Prozess:Landsberg hat sich verzockt - und fordert 6,9 Millionen Euro Schadensersatz

Lesezeit: 2 min

  • Am Oberlandesgericht München hat heute der Prozess um die Derivaten-Affäre in Landsberg begonnen. Die Stadt wirft dem Bankhaus Hauck & Aufhäuser mangelhafte Beratung vor und fordert Schadenersatz in Höhe von 6,9 Millionen Euro.
  • Die umstrittenen Doppel-Swap-Geschäfte wurden bereits vor mehr als zehn Jahren getätigt. Sie sollten der Stadt Gewinne bescheren, gingen aber schief.
  • Das Gericht will am 28. November entscheiden.

Von Stefan Mayr, München

Der Auftrieb war beträchtlich im Sitzungssaal E 41 des Münchner Justizpalastes. Auf der Klägerbank saß der Oberbürgermeister der Stadt Landsberg, Mathias Neuner, mit seiner Rechtsdirektorin und einem externen Anwalt. Auf der Gegenseite nahm der Chef-Syndikus des Münchner Bankhauses Hauck & Aufhäuser Platz, ebenfalls begleitet von einem externen Rechtsbeistand. Am Nachmittag gesellte sich auch noch der ehemalige bayerische FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil dazu, sein Platz war der Zeugenstuhl. Mit diesem Aufgebot versuchte der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München am Montag, gleich mehrere dicke und arg verschlungene juristische Knoten zu lösen.

Die Kernfragen lauten: Hat das Bankhaus bei der Beratung der Stadt zu hochspekulativen Swap-Geschäften gegen das Gesetz verstoßen? Muss es deshalb Schadenersatz in Millionenhöhe zahlen? Und welche Rolle spielte bei alldem Martin Zeil, der von 1998 bis 2005 die Rechtsabteilung der Bank leitete? Antworten auf diese Fragen sucht seit 2012 auch die Staatsanwaltschaft Augsburg, sie ermittelt wegen des Verdachts auf Untreue und Betrug.

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Gegen Martin Zeil wird wohlgemerkt nicht ermittelt. Dennoch schaffte der Ex-Politiker das Kunststück, zwei Stunden lang viel zu reden und nichts zu sagen. Zur Lösung der strittigen Fragen trug er jedenfalls nicht sehr viel bei. Zeil bestätigte, dass er einen "Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte" zwischen der Stadt Landsberg und Hauck & Aufhäuser "mitunterzeichnet" hatte. Zudem war er Geschäftsführer des Tochterunternehmens Hauck & Aufhäuser Finance Management GmbH, das die Stadt Landsberg bei ihren Swap-Deals beraten hatte. Zeil betonte allerdings ganz im Stile eines stellvertretenden Ministerpräsidenten a. D.: "An der Durchführung der Geschäfte waren meine Abteilung und meine Person nicht beteiligt." Ansonsten sprach Zeil vor allem einen Satz: "Dazu kann ich heute nichts mehr sagen."

Die umstrittenen Geschäfte wurden bereits vor mehr als zehn Jahren getätigt und sind hoch kompliziert. Es geht um sogenannte Doppel-Swaps, die der Stadt fette Gewinne bescheren sollten. Doch das Experiment ging - wie auch in vielen anderen Kommunen - gründlich schief. In Landsberg spricht man von der "Derivate-Affäre", die Stadt wirft dem Bankhaus Hauck & Aufhäuser KGaA mangelhafte Beratung vor und fordert Schadenersatz. Der Streitwert liegt bei 6,9 Millionen Euro. Die Klage scheiterte allerdings vor dem Landgericht München I. Parallel laufende Vergleichsverhandlungen zwischen Stadt und Bank waren ebenfalls erfolglos.

Deshalb traf man sich am Montag zur Berufungsverhandlung vor dem OLG wieder. Die Sitzung begann überaus zäh. Die ersten drei Zeugen verweigerten allesamt ihre Aussage, weil die Staatsanwaltschaft gegen sie ermittelt. Insgesamt stehen zwei Mitarbeiter der Stadt und drei Bedienstete des Bankhauses im Visier der Anklagebehörde. Schwung kam in den Termin erst, als der Anwalt der Stadt, Martin Hoffschmidt, aus einem Gutachten der Staatsanwaltschaft zitierte. Demnach seien der Stadt 5,5 Millionen Euro Schaden entstanden - und das Bankhaus habe gegen Gesetze verstoßen. "Die Betrugsabsicht könnte gegeben sein", sagte Hoffschmidt.

Hauck & Aufhäuser argumentierte dagegen bislang stets, die Stadt sei ausschließlich von einem Tochterunternehmen beraten worden. Deshalb könne die Mutter nicht schadenersatzpflichtig sein. Die Tochterfirma wurde inzwischen umfirmiert. Gegen die Nachfolge-Gesellschaft hat die Stadt Landsberg ebenfalls Klage eingereicht, sie liegt beim Landgericht München I.

Die Parteien bemühen sich um einen Vergleich

Am Montag redeten gleich zwei Richter den Parteien ausführlichst ins Gewissen. Sie empfahlen, sich endlich außergerichtlich zu einigen. Man möge doch "die Mittagspause nutzen und aufeinander zugehen", ein Vergleich wäre eine "Art Schadensbegrenzung für beide Seiten". Die Alternative sei, "dass sie jahrelang weiterprozessieren".

Daraufhin setzten sich beide Seiten sogleich im benachbarten Karstadt-Restaurant bei Apfelschorle und Wurstsemmel zu einem weiteren Annäherungsversuch zusammen. Nach einer Dreiviertelstunde zeigte sich OB Neuner optimistisch: "Das war konstruktiv, wir müssen jetzt zügig eine Summe festlegen." Weitere Gespräche sollen folgen, entscheiden müsse letztlich der Stadtrat. Wenn alles klappt, wird das mühsame Gezerre vor dem 28. November beendet. Dann will das Gericht seine Entscheidung verkündigen.

© SZ vom 08.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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