Prozess in Traunstein:Harsche Kritik an der Staatsanwaltschaft

Prozess in Traunstein: Trauer: André B. wurde im Sommer des vergangenen Jahres bei einer Verfolgung durch die Polizei getötet.

Trauer: André B. wurde im Sommer des vergangenen Jahres bei einer Verfolgung durch die Polizei getötet.

(Foto: Robert Piffer)
  • Der Polizist Michael K. soll einen Mann erschossen haben, der vor dem Beamten geflüchtet ist.
  • Der Anwalt der Opferfamilie wirft der Staatsanwaltschaft nun vor, einseitig zu ermitteln und einen Prozess gegen den Beamten zu vermeiden.
  • Dort sagte ein Sprecher, von einer Einstellung des Verfahrens bis zu einer Anklage vor dem Landgericht Traunstein sei noch alles möglich.

Von Heiner Effern, Traunstein

Die Familie des mutmaßlich von einem Polizisten erschossenen André B. aus Burghausen erhebt schwere Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft Traunstein. "Die versucht mit allen Mitteln, einen Prozess gegen den Beamten zu vermeiden", sagt Rechtsanwalt Steffen Ufer, der die Mutter des getöteten Mannes vertritt. Nur so seien die lange Dauer des Verfahrens und die immer wieder neuen Ermittlungen zu verstehen. "Die suchen immer wieder einen neuen Grund, um einzustellen, was unbedingt in öffentlicher Verhandlung geklärt werden muss." Der beschuldigte Schütze, Polizist Michael K., benötige aufgrund der einseitigen Arbeit der Ermittler eigentlich keine Verteidiger mehr, sagt der Nebenkläger-Anwalt.

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Traunstein, Wolfgang Giese, weist den Vorwurf der einseitigen Ermittlungen zurück: "Wir schöpfen alles aus, um dem Beschuldigten und den Opfern gerecht zu werden." Der Fall sei sehr komplex , da gelte es jeden Winkel zu durchleuchten. Zum Stand der Ermittlungen und der Frage, wann diese abgeschlossen sein könnten, äußert er sich nicht. Von einer Einstellung des Verfahrens bis zu einer Anklage vor dem Landgericht Traunstein sei noch alles möglich.

Tödlicher Schuss zwischen Nacken und Hinterkopf

Der Beschuldigte Michael K. und ein Kollege wollten André B. am 25. Juli 2014 wegen des Verdachts auf Marihuana-Handel festnehmen. Wenige Monate zuvor war der damals 33-Jährige aus der Haft entlassen worden; er hatte wegen eines Drogendelikts gesessen. Die beiden Polizisten folgten André B. bis zur Eingangstür des Wohnblocks in Burghausen, in dem dessen Freundin lebte. Im Innenhof soll er die Fahnder laut deren Angaben entdeckt haben und trotz einer Warnung zum zweiten Ausgang des Hofs geflohen sein. Die Polizisten verfolgten ihn, kurz darauf fielen zwei Schüsse. Die erste Kugel ging in die Luft, die zweite traf den Fliehenden aus einer Entfernung von maximal zehn Metern tödlich zwischen Nacken und Hinterkopf.

"Irrsinnig" nennt Ufer die Abgabe der Schüsse. Diese seien bei einer Festnahme das allerletzte Mittel, das die Polizisten hier keinesfalls anwenden hätten dürfen. André B. sei zwar formal wegen eines Verbrechens gesucht worden, hätte mit Verstärkung aber ohne Probleme festgenommen werden können. Oder auch am Tag später oder eine Woche später. Zu keiner Zeit sei von ihm eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgegangen. Das "Rumballern eines schießwütigen Polizisten " direkt neben spielenden Kindern, mit Schussrichtung auf die Balkone und Fenster eines weiteren Wohnblocks, entbehre jeder Verhältnismäßigkeit.

"Ein einmaliger Vorgang"

Doch die Ermittler gäben Gutachten und Ermittlungen in Auftrag, die wie selbstverständlich von einer rechtmäßigen Schussabgabe ausgingen, ärgert sich Ufer. "Dass die Staatsanwaltschaft den Schützen gleich danach als Zeugen und nicht als Beschuldigten vernommen hat, das zeigt, mit welcher Einstellung sie an die Ermittlungen herangegangen ist." Eine Vernehmung eines Todesschützen als Zeuge sei "ein einmaliger Vorgang". An dieser Einstellung habe sich bis heute nichts geändert, kritisiert Ufer, und nennt als Beispiel das Gutachten eines Sachverständigen, der an der Frankfurter Goethe-Universität Sportwissenschaften lehrt.

Er soll als Experte erklären, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Polizist damit rechnen musste, André B. tödlich zu treffen. Hätte er als Verteidiger in einem Fall jemals einen Gutachter mit so wenig Fachkompetenz vorgeschlagen, hätten sich die Staatsanwälte "totgelacht", sagt Ufer. Dieser Gutachter aus dem Sportbereich, der lediglich "einzelne Aufsätze" zu Schüssen von Polizisten geschrieben habe, sei wohl das letzte "Wundermittel" gewesen, um eine Anklage zu vermeiden.

Ufers Kollege Andreas von Máriássy, der den Polizisten Michael K. vertritt, äußert sich zum Inhalt der Ermittlungen nicht. Nur eines sagt auch er nicht zum ersten Mal: "Wir hoffen, dass das Verfahren nun schnell abgeschlossen wird."

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