Prozess um Babyleichen:Mord oder nichts

Babyleichen-Fund - Mordprozess

Die Angeklagte weinte beim Prozessauftakt am Landgericht Hof. Ausgesagt hat sie aber an keinem Verhandlungstag.

(Foto: Ebener/dpa)

Ihr wird vorgeworfen, zwei ihrer Kinder umgebracht zu haben - doch die angeklagte Mutter hat in dem Verfahren am Landgericht Hof geschwiegen. Ihr Verteidiger fordert einen Freispruch, der Staatsanwalt will sie wegen Mordes im Gefängnis sehen.

Von Katja Auer, Hof

Es gibt Zuschauer, die schnaufen entrüstet als sie hören, was Rechtsanwalt Jürgen Schmidt vor dem Landgericht Hof am Freitag fordert: Freispruch für die Frau, deren zwei Babys im vergangenen Jahr bei Bauarbeiten in Bad Alexandersbad ausgegraben worden sind. Neugeborene, die irgendwann zwischen 1985 und 1988 auf die Welt gekommen sein sollen und gestorben sind, weil sich die Mutter nicht um sie kümmerte. So steht es in der Anklageschrift. Anschließend soll sie die Kinder in Plastiktüten verpackt und im Garten vergraben haben.

Es gibt zwei Versionen von den Geschehnissen vor mehr als 25 Jahren. Dass die 53-jährige Angeklagte die Mutter der beiden Kinder ist, steht nach einem Gentest und zehn Verhandlungstagen fest, ebenso, dass ihr Ehemann der Vater ist. Viel mehr aber auch nicht. Weil die Leichen schon stark verwest waren, ließ sich bei der Obduktion weder feststellen, ob die Babys bei der Geburt lebten, noch, woran sie gestorben sind.

Indizien gibt es, beispielsweise dass beide Kinder voll ausgebildet und damit den Gutachtern zufolge sehr wahrscheinlich lebensfähig waren, und so ist Oberstaatsanwalt Reiner Laib überzeugt, dass die Babys lebten, alle beide, ein Mädchen und ein Bub, und dass ihre Mutter sie in der Toilette, wo sie auch geboren wurden, unversorgt sterben ließ. Und zwar aus "selbstsüchtigen und niedrigen Beweggründen". Wegen Mordes in zwei Fällen müsse die Frau deshalb verurteilt werden, sagt Laib, er fordert acht Jahre Gefängnis.

Es kann in diesem Verfahren nur eine Freiheitsstrafe wegen Mordes geben, wofür besondere Merkmale wie die niedrigen Beweggründe festgestellt werden müssen. Oder einen Freispruch. Denn Totschlag, also die vorsätzliche Tötung ohne die besonderen Mordmerkmale, verjährt nach 20 Jahren.

Die Mutter äußerte sich während des Prozesses nicht, sie weinte nur, oder schüttelte den Kopf. Richter Matthias Burghardt hatte an einem der letzten Verhandlungstage eindringlich an sie appelliert, doch noch auszusagen. Vergeblich.

Aussage unter Jetlag?

Vor einem Jahr war die 53-Jährige, die in einem evangelischen Bildungshaus als Hauswirtschafterin arbeitete, bei ihrer Rückkehr von einer USA-Reise von der Polizei am Flughafen in Empfang genommen worden. Wenige Tage zuvor waren in Bad Alexandersbad die Babyleichen entdeckt worden. Damals erzählte die Frau bei der Polizei von den Geburten und den Bestattungen, allerdings unter großem Druck, wie Verteidiger Schmidt sagte. Er wollte nicht, dass die Aussage vor Gericht zugelassen wurde. Seine Mandantin habe unter Jetlag gelitten, sie sei nicht ausreichend über ihre Rechte belehrt worden und habe zudem nicht auf die Toilette gehen dürfen.

Dem widersprachen die Polizeibeamten. Auch ein Gutachter bezweifelte, dass die Frau vernehmungsunfähig gewesen ist. Sie sei mindestens normal, vielleicht sogar überdurchschnittlich intelligent, sagte Psychiater Thomas Wenske vor Gericht, und sie habe auch keine psychische Erkrankung. Er bescheinigte ihr volle Schuldfähigkeit.

Womit Staatsanwalt und Verteidiger die Tat erklären

Oberstaatsanwalt Laib geht davon aus, dass sie die Babys nicht haben wollte, weil sie "möglichst bequem weiterleben" wollte. Sie habe ihren Lebensstandard nicht aufgeben wollen. Die Frau hatte schon drei Kinder zur Welt gebracht, die in der Familie lebten, ein viertes hatte sie 1985 geboren und zur Adoption freigegeben.

Ihr Mann wusste nichts von den weiteren Schwangerschaften. Dass sie Angst vor dem Gerede der Leute und der Schwiegermutter gehabt habe und davor, dass das Geld nicht reiche, wie sie es bei der Polizei gesagt habe, seien reine Schutzbehauptungen, sagt der Oberstaatsanwalt.

Verteidiger Schmidt dagegen spricht von "drei menschlichen Tragödien". Er plädiert für einen Freispruch. Zum einen, da nicht bewiesen sei, dass die Kinder wirklich gelebt hätten. Zum anderen gebe es keine niedrigen Beweggründe. Er zählt andere Urteile auf, krasse Fälle, bei denen Frauen, die ihre Babys erstochen, erwürgt, erschlagen haben, auch nur wegen Totschlags verurteilt wurden. Es klingt wie ein Vergleich, bei dem seine Mandantin verhältnismäßig gut wegkommt. Ein Urteil soll am Mittwoch fallen.

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