Prozess um Amoklauf:Rätselhafte Bluttat

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Ein Mann hat 2005 in der Oberpfalz wahllos in einem Wirtshaus auf Gäste geschossen. Über die Motive des Täters, der sich von diesem Dienstag an vor Gericht verantworten muss, kann bisher nur spekuliert werden.

Die Einschusslöcher in den Wänden des Gasthofs "Schlosser" im bayerischen Saltendorf sind längst verputzt. Doch die seelischen Wunden, die ein Amokläufer bei 50 Gästen des Wirtshauses Ende Oktober 2005 hinterlassen hat, sind noch nicht verheilt.

Vielen Zeugen der Tat graut vor dem am Dienstag vor dem Landgericht Amberg beginnenden Prozess gegen den 50-jährigen Maschinenbauer. Er muss sich wegen Mordes und versuchten Mordes in sechs Fällen verantworten.

Es war ein Verbrechen, das die Menschen in der Oberpfalz sprachlos machte. Die Frage nach dem Warum ist auch anderthalb Jahre nach der Festnahme des Täters, der eine der größten Fahndungsaktionen in der Geschichte Bayerns vorausging, nicht geklärt.

Fest steht nur: Der seit einigen Jahren arbeitslose Mann suchte an jenem Abend die Dorfkneipe auf und schoss wahllos auf die in der Wirtsstube sitzenden Gäste. Der 67-jährige Andreas W., ein Feuerwehrkamerad des Täters, starb im Kugelhagel. Sechs weitere Menschen, darunter die Gastwirtin, erlitten erhebliche Verletzungen.

"Nichts ist mehr, wie es war"

Der als Eigenbrötler bekannte Angeklagte flüchtete zunächst. Erst nach 17 Stunden meldete er sich per Handy bei der Polizei: Mit einem weißen Hemd in der Hand ergab er sich den Beamten. Doch über sein Motiv schwieg er in allen Vernehmungen.

Justizsprecher Andreas Quentin kann es nur vage andeuten: "Es soll ihm darum gegangen sein, sich für die jahrelange Missachtung zu rächen, die er durch die Bewohner des Dorfes erfahren haben will." Spekuliert wurde im Vorfeld viel: So soll sich der Angeklagte mit seinem Bruder um das Wohnrecht auf dem Hof des Vaters gestritten und sich durch Bezeichnungen wie "faule Sau" von den Dorf-Bewohnern gedemütigt gefühlt haben. 81 Zeugen und sechs Sachverständige sollen den Wahrheitsgehalt solcher Berichte nun klären.

Ein Pfarrer hat die Gastwirtschaft nach der Sanierung neu geweiht. "Doch bei uns ist nichts mehr wie es war", sagt der Wirt, der wie seine Frau und seine Tochter selbst verletzt worden war. Noch lange nach der Tat hätten sich einige Männer nicht mehr allein auf die Straße getraut. Einer der Verletzten sitzt heute im Rollstuhl. Der 35-Jährige ist querschnittsgelähmt.

© SZ vom 16.04.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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