Prozess:Messerstecher wegen Totschlags vor Gericht

  • Weil er in Fürth einen 28 Jahre alten Passanten erstochen haben soll, muss sich ein 20-jähriger Mann vor dem Jugendgericht verantworten.
  • Angeblich wollte der Angeklagte seinen jüngeren Bruder verteidigen.
  • Zuvor hatte der 20-Jährige wohl Unmengen von Alkohol getrunken.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

"Hurensohn" habe das spätere Opfer zu ihm gesagt, und das sei so ziemlich das Schlimmste, was man über ihn sagen könne, erklärt der Angeklagte. Er soll im Februar in der Nähe einer U-Bahn-Haltestelle in Fürth einen 28-jährigen Passanten erstochen haben, jenen Mann, der ihn kurz zuvor beleidigt haben soll.

Auslöser des Streits war offenbar eine Nichtigkeit, eine kurze Rempelei mitten in der Nacht. Vor der Jugendkammer des Landgerichts muss sich der 20-jährige Gleisbauer nun gemeinsam mit zwei weiteren Angeklagten verantworten. Wegen Totschlags aber ist nur er angeklagt, den anderen wird gefährliche Körperverletzung vorgeworfen.

Der Hauptbeschuldigte, er stammt wie die beiden Mitangeklagten aus Nürnberg, versucht am ersten Verhandlungstag, seine Sicht der Dinge zu erklären. Er sei an diesem Tag eingeladen gewesen zu einer Feier in Fürth. Der 20-Jährige sagt zunächst, besagte Party habe in Fürths Jakobinenstraße stattgefunden.

Das aber ist die U-Bahn-Haltestelle, an der er später, kurz vor ein Uhr in der Nacht, laut Anklage einen Passanten erstochen haben soll. Die Feier fand wohl tatsächlich in der Karolinenstraße statt. Könne schon so sein, sagt der Hauptangeklagte, er kenne sich dort nicht so aus.

1,5-Liter-Flasche Wodka geleert

Jedenfalls habe er an diesem Tag zunächst einen Baumarkt aufgesucht, dann etwas in der Wohnung renoviert und dann kurz vor neun Uhr mit dem Trinken angefangen. Drei bis vier Bier in Halbliterflaschen, danach noch mal ein bis zwei Bier auf dem Weg zur Feier.

Das interessiert den Vorsitzenden Richter: ein bis zwei Bier auf dem Weg von Nürnberg nach Fürth? So weit sei das ja nicht, sagt der Richter. Ganz normal getrunken habe er das Bier, erwidert der Angeklagte, "das dauert schon zehn Minuten zwischen Nürnberg und Fürth".

Eine 1,5-Liter-Flasche Wodka habe man auch dabei gehabt und gemeinsam fast ausgetrunken. Eine Stunde nach Mitternacht seien dann einige in die Disco aufgebrochen, er aber habe mit Freundin, Bruder und einem Freund beschlossen, nach Hause zu fahren.

Es habe dann ein Gespräch mit der Freundin am Telefon gegeben, die wollte offenbar das Auto holen, das Navi aber funktionierte nicht und das Handy war beinahe leer.

Angeblich wollte er seinen jüngeren Bruder verteidigen

Jedenfalls glaubte er kurz darauf an der U-Bahn-Haltestelle Jakobinenstraße wahrgenommen zu haben, dass sein jüngerer Bruder mit einer Gruppe von insgesamt vier Personen in Konflikt geriet. Sein Bruder sei stark angetrunken gewesen und habe offenbar aus Versehen ein Paar angerempelt.

Dieses habe sich das lautstark verbeten. Und er glaube dann wahrgenommen zu haben, dass es zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen sei, und er sich veranlasst gesehen habe, in den Konflikt einzugreifen.

Der 20-Jährige behauptet, dass er zuerst geschlagen worden sei von seinem späteren Opfer. Er habe mehrmals versucht auszuweichen. Auch wehren habe er sich wollen, habe den 28-Jährigen aber nicht getroffen. Der habe schon seinen Bruder als "Scheiß Kanake" beschimpft und habe zu ihm dann "Los, komm doch, du Hurensohn" gesagt.

Sein Messer war in der Hosentasche

Was daran so schlimm für ihn sei, wird er gefragt. Das gehe gegen seine Familie, gegen seine Mutter, das sei das Schlimmste, antwortet der 20-Jährige. Denn seine Mutter kenne derjenige doch gar nicht. Auf jeden Fall habe er sich in der Auseinandersetzung nicht mehr anders zu helfen gewusst, als ein Messer zu zücken, dass er zufällig in der Hosentasche dabei gehabt habe.

Er habe gegen Mittag ein Päckchen aufgemacht, da habe er das Messer gebraucht. Und er habe dieses dann in der Hosentasche verschwinden lassen und sich erst wieder in der Nacht des Messers erinnert. "Es ist sehr schlimm, dass ein Mensch gestorben ist", heißt es in einer Erklärung des 20-Jährigen, die sein Anwalt vorliest, "und ich will sagen, dass mir das sehr leid tut."

Er habe keinerlei Kampferfahrung und habe nur seinen kleinen Bruder schützen wollen: "Wenn jemand meinen kleinen Bruder angreift, das ist schlimmer, als wenn er mich angreift."

Sein jüngerer Bruder, er ist wegen Körperverletzung angeklagt, erklärt, nur noch wenig zu wissen von der Nacht. Er habe viel getrunken. An die vermeintliche Rempelei könne er sich nicht erinnern, nur daran, in der Nähe der U-Bahn-Haltestelle aufgehalten und beschimpft worden zu sein.

Und daran, dass sein zwei Jahre älterer Bruder sich an der Hand verletzt und darum gebeten habe, einen Arzt zu verständigen. Für den Prozess sind fünf Verhandlungstage vorgesehen, am 23. Oktober soll das Urteil ergehen.

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