Prozess:LKA-Beamte vor Gericht: Die "Keuschheitsprobe" der Bandidos

Prozess gegen sechs LKA-Beamte

Wegen Strafvereitelung im Amt und uneidlicher Falschaussage sind sechs Beamte des bayerischen Landeskriminalamtes in Nürnberg angeklagte. Im Bild sind drei von ihnen, jeweils mit dem Rücken zur Kamera.

(Foto: dpa)
  • In Nürnberg stehen sechs Beamte des bayerischen Landeskriminalamtes vor Gericht.
  • Sie haben mit einem V-Mann zusammengearbeitet, der die Rockerbande Bandidos ausspionieren sollte, dabei sollen die Beamten selbst Straftaten begangen haben.
  • Am zweiten Verhandlungstag sagt einer von ihnen aus, zwei hatten zuvor die Aussage verweigert.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Am zweiten Verhandlungstag gegen sechs Beamte des Landeskriminalamts (LKA) am Landgericht Nürnberg-Fürth nimmt erstmals einer der Angeklagten Stellung. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm gemeinschaftliche Strafvereitelung im Amt vor. Er soll nicht verhindert haben, dass ein Mitglied der Rockergruppe "Bandidos", der als V-Mann im Dienst des Staates unterwegs war, an einem Diebstahl von Minibaggern mitgewirkt hat.

Am ersten Verhandlungstag hatten zwei Beamte keine Angaben zur Sache gemacht, der 59-jährige Kriminalhauptkommissar Helmut O. - dunkler Anzug, grauer Bart, schmale Lesebrille - ist aber sogar froh, sich nun endlich zur Sache äußern zu dürfen. Er sei seit 40 Jahren Polizist, seit er zu seiner Verwunderung als Beschuldigter geführt werde, empfinde er eine große Last, sagt er. Jeden Tag gehe er zum Dienst, immer habe er diese Sache im Kopf und müsse trotzdem so tun, als ob nichts sei. "Ich bin froh, dass ich nun endlich was beitragen kann", damit die Vorwürfe aufgeklärt werden könnten.

Stunde um Stunde stellt sich der 59-Jährige den Fragen des Gerichts, und das zumindest scheint nach seiner Aussage sicher zu sein: Der Prozess, dem 11 000 Aktenseiten zugrundeliegen, wird lange dauern; und die Beamten dürften sich die Verteidigungsstrategie zurechtgelegt haben, dass bei dem V-Mann-Einsatz womöglich allerlei schiefgelaufen ist - dass dafür aber jeweils Kollegen verantwortlich sind.

Der Angeklagte O. jedenfalls sei schon 2011, dem Jahr des Baggerdiebstahls, "erbost" darüber gewesen, dass er wichtige Mitteilungen zum bevorstehenden Bandidos-Coup einfach so per Mail zugestellt bekommen habe. Abgeschickt habe diese Mitteilungen der Mann, der sich für das LKA um die Betreuung des Spitzels im Norden Bayerns gekümmert hat, der sogenannte V-Mann-Führer. "Wir sind in München rund um die Uhr erreichbar", aber der Kollege aus Franken habe es offenbar nicht für nötig befunden, in so einer wichtigen Sache, einem wohl bevorstehenden Diebstahl, mal beim zuständigen Sachgebietsleiter anzurufen. Das habe er dem Kollegen damals schon gesagt. Besagter Kollege, der ebenfalls angeklagt ist, schweigt. Manchmal schnauft er tief durch, das ist die einzige Reaktion, die er sich erlaubt.

Warum ein Bandido, ein Serienkrimineller mit 13 Vorstrafen, überhaupt so ungehindert als Spitzel unterwegs sein durfte, einen Mercedes gestellt bekam, um einen örtlichen Bandido-Boss durchs Land zu chauffieren, und dafür satte Aufwandsentschädigungen vom Staat einstrich, das zumindest vermag der Angeklagte O. dem Gericht einigermaßen zu erklären. Der Hauptkommissar wird sehr ernsthaft, wenn er darüber redet. "Größte Priorität" habe stets, bei jedem Einsatz eines Spitzels, der Schutz des V-Mannes. Man habe mit allen Mitteln verhindern müssen, dass der Spitzel auffliegt. Für den Fall habe man immer "Ausstiegsszenarien" parat gehabt: Wäre der V-Mann enttarnt worden, "so wäre eine Rundum-Bewachung notwendig gewesen". Was die Bandidos mit einem machen, der sie ausspioniert, deutet der Kommissar nur an. Er spricht von "Repressalien".

So hätte der bevorstehende Bagger-Diebstahl auch eine gestellte "Keuschheitsprobe" der Bandidos sein können, erklärt er. Immerhin wüssten diese natürlich um die Gefahr, von der Polizei ausspioniert zu werden. Mario F., der V-Mann, sei erst relativ kurz bei den Bandidos gewesen. Solchen Neumitgliedern stellen die Rocker mitunter Fallen. Angekündigt wird dem Neumitglied ein vermeintlicher Coup, der aber nur vorgeschoben und womöglich harmlos ist. Die Polizei greift ein - und die Bandidos ahnen dann, dass der Neue ein Polizeispitzel ist. Akten gefälscht habe er jedenfalls nie, sagt O. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

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