf Stämme" inzwischen an die politische Gemeinde verkauft, wie Bürgermeister Karl Beck (parteilos) bestätigt. Die Gemeinde will den ehemaligen Gasthof zu einem Bürgerhaus umfunktionieren.

© SZ vom 16.11.2015 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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