Prozess in Weiden:Rabiater Vater legt Baby in Gefriertruhe

Prozess in Weiden: Ein Vater stand wegen Kindesmisshandlung in Weiden vor Gericht.

Ein Vater stand wegen Kindesmisshandlung in Weiden vor Gericht.

(Foto: Wolfgang Wittl)

"Deckel auf und rein": Er schlug und schüttelte seine erst wenige Wochen alte Tochter, spuckte sie an und legte sie in die Gefriertruhe. Auch seine Frau attackierte der Mann mit einer Krücke. Jetzt ist er in Weiden in der Oberpfalz zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden.

Von Wolfgang Wittl

Zwei Prozesstage lang hatte der Angeklagte den Blick gesenkt gehalten. Hatte sich in seine schwarze Kapuzenjacke vergraben, als die Kameras auf ihn gerichtet waren. Nun, da der Vorsitzende Richter ihm das letzte Wort erteilt, hebt Harald S. den Kopf. Es tue ihm leid, was er seinem Kind angetan habe, sagt er. Und dass er so etwas nicht mehr machen würde. Etwa seine erst wenige Wochen alte Tochter in die Gefriertruhe zu legen. Sie zu schlagen und kopfüber durch die Wohnung zu tragen.

Oder ihre Hände zu fesseln. Für das Weidener Schwurgericht kommt die Einsicht zu spät: Wegen gefährlicher Körperverletzung mit schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen verurteilt es den 39-Jährigen zu siebeneinhalb Jahren Haft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Das "Martyrium" für das Baby, wie Richter Walter Leupold sagt, begann im vergangenen Sommer. Katja S. kam am 18. Juni zur Welt. Anfangs habe sich ihr Mann gefreut, berichtet Iris S. Doch dann, "dann hat sich's halt geändert". Obwohl Katja ein ruhiges, liebes Kind gewesen sei und viel geschlafen habe, fühlte Harald S. sich von ihr offenbar zunehmend gestört. Zumal die Tochter sich nicht so verhielt, wie ihr Vater es sich vorstellte.

Wenn sie beim Windeln wechseln bieselte, wies er sie scharf zurecht. "In einem Jahr bist du sauber", habe S. befohlen. Wenn sie Hunger hatte, verfügte er, dass sie nur zu geregelten Zeiten etwas zu Essen bekommen sollte. Wenn die Kleine schrie, habe der Vater sie geschimpft mit den Worten: Er sei hier der Herr im Haus. Hinweise der Frau, das Mädchen sei doch noch ein Säugling, blieben wirkungslos. "Er dachte, sie macht das mit Fleiß", erzählt die Mutter. So ging es los.

"In eine wahre Hölle verwandelt"

Iris S. sitzt in einem Nebenraum des Landgerichts, ihre Aussagen werden auf Leinwand in den Gerichtssaal übertragen. Zwei Frauen - eine Therapeutin und ein Zeugenbeistand - sitzen neben ihr, eine tätschelt ihr den Arm. Iris S. möchte nicht in Gegenwart ihres Mannes vernommen werden. Seit dieser vor sechs Monaten ins Gefängnis kam, gibt es keinen Kontakt mehr.

Die 34-Jährige befindet sich wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung in Behandlung. Allein der Gedanke an ein persönliches Treffen verursache Schlafstörungen, sagt die Therapeutin, ihre Patientin sei dann "wie gelähmt". 2012 hat Harald S. seine Frau mit einer Krücke geschlagen, auch das fließt ins Strafmaß mit ein.

Weit schwerer wiegen die Misshandlungen des Babys. S. habe den Rückzugsraum Familie "in eine wahre Hölle verwandelt" und "als Vater aufs Schlimmste versagt", wirft Oberstaatsanwalt Rainer Lehner dem Angeklagten vor. Anfang Juli kam es zu ersten Übergriffen. S. schlug das Kleinkind ins Gesicht und legte es in eine Gefriertruhe.

Er habe seine Ruhe haben wollen und sei komplett überfordert gewesen, erklärt der Kraftfahrer aus dem Landkreis Neustadt an der Waldnaab. Seine Frau stand direkt daneben, als er die Tochter in die Truhe steckte. "Deckel auf und rein", so sei das gewesen. Eine halbe Minute habe das Kind bei knapp minus 20 Grad in Dunkelheit verbracht, ehe die Mutter es wieder befreite.

"Unterdurchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit"

Am Abend des 22. Juli eskalierte die Situation. Um die fünfwöchige Katja zum Verstummen zu bringen, schlug S. sie auf den Po, schüttelte sie mehrmals durch, ohne den Kopf zu stützen, hielt sie kopfüber an den Beinen fest und trug sie durch die Wohnung, warf sie wiederholt aufs Bett, blies und spuckte sie an, ließ ihr kaltes Wasser ins Gesicht laufen, legte sie nackt auf den kalten Fliesenboden und zwei Minuten in den Kühlschrank, stopfte ihr ein Spucktuch in den Mund, drohte sie umzubringen - ließ dann aber immer wieder von ihr ab. Die Hände habe er ihr festgebunden, weil das später nicht gut sei für die Zähne. Eine Nachbarin rief die Polizei, Tage später wurde der 39-Jährige verhaftet.

In einer Stellungnahme räumt S. nahezu alle Vorwürfe ein, nur dass er das Kind geschnitten habe und in die Waschmaschine legen wollte, bestreitet er. Er habe seine Tochter weder verletzen noch töten wollen, behauptet er. Nachfragen des Richters beantwortet er fast immerzu mit den Worten: "Das weiß ich nicht mehr." Die Erklärung hat er wegen Sprechschwierigkeiten von seinem Anwalt verlesen lassen. Dieser fordert vier Jahre Haft, weil sein Mandant kein gefühlskalter Mensch sei, sondern "affektiv aufgeladen" gehandelt habe.

Sachverständige bescheinigen Harald S. eine "unterdurchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit", erhöhte Impulsivität, aber keine Persönlichkeitsstörung. Mit einem Intelligenzquotienten von knapp über 70 gehöre er zu den unteren drei Prozent der Bevölkerung. S. besuchte die Förderschule, seine Gesellenprüfung als Zimmermann verpatzte er im theoretischen Teil. Auch seine Bereitschaft, eine Therapie zu machen, könnte an fehlender Intelligenz scheitern, meint die Gutachterin.

Für Katja, sagen Ärzte, hätte die Sache auch schlimmer ausgehen können. Spätfolgen seien aber nicht auszuschließen.

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